Wenn Carolina Trautner von ihrer Kindheit erzählt, bekommt sie leuchtende Augen. Sie durfte nämlich den Traum leben, den in den 1960er- und 70er-Jahren fast alle hatten, die mit den Filmen von Pippi Langstrumpf, Tommi und Annika und den Kindern von Bullerbü aufgewachsen sind. Trautners Mutter ist Schwedin, und im Sommer fuhr die Familie aus Augsburg immer nach Småland zu den Großeltern. „Als Stadtkind habe ich dort auf dem Land eine nicht gekannte Freiheit erlebt“, schwärmt sie. Die Welt der Astrid Lindgren war damals für ein paar Wochen im Jahr auch ihre.
Bis heute sei Schweden für sie ein Stück Heimat geblieben. Einige Traditionen aus dem Norden hat sich Trautner bis heute im Schwäbischen bewahrt. So werde am 13. Dezember das Luciafest mit Pfefferkuchen nach schwedischem Rezept und Originalzutaten gefeiert, und an Weihnachten gebe es immer ein schwedisches Büffet. Ein „Riesenaufwand“ sei das alles mit dem selbst gebeizten Lachs, den eingelegten Heringen und den klassischen Köttbullar – aber eben auch ein Event, bei dem die Familie in der Küche zusammenkomme. So oft es gehe, ergänzt die 60-Jährige noch, fahre sie auch heute noch zur Sommersonnwende ins eigene Ferienhäuschen nach Schweden, wo dann mit den Nachbarn gefeiert und um die Mittsommerstange getanzt werde.
Und damit zurück in die Realität bayerischer Politik. In die ist Trautner als sprichwörtlich Spätberufene eingestiegen. Es war ein Anruf, der sie 1998 mit 37 Jahren ganz ohne JU-Vergangenheit in die CSU eintreten ließ. Sie war damals Elternbeirätin im Kindergarten ihrer Tochter in Stadtbergen und hatte bei einer recht lebhaften Diskussion mit dem Gemeinderat offenbar nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Jedenfalls klingelte zwei Tage später der örtliche CSU-Fraktionschef mit der Frage bei ihr an, ob sie sich nicht in der CSU kommunalpolitisch einbringen wolle.
„Ich bin also in die CSU eingetreten – und dann ist erst einmal nicht viel passiert“, erinnert sich Trautner. Dafür ging wenig später alles ganz schnell: 1999 CSU-Ortsvorsitzende in Stadtbergen, 2002 Gemeinde- und Kreisrätin, 2013 Landtagsabgeordnete, 2015 CSU-Kreisvorsitzende Augsburg-Land, 2018 Staatssekretärin, seit 2020 Sozialministerin. Eine Turbo-Karriere sozusagen auf dem zweiten Bildungsweg, und das in der CSU – als Frau und zweifache Mutter. „Wenn ich mal irgendwo dabei bin, dann knie ich mich auch richtig rein“, beschreibt Trautner ihr Lebensmotto. Ein anderes lautet: „Hinschauen, zuhören, kümmern.“
Das hat sie wohl auch bei der Berufswahl geleitet. Zunächst wollte Trautner ihrem Vater nacheifern und Zahnärztin werden. Für einen Studienplatz habe aber der Abischnitt nicht ganz gereicht, und als sie dann einen an einer schwedischen Uni bekommen hätte, war der ihr doch ein bisschen weit im Norden. Also schwenkte Trautner kurzerhand auf Pharmazie um und wurde Apothekerin. Sie habe das nie bereut, weil ihr der Umgang mit den Kund*innen und das Herstellen von Medikamenten viel Spaß gemacht habe. Bis dann eben die Politik dazwischengekommen ist.
Den ersten Anlauf in den Landtag hat Trautner 2008 noch ausgelassen. Zum einen wegen der Familie, zum anderen weil sie sich über die Liste ohnehin nur wenig Chancen ausgerechnet hatte. 2013 klappte es dann. Sie ging in den Bildungs- und den Petitionsausschuss, wurde Mitglied in der Enquete-Kommission „Ländlicher Raum“ und bürdete sich später auch noch den Gesundheitsausschuss auf. „Naja“, lächelt sie nun, „ich habe halt etwas mehr gearbeitet. Aber es hat sich gelohnt.“ In der Tat: Schon nach gut vier Jahren im Landtag berief sie der neue Ministerpräsident Markus Söder als Kultusstaatssekretärin in sein erstes Kabinett. Was ihr zunächst sehr unwirklich vorgekommen sei. In der Nacht vor der Ernennung sei sie aufgewacht und habe auf ihrem Handy nachschauen müssen, ob da wirklich ein Anruf aus der Staatskanzlei abgespeichert sei. War er.
Der Start als Sozialministerin im Februar 2020 stand dann unter keinem guten Stern. „Meine erste Amtshandlung war tatsächlich die Schließung der Kitas wegen Corona“, erinnert sich Trautner. Seitdem prägt die Pandemie ihr Ministerinnendasein. Dass sie sich für die bessere Beteiligung von Jugendlichen in Gesellschaft und Politik einsetze, bei der Gleichstellung von Männern und Frauen noch „Luft nach oben“ sehe, die Kompetenzen, das Wissen und die Erfahrung von Senior*innen für die Gesellschaft nutzbar machen möchte und auf mehr Inklusion Behinderter dränge, werde deshalb öffentlich kaum wahrgenommen, bedauert sie. Im Landtag wird Trautner als kollegial und kompetent beschrieben. Dass sie aber ein eigenes sozialpolitisches Profil entwickelt hätte, sagt ihr zumindest in der Opposition niemand nach.
„Ich bin nicht die ganz Laute, aber beharrlich“
Vielleicht liegt das an ihrer teil-skandinavischen Sozialisation. „Ich bin halt nicht die ganz Laute, aber ich bin sehr beharrlich“, schildert sie ihren Politikstil. Wenn es sein müsse, könne sie aber auch anders. Für ihre Verhältnisse forsch stellt Trautner deshalb zum Beispiel klar, dass sie die Arbeitsministerin sei und damit zuständig für die Interessen der Arbeitnehmer*innen. Wenn es um den Schutz vor Sonntagsarbeit gehe oder die Arbeitsbedingungen im Großhandel stehe sie eng an der Seite der Gewerkschaften. „Ich bin nicht die Wirtschaftsministerin“, betont sie.
Während andere Politiker*innen gerne auf eine lange Liste an Ehrenämtern verweisen, hält sich Trautner diesbezüglich eher zurück. Beisitzerin im heimischen BRK-Kreisverband, Beirätin im Kolping-Bildungswerk Bayern – das war es schon fast. Denn sie firmiert noch als Präsidentin des Freundeskreises Kloster Oberschönenfeld. Das Kloster sei ihr Lieblingsort im Landkreis Augsburg, an den sie sich auch gerne zurückziehe, um in der klösterlichen Ruhe mit den dortigen Schwestern zu reden und deren Arbeit über den Freundeskreis finanziell und politisch zu unterstützen. Berührungsängste habe sie als fest im Glauben verankerte evangelische Christin nicht.
Ihre rare Freizeit verbringt Trautner am liebsten mit der Familie oder sie geht mit ihrem Mann zum Bergwandern – um zu reden und den Kopf auszulüften, wie sie sagt. Und sie hat ihre Leidenschaft für das Saxophon entdeckt. Geliebäugelt habe sie mit dem Instrument schon als Jugendliche, aber erst viel später habe sie zu Weihnachten eines von ihrem Mann bekommen. Seitdem übe sie regelmäßig. Sie habe einen geduldigen „Traumlehrer“ an der Musikschule gefunden, der es verstehe, sie zu motivieren – seit zwei Jahren sogar online. Sie mache Fortschritte, sagt Trautner, aber für öffentliche Auftritte als Musikerin reiche es noch lange nicht. (Jürgen Umlauft)
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