Es war ein sonniger Spätsommertag im Jahr 2003, als Melanie Huml mit einer Gruppe frisch gewählter CSU-Abgeordneter das Maximilianeum erkundete. Die heutige Gesundheitsministerin war damals noch unter ihrem Mädchennamen Beck unterwegs. „Ja, das war schon ein bisschen überraschend“, sagt Huml heute über ihren Landtagseinzug als 28-Jährige. Denn eigentlich habe sie seinerzeit für den Bezirkstag von Oberfranken kandidieren wollen, um Mandat und Beruf als junge Ärztin in Bamberg besser vereinbaren zu können. Doch die Spitzen der oberfränkischen CSU hatten anderes mit ihr vor.
Realistisch war es damals nicht unbedingt, dass Huml der Sprung in den Landtag auf Anhieb gelingt, denn ein sicherer Stimmkreis war für sie nicht frei. Auf Platz sechs der Liste reihten sie die Delegierten ein, die Chance auf ein Mandat wurde bestenfalls dem Listenführer eingeräumt. Und dort stand mit Bezirkschef und Umweltminister Werner Schnappauf ein politisches Schwergewicht. Die Oberfranken wählten Huml aber auf Platz zwei vor, den Rest erledigte die „Stoiber-Welle“.
Auf dem Zenit seiner Macht verhalf Ministerpräsident Edmund Stoiber seiner CSU zu einer Zweidrittelmehrheit und spülte damit ein gutes Dutzend Listenkandidaten eher unerwartet in den Landtag. Darunter Melanie Beck. Dass ihr die Sogwirkung Stoibers geholfen hat, räumt Huml unumwunden ein. Sie betont aber auch, dass es ohne ihren Sprung auf Listenplatz zwei nicht gereicht hätte. „Das war das Ergebnis von viel Arbeit“, entsinnt sich Huml.
Als Huml schwanger war, fragte Seehofer bei Merkel nach
Den Weg in die Politik hatte sie über ihren Vater gefunden, einen erfahrenen CSU-Stadtrat ihrer Heimatgemeinde Hallstadt vor den Toren Bambergs. Sie habe an seinem Beispiel erlebt, wie anspruchsvoll politisches Engagement sei, wie aber dennoch oft despektierlich über „die Politiker“ geredet werde. Damit habe sie sich schon als Jugendliche nicht abfinden wollen und deshalb nach dem Motto gehandelt: „Wenn du etwas verändern willst, dann musst du mitmachen.“ So trat sie mit 18 in die Junge Union ein.
Humls Karriere in der Landespolitik nahm schnell Fahrt auf. Nach vier Jahren im Gesundheitsausschuss des Landtags holte sie 2007 der neue Ministerpräsident Günther Beckstein mit gerade mal 32 Jahren als Staatssekretärin ins Sozialministerium. Die Kombination aus jung, weiblich, Oberfränkin hat Huml dabei gewiss nicht geschadet. Ein Jahr später wechselte sie ins Umwelt- und Gesundheitsministerium. Und als Regierungschef Horst Seehofer 2013 ein eigenes Ressort für Gesundheit und Pflege schuf, ernannte er die Ärztin Huml zur Ministerin.
In die Schlagzeilen geriet die eher unaufgeregt arbeitende Fränkin als erste Frau in der Staatsregierung, die im Amt ein Kind zur Welt brachte. Weil es dafür keine Regeln gab, erinnert sich Huml, habe Horst Seehofer bei Kanzlerin Angela Merkel nachgefragt. Denn kurz vor Huml hatte in deren Kabinett die damalige Familienministerin Kristina Schröder (CDU) entbunden. Am Ende kam eine mehrwöchige Babypause im Homeoffice für Huml heraus. Bei der Geburt ihres zweiten Sohnes war die Sache dann schon eingespielt.
Aus der Doppelbelastung als Ministerin und junge Mutter will Huml kein großes Aufheben machen. „Familie und Beruf stemmen in Bayern ganz viele Väter und Mütter“, sagt sie. Sicher kommen bei ihr erschwerend das Pendeln zwischen Bamberg und München sowie die vielen Termine in ganz Bayern dazu.
Abschalten bei Miss Marple und Commissario Brunetti
Aber wenn in der Familie inklusive Großeltern alle mithälfen, dann klappe das auch. Der zweite Dienstsitz ihres Ministeriums in Nürnberg habe die Work-Life-Balance nur marginal verbessert, berichtet Huml. Sicher könne sie nun öfter zu Hause übernachten, aber ein zweiter sei auch ein zusätzlicher Dienstsitz, der eine gewisse Präsenz verlange.
Plötzlich ins Rampenlicht geriet Huml mit der Corona-Krise. Als Gesundheitsministerin saß oder stand sie auf einmal fast täglich in live übertragenen Pressekonferenzen und im Fokus einer nach Antworten und Orientierung suchenden Öffentlichkeit. Auf die Frage, was diese Stresssituation mit ihr gemacht habe, antwortet sie mit einer Art verbalem Schulterzucken: „Verändert hat mich das nicht, man ist nur noch konzentrierter als im Normalbetrieb.“ Es sei einfach nötig gewesen, zu Beginn der Krise viel und transparent zu informieren. Zum Nachdenken über das eigene Befinden sei da keine Zeit geblieben.
Nach außen in keiner Weise gerührt geht Huml über den offen von manchen Medien und geraunt von einzelnen Kollegen geäußerten Vorwurf hinweg, sie sei als Krisenmanagerin heillos überfordert gewesen. Dass die vorübergehende Zuordnung des Innenstaatssekretärs Gerhard Eck und eines zweiten Amtschefs für Außenstehende den Eindruck habe entstehen lassen, sie schaffe das nicht alleine, könne schon sein, meinte Huml.
Tatsache sei aber, dass sie bei Regierungschef Markus Söder genau um diese Unterstützung gebeten habe. Das junge Ministerium sei für diese Situation personell nicht ausgestattet gewesen, zudem habe es die enge Koordination mit dem für den Katastrophenschutz zuständigen Innenministerium gebraucht. „Ich finde es richtig, offen anzusprechen, dass man mehr Unterstützung benötigt, wenn man erkennt, dass die vorhandenen Strukturen für einen solchen Krisenfall nicht ausreichen“, bekennt Huml.
Dass sie im Zweifel auch die Ellbogen ausfahren kann, zeigte Huml 2017. Damals hatte die CSU-Ikone Barbara Stamm angekündigt, nicht mehr als Parteivizin anzutreten. Huml warf ihren Hut in den Ring, obwohl eine Kampfabstimmung entweder gegen den damaligen Bundesminister Christian Schmidt oder die Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär drohte. „Ich wäre auch vor einer Kampfkandidatur nicht zurückgeschreckt“, betont Huml selbstbewusst. Weil Schmidt am Ende zurückzog, fiel diese dann aber aus. Huml wurde mit 87,6 Prozent der Stimmen gewählt.
In ihrer Freizeit liest Huml gerne Krimis. Agatha Christies „Miss Marple“ hat es ihr besonders angetan, aber auch Donna Leons „Commissario Brunetti“ und Henning Mankells „Wallander“. Gerne nimmt sie zudem Biografien zur Hand, von gekrönten Häuptern bis zu Politikern „alles querbeet“. Eine besondere Verbindung hat sie zum Tagebuch der Anne Frank: weil Geschichte anhand der Schicksale von Personen noch erlebbarer werde und sie die Erinnerung an den Holocaust für eine wichtige Aufgabe halte. Im Winter geht sie gern mit der Familie zum Skifahren. Après-Ski sei dabei „nicht mein Ding“, ergänzt Huml – und das nicht nur wegen Ischgl und Corona.
(Jürgen Umlauft)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!