Menschen mit türkischen, kroatischen und italienischen Wurzeln gehören oder gehörten dem Bayerischen Landtag bereits an; eine gebürtige Ostdeutsche war wohl noch nicht dabei. Mit Ramona Storm (AfD) zog nach der Landtagswahl eine Abgeordnete ins Maximilianeum ein, die in der DDR geboren wurde und dort bis 1989 lebte.
Zur Welt kam sie 1958 im brandenburgischen Kyritz, später lebte sie im mecklenburgischen Rostock, wo sie nach der Schule eine Lehre bei der Post absolvierte und danach dort arbeitete. „Und wenn es allein nach mir gegangen wäre, dann wäre ich auch in meiner Heimat geblieben. Aber mein damaliger Mann versprach sich viel von einem Umzug in den Westen,“ erzählt Storm. Und so gelangte die Familie – Ramona Storm ist Mutter von vier Kindern und inzwischen auch Großmutter von zwei Enkeln – kurz nach der Wende ins unterfränkische Aschaffenburg.
Mit der Post war dann beruflich bald Schluss. Storm absolvierte eine Ausbildung zur Krankenschwester, arbeitete 20 Jahre und fast bis zur Rente auf der Intensivstation des Städtischen Klinikums in Aschaffenburg. „Fast“ deshalb, weil sie kurz vor dem Eintritt in den Ruhestand von der Klinikleitung wegen unliebsamer Äußerungen im Zusammenhang mit den Corona-Impfungen von der Arbeit freigestellt wurde. Bei einer Demonstration in ihrer Heimatstadt hatte sie 2021 einem lokalen Fernsehsender ein Interview gegeben, in dem sie vor der Impfung warnte. „Ich habe bei vorher kerngesunden jungen Menschen nach der Impfung schlimme Nebenwirkungen beobachtet“, berichtet die ehemalige Krankenschwester, die sich aus Überzeugung niemals impfen ließ.
Sobald ihre Freistellung öffentlich bekannt wurde, habe sie „umgehend zahlreiche Jobangebote“ aus dem Gesundheitsbereich erhalten – als Ungeimpfte. Zu diesem Zeitpunkt gehörte Ramona Storm bereits sei einem Jahr als Vertreterin der AfD dem Stadtrat von Aschaffenburg an – als eine von zwei Mitgliedern ihrer Partei.
Zur Politik kam sie erst spät im Leben, mit fast 60 Jahren. „Ich habe mich vorher eigentlich nur um meine Arbeit und meine vier Kinder gekümmert, damit hatte ich genug zu tun.“ Doch als sie im Jahr 2018 eines Tages ihre Enkelin vom Tanzunterricht abholen wollte und noch in einem Café wartete, habe sie einen Rentner beobachtet, der Flaschen aus dem Müll sammelte. „Das war meine Initialzündung“, erinnert sie sich.
Sie forschte nach, wie viele alte Menschen in ihrer Stadt eigentlich von Armut betroffen sind. „Das Ausmaß der Not hat mich betroffen gemacht“, bekennt Storm. „Dagegen wollte ich mich unbedingt engagieren.“ Die Flüchtlingsproblematik, für viele andere in ihrer Partei das Leib- und Magenthema, sei für sie dagegen nicht entscheidend gewesen.
Und warum dann ausgerechnet die AfD? Storm sagt: Von Union, SPD und Grünen habe sie nicht erwartet, dass sie gegen die sozialen Probleme etwas unternehmen. Die hätten der Entwicklung ja auch bisher tatenlos zugesehen. Und der FDP seien Arme ohnehin egal. Die Linkspartei habe sie sich zwar mal kurz angeschaut, erinnert sich die Abgeordnete. „Aber das sind Kommunisten und mit denen möchte ich nichts zu tun haben.“ Das mag auch mit ihrer DDR-Vergangenheit zu tun haben. Damals sei ihr eine schon sicher geglaubte Beförderung bei der Post verwehrt worden, weil sie nicht der SED habe beitreten wollen, berichtet Storm. Das lässt sich zwar nicht nachprüfen, war aber in der DDR gängige Praxis und ist deshalb durchaus glaubhaft. 2018 trat sie dann der AfD bei.
Wenn man mit Ramona Storm redet, wirkt sie nicht so, wie man sich eine Rechtspopulistin vorstellt. Sie spricht ruhig und sachlich, und ihr trockener Humor erinnert ein wenig an Angela Merkel, mit der sie die geografische Herkunft teilt. Von Misstrauen oder gar Antipathie gegenüber der Presse – ein häufiger Zug in der AfD – ist nichts zu spüren. Und da ist auch kein überdrehter und schriller nationalistischer Pathos, ebenso wenig wie sprachliche Geschmacklosigkeiten oder gar Beleidigungen in Bezug auf Migrant*innen. „Warum auch?“, fragt Storm. „Ich war in zweiter Ehe mit einem Türken verheiratet. Mein Ex-Mann, zu dem ich immer noch ein gutes Verhältnis habe, ist der Sohn eines Hodschas. Ich bekam zur Hochzeit den Koran in deutscher Übersetzung geschenkt und habe ihn gründlich gelesen; kenne mich also durchaus mit dem Islam aus.“
Die Erde eine Scheibe? Das war Ironie, sagt Storm
Allerdings: Langfristig, davon ist Ramona Storm überzeugt, strebten die Muslime die Islamisierung der gesamten Welt an. Was immerhin auch durch den Koran belegt ist, den Storm nach einzelnen Suren zitieren kann. Auf ihrer Facebook-Seite hat sie ein Video vom Weihnachtsmarkt im unterfränkischen Karlstadt gepostet, in dem ein Imam seinen Gebetsruf erschallen lässt. Für die nach eigenem Bekunden „konfessionslose, aber überzeugte Christin“ ein eindeutiges Zeichen eines Machtanspruchs.
Wer Ramona Storms Namen googelt, stößt zwangsläufig auf Meldungen, wonach sie behauptet habe, die Erde könne auch flach sein. Sie behauptet: Unsinn, „das war ironisch gemeint, aber der Lokalredakteur vom Main-Echo hat die Ironie wohl nicht verstanden.“ Bei einer Befragung der Wahlkreiskandidaten habe er sie, so Storms Schilderung, immer wieder in die Ecke von Verschwörungstheorien drängen wollen, denen die AfD angeblich anhänge – und schließlich gefragt: „Glauben Sie, dass die Erde eine Scheibe ist?“ Storm war genervt und antwortete pampig: „Das kann ich nicht abschließend beantworten.“ Ein Fauxpas mit Folgen. Denn auch nach Monaten holt sie die Aussage ein.
Im Landtag vertritt Ramona Storm ihre Fraktion im Bildungsausschuss und im Ausschuss für den öffentlichen Dienst. Der Gesundheitsausschuss wäre zwar für eine gelernte Krankenschwester naheliegend gewesen. Aber ein Fraktionskollege, von Beruf Rettungssanitäter und schon in der zweiten Legislaturperiode dabei, habe dort weiter aktiv sein wollen „und ich bin niemand, der sich das erboxt“, meint sie.
Das Hinweisen auf die Gefahren eines aus ihrer Sicht militanten Islam will sie im Landtag auch zu einem Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit machen. Neben dem Einsatz für von Armut bedrohte Alte natürlich, der sie einst zur Politik brachte. (André Paul)
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