„Nah an den Menschen!“ Das ist – in leichter Abwandlung zur CSU-Parole – auch Martina Fehlners Maxime. Nah an München ist sie nicht gerade. Die SPD-Abgeordnete ist dreieinhalb Stunden unterwegs, bis sie mal in der Landeshauptstadt ist. Dabei ist die Zugverbindung von Aschaffenburg nach München gar nicht mal schlecht, es fährt stündlich ein ICE. Aber in München kann es dann vorkommen, dass Fehlner einem Oberbayern erst mal erklären muss, dass Bayern nicht hinter Würzburg zu Ende ist. Weil dann eben noch Aschaffenburg kommt, die nordwestlichste Stadt Bayerns.
Aschaffenburg wird seit einem halben Jahrhundert von einem SPD-OB regiert. Und auch wenn sich der gegenwärtige OB mit der CSU arrangieren muss, die gebürtige Aschaffenburgerin Martina Fehlner kennt das von zu Hause gar nicht, dass ihre Partei, die SPD, darbt. Bei der letzten Kommunalwahl war die SPD in Aschaffenburg dreimal so stark wie im bayerischen Landesdurchschnitt.
Die Entfernung nach München ist wie gesagt kein Pappenstiel. Martina Fehlner sagt, sie sei in sechs anderen Landtagen schneller als im bayerischen. Aber dieses Los teilt die 61-Jährige erstens mit dem CSU-Kollegen Winfried Bausback, und zweitens ist für die gelernte Kauffrau und Sozialpädagogin die Nähe zu den Menschen viel entscheidender als die geografische Distanz zum Machtzentrum. „Das Wichtigste in der Politik ist für mich Vertrauen und Glaubwürdigkeit.“ Wenn die Leute in ihrem Wahlkreis das Gefühl haben: „Sie ist da, wenn man sie braucht“ – dann hat sie ihre Aufgabe erfüllt.
Die kommunale Verankerung ist für Martina Fehlner unverzichtbar. Seit zwanzig Jahren sitzt sie in Aschaffenburg, wo sie mit ihrem Lebenspartner wohnt, im Stadtrat. Seit 2013 vertritt Martina Fehlner die nordwestlichste Ecke Bayerns im Landtag, seit 2018 sitzt sie im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Umbau der Ställe, Tierwohl, Anbindehaltung, Kombihaltung, das sind einige der brisanten Themen. Ein anderes: die Lebensmittelverschwendung. Stichwort Containern – wie würde Martina Fehlner entscheiden? „Ich würde mich schwertun, das zu verurteilen“, sagt sie spontan, andererseits: „Man kann ja nicht gegen geltendes Recht verstoßen.“ Aber sie findet es „schon seltsam, dass es Menschen gibt, die es zur Anzeige bringen, wenn jemand aus einem Container Lebensmittel holt, die sonst weggeschmissen werden. Der hätte ja auch weggucken können.“
Die Zahl der Ehrenämter von Martina Fehlner mutet endlos an, von ihren Ämtern im Landtag sticht das der Sprecherin der SPD-Fraktion für Medienpolitik heraus. Das Feld kennt sie aus eigener Erfahrung: Sie war Reisejournalistin bei einem Lokalsender, schrieb PR-Texte für touristische Unternehmen. Vielleicht könnte man es auch so sagen: Sie kennt den Unterschied zwischen Werbung und Journalismus.
Als die AfD wieder mal den öffentlich-rechtlichen Rundfunk attackiert, springt Martina Fehlner für ihn in die Bresche. Unaufgeregt und sachlich erklärt sie für die SPD-Fraktion in der Plenardebatte am 26. April 2022: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist im Grundgesetz fest verankert.“ Knapp fügt sie hinzu: „Er ist wichtig für einen hohen Qualitätsstandard im Journalismus. Notwendige Reformen, verstärkte Kooperationen in einer sich rasant verändernden Medienwelt sind selbstverständlich.“ Und dabei bleibt Fehlner auch, als ein AfD-Abgeordneter sie mit einer Zwischenbemerkung zu provozieren versucht. Mit keinem Wort geht sie auf die Sticheleien des AfDlers ein, wiederholt einfach in aller Ruhe, dass die SPD uneingeschränkt hinter dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk stehe, Punkt.
Dieses Bekenntnis, findet Martina Fehlner, ist längst nicht mehr selbstverständlich, und das macht ihr Sorgen. Infrage gestellt werde der öffentlich-rechtliche Rundfunk längst nicht mehr nur von der AfD. Man brauche nur nach Sachsen-Anhalt zu schauen, wo Teile der CDU drohten, mit der AfD gegen eine Erhöhung der Rundfunkgebühren zu stimmen. Die Diskussion werde oft auf die sehr kurzsichtige Frage reduziert: „Warum muss ich 18 Euro zahlen?“ Gleichzeitig betont Martina Fehlner: „Natürlich muss auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk Sparmaßnahmen überdenken!“ Und dafür hat sie auch sofort ein Beispiel parat: „Müssen zu jeder Großveranstaltung, ob Fußball-WM oder Olympia, ZDF und ARD beide mit kompletten Sendestudios anrücken? Reicht da nicht ein Studio?“
Die Sexualmoral der Kirche: Für die Katholikin Fehlner noch immer unfassbar
Doch solche kritischen Diskussionen in Einzelpunkten ändern nicht das Geringste an der grundsätzlichen Position von Martina Fehlner: „Ich bin der Meinung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein ganz wichtiger Pfeiler für unsere Demokratie ist, die vierte Macht überhaupt in unserem Staat.“ Sie verweist auf das weltweite Korrespondentennetz der ARD und fragt, wer denn sonst solchen Phänomenen wie Fake News, Desinformation und Filterblasen entgegenwirken solle: „Wir brauchen freie, unabhängige Berichterstattung, wir brauchen gut ausgebildete, qualifizierte Journalisten!“
Dass mit Lorenz Wolf erst jüngst der Vorsitzende des Bayerischen Rundfunkrats sein Amt abgeben musste, fand sie „wichtig und richtig“. Dem katholischen Geistlichen war im sogenannten Münchner Missbrauchsgutachten bescheinigt worden, an der Vertuschung sexuellen Missbrauchs maßgeblich beteiligt gewesen zu sein. Bei dem Thema fordert Martina Fehlner, die nicht im Rundfunkrat, aber im Medienrat sitzt, „eine ganz klare Haltung und eine schonungslose Aufklärung“. Auch das lange Herumlavieren von Lorenz Wolf nach Erscheinen des Gutachtens konnte Martina Fehlner nicht nachvollziehen. „Da lob ich mir Frau Käßmann! Die hatte einen übern Durst getrunken und ist am nächsten Tag zurückgetreten. Die hat für mich an Reputation gewonnen!“
Sehr beeindruckt hat die bekennende Katholikin die ARD-Reportage Wie Gott uns schuf im Januar dieses Jahres, in der Katholik*innen öffentlich machten, dass sie ihre sexuelle Orientierung aus Angst vor kirchlichen Strafmaßnahmen verheimlichen. „Dass Frauen und Priester sich aufgrund ihres Privatlebens verstecken müssen, ist doch unfassbar!“ Martina Fehlner hat dafür keinerlei Verständnis: „Und das im Jahre 2022 – was ist daran christlich?“ (Florian Sendtner)
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