Landtag

Ruth Müller. (Foto: Anita Frischhut)

29.04.2022

Die Zupackende

Im Porträt: Ruth Müller, agrarpolitische Sprecherin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD

Ruth Müller ist nicht so schnell irritiert. Wenn die SPD-Abgeordnete mit einer Zwischenbemerkung der AfD konfrontiert ist, lässt sie sich nicht aus dem Konzept bringen. Einen kurzen Moment überlegt sie. Und dann legt sie los: „Erste Feststellung: Ich bin nicht Ihre ‚liebe Frau Müller‘“. Zweitens und drittens erklärt sie dem Kollegen von der AfD, warum seine Zwischenbemerkung sachlich vollkommen daneben und überdies in der falschen Debatte platziert worden sei. Und dann folgt viertens: „Die Steinzeit ist nicht aus Mangel an Steinen zu Ende gegangen, sondern weil der Mensch lernfähig war, und das hoff ich auch von Ihnen.“

Ruth Müller hat Spaß an der Politik, und das merkt man auch. Die 55-jährige Niederbayerin lacht gern, zur Sauertopffraktion gehört sie definitiv nicht. Aber genauso kann sie in einer Rede zur Landwirtschaftspolitik, die im Schatten des Krieges in der Ukraine steht, so ernst und grundsätzlich werden wie eine Pfarrerin: „Nichts ist selbstverständlich auf dieser Welt. Weder der Frieden noch das tägliche Brot. Umso mehr sollten wir beides schätzen und dankbar dafür sein und für all jene Menschen, die sich tagtäglich dafür einsetzen.“

Landwirtschafts- und Umweltpolitik sind die beiden großen Felder, auf denen die gelernte Einzelhandelskauffrau und ehemalige Vertriebsassistentin hauptsächlich unterwegs ist; in beiden Ausschüssen ist sie Mitglied. In ihrer ersten Legislaturperiode 2013 bis 2018 saß sie außer im Landwirtschafts- auch noch im Gesundheitsausschuss, und am Anfang wollte sie eigentlich in den Wirtschaftsausschuss; schließlich hatte sie 30 Jahre in der freien Wirtschaft hinter sich.

Dass sie jetzt schon seit 2013 als Nichtlandwirtin Landwirtschaftspolitik macht, gefällt ihr: „Das hat den Vorteil gehabt, dass ich nie den Stempel draufgehabt hab: Das ist die eine, die den großen Milchviehbetrieb daheim hat.“ Andererseits musste sie sich natürlich erst einarbeiten. Aber das machte ihr von Anfang an Spaß: „Landwirtschaft, das ist so ein lebensnaher Ausschuss, da kann sich jeder was darunter vorstellen.“

Nebenbei ist Ruth Müller auch für Imkerei zuständig, bei dem Thema blüht sie richtig auf. Imkereipolitische Sprecherin der SPD-Fraktion zu sein, das ist von all ihren Funktionen eindeutig ihr Lieblingstitel. Besuche bei Imker*innen sind für sie die schönsten Termine: „Das sind so entspannte Leute! Und es riecht nach Wachs, Holz und Honig!“ Die Imker, sagt sie, brauchten dringend Unterstützung im Kampf um ihre Bienenvölker, die immer mehr Bedrohungen ausgesetzt seien. Kein Wunder, dass sich die Imker freuten, „wenn sich die Politik mal für ihr Hobby interessiert, das eigentlich mehr ist als ein Hobby“.

Auch auf dem Gelände des Maximilianeums gibt es ja seit etlichen Jahren Bienenkästen – „der Antrag war damals von mir“ sagt Ruth Müller stolz. Viermal im Jahr gibt sie einen Imker-Newsletter heraus, regelmäßig macht sie Veranstaltungen zum Thema.
Mit fünf Jahren kam die gebürtige Münchnerin mit ihren Eltern und ihrem jüngeren Bruder nach Pfeffenhausen im nördlichen Landkreis Landshut, wo sie eine klassische Landjugend-Sozialisation absolvierte und wo sie heute noch wohnt, zusammen mit ihrem 23-jährigen Sohn, der nach einem Semester in Dublin jetzt in Regensburg studiert.

Die Sorgen der Imker: für Müller ein Herzensanliegen

Beim Thema Landjugend kommt Ruth Müller heute noch ins Schwärmen: „Der Nicaragua-Kaffee, der hat wirklich guat gschmeckt!“ Kaffee aus dem Dritte-Welt-Laden hieß das damals und war eine mitleidig belächelte Außenseitersache, Fair-Trade-Kaffee heißt es heute und ist ein boomender Markt.

Damals wie heute ist sie mit einem besonderen Blick auf die Welt verbunden, den Ruth Müller nach wie vor einfordert: „Dass es nicht nur um mich und um meins geht.“

Für Ruth Müller ist es eine Selbstverständlichkeit, „dass man auch eine Verantwortung dafür hat, wie es anderen Leuten auf der Welt geht“. Das heißt für sie konkret, dass einem die Textilarbeiterin in Bangladesh, aus deren Hand die superbilligen T-Shirts kommen, nicht egal sein kann. Stichwort: Lieferkettengesetz.

Die Politisierung durch die Landjugend ist bei Ruth Müller wörtlich zu nehmen. 1990 kandidierte sie für die „Wählergemeinschaft Die Landjugend“ für den Landshuter Kreistag, damals noch erfolglos 1996 klappte es dann, erst 2002 trat sie in die SPD ein. Ein Foto zeigt die 22-jährige Ruth Müller an einem weiß-blau umrankten Rednerpult mit der Aufschrift: „Kreistagswahlen 18. März ´90“. Der Wahlslogan hieß „Leben auf dem Land / Wir nehmen’s in die Hand“.

Das Zupackende, Unkomplizierte, Bodenständige hat sich Ruth Müller bis heute erhalten. „Ich bin gern bei den Leuten draußen und bin da auch sehr pragmatisch“, sagt sie. Sie gehe zum Beispiel gern ins Schwimmbad im nahen Rottenburg, aber nicht, um dort ungestört ihre Runden zu schwimmen. Das sei kaum möglich, weil sie sehr oft angesprochen werde. Doch das störe sie nicht im Geringsten: „Ich interessier mich dafür, was die Leute denken“, sagt sie und fügt lachend hinzu: „Ich sag zu meinem Büro immer, ich mach Außendienst: Bürgersprechstunde in Rottenburg!“

Bei der Bundestagswahl 1983 war sie 16 und dachte: „Wenn ich wählen könnte, würde ich die Grünen wählen.“ „Vom Ökologischen her“ habe sie auch später noch mit den Grünen geliebäugelt, doch ihr „kirchlicher Hintergrund“ habe dagegengesprochen, und „von der Geschichte her“ sei die Entscheidung für die SPD dann klar gewesen.

Der „kirchliche Hintergrund“ ist bei Ruth Müller evangelisch-lutherisch und spielt auch heute noch eine Rolle: Seit 2013 ist sie Präsidin im Landshuter Dekanatsausschuss und seit 2020 Synodale der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Seit einem knappen Jahr fungiert Ruth Müller als eine von drei stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, zusammen mit Margit Wild und Arif Ta(¸s)delen, den beiden anderen, teilt sie sich ein Büro im Maximilianeum.

Das einzige Thema, bei dem Ruth Müller derzeit nicht weiterweiß, das ist die Partnerschaft des Landkreises Landshut mit dem russischen Nowosibirsk. Sie war schon ein paarmal in der 6500 Kilometer entfernten Partnerstadt. „Uns fehlt die Fantasie, wie es weitergehen soll“, meint sie, auch wenn die Leute in Nowosibirsk nichts mit dem Krieg in der Ukraine zu tun hätten. Das kommt nicht oft vor: Ruth Müller, ratlos. (Florian Sendtner)

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