Der ukrainische Generalkonsul Yuriy Yarmilko dankt Bayern für seine Hilfsbereitschaft – kritisiert aber gleichzeitig, dass geflüchtete Mütter und Kinder teilweise Tage vor Flüchtlingsunterkünften ausharren müssten. Die Staatsregierung will jetzt zusätzlich Hotels und Sporthallen zur Verfügung stellen.
Der Generalkonsul der Ukraine, Yuriy Yarmilko, fasste sich im Europaausschuss kurz. „Die Zeit der Diskussionen ist vorbei“, sagte er. Jetzt gelte es zu handeln. Dazu gehört für ihn als Erstes eine Flugverbotszone über der Ukraine. Problem: Das Verbot müsste von Nato-Streitkräften überwacht und im Zweifel militärisch durchgesetzt werden – ein heikles Anliegen. „Haben Sie keine Angst“, appellierte Yarmilko an die Bundesregierung. Sollte es keine Flugverbotszone geben, bräuchte es zumindest mehr Waffen für sein Land. Deutschland habe bei diesem Thema schon in den letzten Wochen viel zu zögerlich gehandelt – gleiches gelte für die späte Absage an das Nord-Stream-2-Projekt.
Von Bayern forderte Yarmilko, alle Kontakte nach Russland aufzulösen: Städtepartnerschaften sollen gekappt, Sportveranstaltungen abgesagt, Firmen bei Messen ausgeladen und Geschäftsbeziehungen beendet werden. „Ja, das kann wehtun“, sagte der Generalkonsul. Das merke man bereits beim Spritpreis. „Aber das ist nicht vergleichbar mit den Schmerzen der Menschen in der Ukraine.“ Er verlangte ein umfassendes russisches Öl- und Gas-Embargo – „egal wie hoch der Preis dafür ist“. Das müsse auch im realpolitischen Interesse Deutschlands liegen: „Sonst stehen die Panzer bald auch vor Ihren Häusern.“
Kritik übte Yarmilko am bayerischen Aufnahmeprozess von ukrainischen Flüchtlingen. „Die Diskrepanz zwischen den Statements und der realen Situation ist sehr groß“, bemängelte er. Die geflohenen Mütter und Kinder müssten Stunden, teilweise Tage, vor den Ankerzentren ausharren, bis sie offiziell registriert würden. Dort seien sie dann gemeinsam mit syrischen und afghanischen Flüchtlingen untergebracht, bei denen es sich überwiegend um junge Männer handele. Er forderte, das dringend zu ändern. „Wenn die Menschen in der Ukraine in humanitären Korridoren fliehen können, rechnen wir mit Hunderttausenden traumatisierten Flüchtlingen“, betonte er.
Europaministerin Melanie Huml (CSU) verurteilte den „unbegründeten Angriffskrieg Russlands“ aufs Schärfste. Bei der Aufnahme von Flüchtlingen, der Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage und der Stärkung der Bundeswehr unterstütze die Staatsregierung die Beschlüsse des Bundestags und der Bundesregierung. „Die Nato ist ein Garant für Sicherheit und Frieden“, unterstrich sie. Daher müsse jetzt die Nato-Ostflanke, also Estland, Litauen, Lettland, massiv geschützt werden. Zur Sicherstellung der Energieversorgung fordert Bayern vom Bund eine Mehrwertsteuersenkung und eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke.
Anschließend lobte die Ministerin die große Hilfsbereitschaft der bayerischen Bevölkerung. Das Innenministerium habe extra die Webseite www.ukraine-hilfe.bayern.de freigeschaltet, um die Hilfen zu koordinieren. Die Staatsregierung liefert laut Huml zusätzlich Schutzausrüstung und Hilfsgüter im Wert von 500 000 Euro in die östlichen Nachbarländer. Die geflohenen Menschen sollen neben Ankerzentren und Asylbewerberunterkünften auch in Hotels und Sporthallen untergebracht werden. „Wir gehen leider von einem großen Bedarf aus“, sagte die Ministerin. Normalerweise sei sie ein optimistischer Mensch. „In diesem Fall aber nicht.“
Waffenlieferungen? "Die Entscheidung war für uns Grüne nicht einfach"
Bei der anschließenden Aussprache zeigten sich alle Abgeordneten tief über den Krieg in Europa betroffen. Ausschusschef Tobias Gotthardt (Freie Wähler) kämpfte mehrfach mit den Tränen, als er von den geflüchteten Müttern und Kindern an bayerischen Bahnhöfen berichtete. Er versprach, sich weiter für einen EU-Beitritt der Ukraine einzusetzen.
Vizeausschusschef Martin Huber (CSU) beklagte vor allem die russische Propaganda. „Wir müssen daher die Menschen aufklären und der Wahrheit zu ihrem Recht verhelfen.“ Er forderte, Abhängigkeiten zu reduzieren und Außenpolitik nicht mehr nur als „Exportförderung“ zu sehen. Positiv bewertete Huber, dass der Westen so schnell so geeint auftrete wie schon lange nicht mehr.
Florian Siekmann (Grüne) verlangte, die Menschen in der Ukraine mit mehr Waffen zu unterstützen. „Die Entscheidung war für uns Grüne nicht einfach“, sagte er. Aber gegen Panzer könne man sich nun mal nicht ohne Waffen wehren. Zudem müssen aus seiner Sicht jetzt die Villen der russischen Oligarchen in den Fokus genommen werden.
Markus Rinderspacher (SPD) versprach Yarmilko, der Situation politisch Rechnung zu tragen, „auch wenn wir nicht alle Forderungen Ihres Ministerpräsidenten eins zu eins umsetzen wollen“. In vielen Punkten hätte die Politik aber bereits in großer Einhelligkeit eine Kehrtwende von ihren ursprünglichen Positionen vollzogen.
Helmut Markwort (FDP) wollte wissen, wohin sich Menschen wenden können, die den Geflüchteten mit Geld, Wohnungen oder Arbeitsplätzen helfen wollen. An das Münchner Konsulat, antwortete Yarmilko. Auch in sozialen Netzwerken gebe es entspreche Gruppen. Abgeordnete der AfD meldeten sich nicht zu Wort. (David Lohmann)
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