Ein Rückschritt in ihrer politischen Karriere? Mitnichten, glaubt Ilse Aigner. Am Montag soll die bisherige Bauministerin bei der konstituierenden Sitzung zur Landtagspräsidentin gewählt werden. „Es gibt 13 Minister, aber nur eine Präsidentin“, erklärte die 53-jährige Chefin der Oberbayern-CSU jüngst.
Tatsächlich ist die Präsidentin des Landtags nach dem Ministerpräsidenten die höchste Repräsentantin im Staat. Die vielen Repräsentationspflichten dürften der beliebten und fast immer gut gelaunten Aigner leichtfallen. Aber natürlich bedeutet ihr Amt weit mehr: Sie führt die Geschäfte im Landtag, ernennt und befördert Beamte im Landtagsamt und ist verantwortlich für alle Angestellten dort.
Aigner hat es auch weitgehend in der Hand, wie sehr der Einzug der AfD die Debattenkultur im Landtag beeinflussen wird. Denn die Landtagspräsidentin leitet die Sitzungen der Vollversammlung. Ihre Vorgängerin Barbara Stamm musste in ihren zehn Jahren als Landtagspräsidentin keine einzige offizielle Rüge erteilen – auch wenn es schon früher in Plenardebatten jenseits der Sachdiskussion mal persönlich geworden ist. „Allzu oft“, erinnert sich Stamm, „musste ich zum Glück aber nicht einschreiten.“ Und wünscht sich, dass das auch bei ihrer Nachfolgerin so bleibt.
Zoff um AfD-Kandidat Henkel
Durchsetzungskraft ist auch bei Aigners Vizes, die sie in den Sitzungen vertreten, gefragt. Alle Fraktionen dürfen einen Vizepräsidenten stellen. Die Kandidatinnen und Kandidaten stehen weitgehend fest, einzig die Freien Wähler entscheiden erst am Freitag, wen sie vorschlagen werden. Erster Vize soll CSU-Mann Karl Freller werden. Die Grünen nominieren Thomas Gehring, die FDP Wolfgang Heubisch, der in der schwarz-gelben Koalition 2003 bis 2008 als Wissenschaftsminister amtierte. Markus Rinderspacher, bislang Fraktionschef der SPD, soll ebenfalls Vize-Präsident werden. Die bisherige SPD-Landtags-Vize Inge Aures trat bei der fraktionsinternen Abstimmung gar nicht erst an.
Streit gibt es indes um den AfD-Kandidaten Uli Henkel. Er wird vom Verfassungsschutz beobachtet, wie das Innenministerium auf eine Anfrage der Grünen mitteilte. "Der Vizepräsident des Bayerischen Landtags darf kein Feind unserer Verfassung sein!", so die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze. Sie bezeichnet die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes als alarmierend. Personen, die mit rassistischen Aussagen auffallen oder Kontakte in die rechtsextremistische oder islamfeindliche Szene unterhalten, werde ihre Partei nicht in Schlüsselpositionen des Landtags wählen.
Unterstützung bekommen die Grünen von der FDP. "Grundsätzlich sollte jeder Fraktion ein Landtagsvizepräsident zugestanden werden", erklärt deren Fraktionsvorsitzender Martin Hagen, fügt aber an: "Ein Parlamentsvize, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird, ist für die FDP inakzeptabel." Es sei nun an der AfD, den anderen Fraktionen einen wählbaren Kandidaten zu präsentieren.
1. Vize geht auch an die CSU - ist das gerecht?
Die AfD allerdings will an Henkel als Kandidat fest halten, teilte Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner mit. Ihrer Ansicht nach handelt es sich um eine gemeinsame Aktion von SPD, Grünen und CSU, mit der versucht werden soll, den AfD-Kandidaten zu diskreditieren, um seine Wahl zum Vize zu verhindern. Dem Bayerischen Rundfunk sagte Henkel, als Vizepräsident würde er "jedes einzelne Wort auf die Goldwaage legen".
Zoff gab es im Vorfeld auch um den Posten des 1. Vizepräsidenten, der ebenfalls von der CSU besetzt wird. Diesen Posten beanspruchen die Grünen als zweitstärkste Kraft im Landtag für sich. „Die Präsidentin und ihre erste Stellvertretung sind de facto die Alleinrepräsentanten des Landtags“, betont deren Parlamentarischer Geschäftsführer Jürgen Mistol. „Dieser Alleinvertretungsanspruch steht der auf 37 Prozent geschrumpften CSU aber nicht mehr zu.“
In den meisten anderen Landesparlamenten steht der erste Stellvertreterposten der zweitstärksten Fraktion zu. Was für die CSU kein Grund ist, die bestehenden Regeln zu ändern. „Sie wurden 2008 im Einvernehmen aller Fraktionen festgelegt“, erklärt Tobias Reiß, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Fraktion. Davor gab es im Landtag einen Präsidenten und nur zwei Vizes. Reiß droht: „Wir könnten auch damit leben, zur alten Regelung von vor 2008 zurückzukehren.“ (Angelika Kahl)
AfD-Kandidat Henkel im Visier des Verfassungsschutzes
Drei Mandatsträger der neuen AfD-Landtagsfraktion, Uli Henkel, Ralf-Dieter Stadler und Andreas Winhart, werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Das geht aus der Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der Grünen hervor. Henkel kandidiert für die AfD für das Amt des Landtagsvizepräsidenten.
Nach einem Bericht des "Münchner Merkur" sollte geprüft werden, ob die betreffenden Politiker, die damals noch nicht namentlich genannt wurden, auch noch als Abgeordnete beobachtet werden. Für die Beobachtung von Mandatsträgern gelten erhöhte Schwellen.
Henkel wird dem Ministerium zufolge aus zwei Gründen beobachtet. So habe er sich in einem Videoclip, das auf seiner Homepage aufgerufen werden konnte, in extremistischer Weise über Flüchtlinge aus Afrika geäußert. Die Aussagen motivierten zu Hass. Das Video sei 136 000 Mal aufgerufen worden, Kommentatoren hätten Gewalt befürwortet. Zweiter Grund sei Henkels Nähe zum Verein "Volksbegehren", der ebenfalls vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Ralf-Dieter Stadler sei im Internet über das Soziale Netzwerk Facebook mit Rechtsextremisten in Kontakt gestanden. Andreas Winhart habe mit Verweis auf das Gesundheitsamt Rosenheim behauptet, dass Flüchtlinge im Landkreis Krankheiten verbreitet hätten. Auch diese Aussagen stuften die Verfassungsschützer als extremistisch ein. (dpa)
Anmerkung der Redaktion: Der Text wurde mit dem Streit um den AfD-Kandidaten Uli Henkel aktualisiert.
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