Franz Bergmüller ist keiner, der ein Blatt vor den Mund nimmt. Als sein damaliger AfD-Fraktionskollege Raimund Swoboda im März bekannt gab, dass er die Fraktion wegen deren rechtslastiger Umtriebe verlassen werde, platzte Bergmüller der Kragen. Bergmüller sprang Swoboda, der heftig attackiert wurde, bei, prangerte ebenfalls offen einen Rechtsrutsch sowie das Aufgeben der konservativ-bürgerlichen Mitte in der Fraktion an. Und attestierte der Fraktionsvorsitzenden Katrin Ebner-Steiner eine „offensichtliche Überforderung“ und schlechte Führungsqualitäten.
Auch an diesem sonnigen Frühsommertag kommt er schnell in Fahrt. Er sitzt an einem rustikalen Holztisch in seinem gleichnamigen Landgasthof im 200-Einwohner-Dörfchen Unterlaus (Landkreis Rosenheim). Bergmüller gerät ein wenig ins Schnaufen, als er sagt, wie sehr ihn „die immer wieder vorkommenden Nazi-Diffamierungen durch irgendwelche Linken aufregen“. Da werde er „brutalst wütend“, wettert der 54-jährige Landtagsabgeordnete lautstark. Sein Großvater sei wegen nazifeindlicher Äußerungen von der Gestapo abtransportiert worden. „Der saß für seine nazifeindlichen Äußerungen im KZ Dachau und wurde mit dem Leben bedroht.“ Da brauche ihm jetzt keiner mit Nazivorwürfen kommen. „Ich teile die Geisteshaltung meines Opas vollkommen.“
Bergmüllers Blick schweift durch das Wirtshaus. „Meine Mutter hat ihren desertierten Bruder eineinhalb Jahre versteckt und hier einst französische Kriegsgefangene gut behandelt“, sagt er stolz. Sogar deren Nachfahren hätten ihn schon besucht.
Allerdings: Was macht so jemand in einer Partei, über die der Berliner Antisemitismus-Experte Jan Riebe bereits 2016 sagte, es gebe dort eine „breite antisemitische Strömung“? Tatsächlich machten in den vergangenen Jahren eine Vielzahl antisemitischer Äußerungen durch AfD-Politiker Schlagzeilen. Bergmüller sagt dagegen, er halte Judenfeindlichkeit für nicht verbreitet in seiner Partei. Klar sei jedenfalls: „Antisemitismus dulde ich nicht.“
Doch was ist mit den vielen rassistischen Entgleisungen von Parteikollegen? Andreas Winhart, Abgeordneter von Bergmüllers Nachbarwahlkreis Rosenheim-Ost, hatte etwa gesagt, wer nicht wolle, dass Albaner und Kosovaren künftig als mobile Pflegekräfte „nach Hause kommen und die Bude ausräumen“, solle sein Kreuz bei der AfD machen. Und ostdeutsche AfD-Funktionäre fielen in der Vergangenheit mit noch weit radikaleren Äußerungen auf.
Die Fraktionschefin Ebner-Steiner wollte ihn rauswerfen – sie scheiterte
Von Bergmüller sind keine solchen Entgleisungen bekannt. Über radikale Strömungen in der Partei sagt er: „Extremisten gibt es überall.“ Man solle das „national-liberale Grundsatzprogramm der AfD lesen“. Das sei das beste Programm, das er kenne, sagt der Mann, der bereits den Freien Wählern und der CSU angehört hatte, bevor er zur AfD ging. Er habe nichts gegen Migranten. „Ich vermiete selbst an viele EU-Ausländer, die alle einer Arbeit nachgehen“, sagt der Gastronom und Immobilienunternehmer, der für seine Partei als wirtschaftspolitischer Sprecher im Parlament sitzt.
Allerdings, so betont Bergmüller, sei er Gegner „einer Masseneinwanderung von Menschen ohne echten Schutzgrund, die unsere Gesellschaft zukünftig verändern“. Klar sei: Jeder Ausländer, der hierher komme, müsse nach „unseren Rechten, Pflichten und Traditionen leben“. Auch der Humanismus gehöre nun einmal zu Deutschland. „Und den findet man im Islam nicht“, ist Bergmüller überzeugt.
Er empört sich darüber, wie sich die Grünen auf der einen Seite für Minderheiten, Frauenrechte und Homosexuelle einsetzten. „Aber es ist doch irre, wie sie auf der anderen Seite dem Islam, der eben genau diese Dinge ablehnt, das Wort reden.“ Der Euro sei für ihn der Grund gewesen, von den Freien Wählern zur AfD überzutreten, doch es gelte auch, eine „Islamisierung Europas“ zu verhindern.
Bergmüller spricht viel vom „Schutz der heimischen Kultur“. Hirschgeweihe hängen an der Wand, ein alter Kachelofen steht im Eck. Alles ist hier so, wie man es sich in einem bürgerlich-bayerischen Wirtshaus vorstellt. Er sei ein Konservativer – „einer von der Sorte, wie es sie früher in der CSU gab“, sagt er.
Bermüller legt wert darauf, „etwas aufzubauen und der Familie zu hinterlassen“, beschreibt der Familienvater seinen Antrieb als Unternehmer. Er fordert ein Familiensplitting bei der Einkommensteuer und einen Grundfreibetrag von 24 000 Euro. Facharbeiter und Arbeiter sollten sich künftig „wieder etwas leisten können“.
Mit vielen seiner Positionen würde er auch bei der CSU, den Freien Wählern oder der FDP nicht auffallen. Gerne würde er etwa den Bau und den Kauf einer eigenen Immobilie stärker fördern. „Das ist die beste Absicherung fürs Alter.“ Bergmüller spricht sich für einen einheitlichen Umsatzsteuersatz von 12 Prozent aus, derzeit werden auf die meisten Produkte 19 Prozent fällig. Und er hält die aktuelle Steuerpolitik für unfair. „Der Handwerker hat kein gutes Gefühl, wenn er mit dem Finanzamt zu tun hat“, so Bergmüller.
Viele Bayern kennen Bergmüller als Raucherrebell. Einst war er in der CSU, trat dann wegen des von den Christsozialen unterstützten Rauchverbots zu den FW über. Doch ins Parlament zog er erstmals für die Rechtspopulisten ein, er vertritt den Wahlkreis Rosenheim-West. Bergmüller sagt: „Ich bin erzkonservativ in der Innenpolitik.“ So müssten „Vergewaltiger und vor allem Kinderschänder deutlich länger weggesperrt werden“. Auch für Morde müsse die Strafe „deutlich härter ausfallen“. Doch was ist die Steigerung einer lebenslänglichen Haftstrafe? Gefragt, ob er für die Todesstrafe sei, schweigt Bergmüller zunächst und sagt dann: „Für Frau Bachmeier habe ich jedes Verständnis.“ Sie tötete 1981 im Gericht den Mörder ihrer Tochter. Ein Politiker, der Selbstjustiz gutheißt? Der oberbayerische Parteichef spricht aus, was er denkt.
Auch wenn es um die eigene Fraktion geht. Weil er es wagte, die eigene Fraktionsspitze zu kritisieren, drohte ihm vor einigen Wochen der Fraktionsausschluss wegen angeblich „mangelnder Loyalität“. Die umstrittene Fraktionschefin Ebner-Steiner scheiterte allerdings mit ihrem Ansinnen. Bergmüller wirft ihr noch immer „mangelnde Führungsqualitäten“ vor. Ansonsten will er lieber nicht über sie reden. (Tobias Lill)
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