Landtag

Viele Kliniken sind selber in Not. (Foto: dpa/Armin Weigel)

22.09.2023

Existenzgarantie für Kliniken

Finanzierung, Fachkräftemangel, Arzneimittelversorgung: CSU und CDU fordern Reformen

Unter dem Motto „Alarmstufe Rot – Krankenhäuser in Not“ protestierten diese Woche Zehntausende Beschäftigte in Bayern und anderen Bundesländern gegen die zunehmende Finanznot in Kliniken. Viele Häuser wurden daher in der Nacht demonstrativ rot beleuchtet. Die Bayerische Krankenhausgesellschaft fordert die Bundesregierung wegen der dramatischen wirtschaftlichen Situation zu einer Krisensitzung für insolvenzgefährdete Krankenhäuser auf. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek unterstützt sie bei ihrem Protest „ausdrücklich“: „Der Bundesgesundheitsminister hat in den vergangenen Monaten zu wenig Bereitschaft gezeigt, auf Vorschläge Bayerns einzugehen und Fehler in seinen Konzepten zu korrigieren.“

Um auf die Hilferufe aus den Kliniken zu reagieren, haben sich auf Einladung des gesundheitspolitischen Sprechers der CSU-Landtagsfraktion, Bernhard Seidenath, bereits letzte Woche die gesundheitspolitischen Sprecher*innen aller Unionsfraktionen in Bund und Ländern zu einer Tagung in München, Dachau und Oberschleißheim getroffen. Im Landtag präsentierten sie zum Abschluss eine „Bayerische Erklärung“ mit verschiedenen Lösungsmöglichkeiten für die jüngsten Herausforderungen im Gesundheitssystem. 

Einer der wichtigsten Punkte dabei: die Krankenhausreform. Zukünftig sollen Krankenhäuser statt Fallpauschalen sogenannte Vorhaltepauschalen erhalten. Das ist eine Art Existenzgarantie, selbst wenn sie vergleichsweise wenige Behandlungen anbieten. Außerdem fordern die Gesundheitssprecher*innen der Union, Krankenhäuser angesichts der enormen Kostensteigerungen bei Bürokratie und Betriebskosten zu entlasten – ansonsten drohten Klinikinsolvenzen. Nicht zuletzt müsse die Krankenhausplanung Ländersache bleiben. „Die jetzige Krankenhausreform hat gezeigt, welchen Vertrauensschaden es nach sich zieht, wenn tiefgreifende Reformen am föderalen Gefüge vorbei konzipiert werden“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Tino Sorge.

Ohne eine Reform drohen Klinikinsolvenzen

Als weiteren Punkt nennen die Gesundheitssprecher*innen eine Finanzreform der gesetzlichen Krankenkassen – ohne Beitragserhöhungen oder Leistungskürzungen. Dazu sollen versicherungsfremde Leistungen wie zum Beispiel Vorsorge- und Entbindungskosten während der Schwangerschaft aus Steuermitteln refinanziert und nicht auf die Beitragszahlenden abgewälzt werden. Gleichzeitig müsse der Mehrwertsteuersatz für Arzneimittel sinken.

Ebenfalls viel Raum nahm auf der Tagung der Kampf gegen den Fachkräftemangel ein. „Das deutsche Gesundheitssystem ist immer noch eines der besten der Welt – steht aber im Hinblick auf den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel vor tiefgreifenden Herausforderungen, die wir zwingend angehen müssen“, sagte Seidenath. Gefordert werden daher bundesweit mehr Studienplätze im Bereich Humanmedizin und eine Verdoppelung der Stellen im Bundesfreiwilligendienst (Bufdi). „Der Bufdi ist eine gute Möglichkeit, junge Menschen für die Pflege zu begeistern“, heißt es in der Bayerischen Erklärung. 

Damit Beschäftigte langfristig in der Pflegebranche bleiben, pochten die Sprecher*innen einerseits auf finanzielle Verbesserungen, beispielsweise steuerfreie Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge, aber auch auf ein verbessertes betriebliches Gesundheitsmanagement im Sinne einer „Pflege der Pflegenden“. Sorgen bereiteten den Unions-Fachleuten die investorenbetriebenen Medizinischen Versorgungszentren. Durch die finanzstarken Ketten habe der ärztliche Nachwuchs immer weniger Chancen, sich in Ballungsräumen niederzulassen. Sie verlangten daher ein Regulierungsgesetz.

Ein weiterer Themenblock war die Arzneimittelversorgung. Die extremen Engpässe insbesondere bei Kinderarzneimitteln im letzten Winter seien ein „Armutszeugnis“ für ein Land wie Deutschland. Sogenannte Retaxierungen für Apotheken, also wenn nachträglich eine Kostenerstattung für ein geliefertes Arzneimittel verweigert wird, müssten im Fall von Lieferengpässen weiterhin ausgesetzt bleiben.

Zudem müsste bei einem Versorgungsmangel auch die Einfuhr von Medikamenten wie Antibiotikasäfte für Kinder erlaubt werden, obwohl sie in Deutschland nicht zugelassen oder registriert sind. Damit es erst gar nicht mehr zu solchen Situationen kommt, fordern die Sprecher*innen, die Produktion wichtiger Arzneimittel ins (europäische) Inland zurückzuholen.

Abschließend sprachen sich die Unions-Fachleute gegen gewerbsmäßige Sterbehilfe durch Sterbehilfevereine und gegen die Cannabis-Legalisierung zu Genusszwecken aus. „Die Bundesregierung befindet sich hier auf einem kompletten Irrweg“, heißt es in der Erklärung. Ziel müsse es sein, Menschen vor Drogenkonsum zu bewahren. Dazu müssten die Drogenpräventionsarbeit, die niedrigschwellige Hilfe und Beratung sowie die Methadon-Substitutionsangebote und der Einsatz des Opioid-Notfallmedikaments Naloxon ausgebaut werden.

Die Reaktion der bayerischen Opposition auf die Bayerische Erklärung ist auf Nachfrage der Staatszeitung durchwachsen. Die Forderungen seien zwar grundsätzlich „nicht verkehrt“, sagt die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Christina Haubrich. „Aber wieder wird die Verantwortung auf den Bund geschoben.“ Dabei seien sich bei der Krankenhausreform Bund und Länder einig gewesen – nur Bayern habe dagegen gestimmt. Laut Haubrich war auch die Ampel-Regierung nicht untätig, gerade bei der Arzneimittelsicherheit sei viel passiert. Und was die Cannabis-Legalisierung angeht: „Der Konsum ist nun mal Tatsache“, sagt die Grünen-Abgeordnete. Durch die Reform werde der Schwarzmarkt eingedämmt und der Jugend- beziehungsweise Verbraucherschutz verbessert. „Sonst wirft die CSU uns doch immer vor, eine Verbotspartei zu sein.“

„Die Bayerische Erklärung der Unionsfraktionen im Bund fasst nur noch einmal bekannte Handlungsmöglichkeiten zusammen“, sagt die gesundheitspolitische Sprecherin der Freien Wähler, Susann Enders. Für sie sei weniger das Papier entscheidend, sondern welche Punkte zur Krankenhausrettung und Verbesserung der Situation umgesetzt würden.

Die Freien Wähler fordern eine sofortige bayerische Krankenhausplanung unter Einbezug aller Akteure – flankiert von einer bayerischen Krankenhausmilliarde.

Bayerns Opposition sieht ebenfalls Handlungsbedarf

Diese fordert angesichts der teuren Energiekosten, der gestiegenen Preise für Medizinprodukte und der höheren Löhne auch die FDP im Landtag. „Die Lage der bayerischen Kliniken ist dramatisch – insbesondere, weil die Staatsregierung sie über Jahre hinweg kaputtgespart hat“, klagt Dominik Spitzer. Und die Krankenhausreform, welche Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf den Weg gebracht hat, werde die Finanzlage der Kliniken frühestens 2026/27 stabilisieren können.

SPD-Gesundheitsexpertin Ruth Waldmann erklärt: „Krankenhausplanung ist Ländersache!“ Doch die CSU weigere sich, eine echte Bedarfsanalyse und Planung zu erstellen. Jedes Jahr fehlen laut SPD-Fraktion bei der Finanzierung der Investitionskosten rund 300 Millionen Euro vom Freistaat. Das sei eine der Ursachen für die besonders schlechte Lage der Krankenhäuser. „Der Freistaat fördert nicht einmal die Kosten von Wärmedämmung oder den Einbau erneuerbarer Energie.“ 

Die AfD verlangt ebenfalls, dass der Freistaat einspringt. Andernfalls sei die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung, insbesondere auf dem Land, massiv gefährdet. „Laut der Bayerischen Krankenhausgesellschaft werden öffentliche Kliniken dieses Jahr Verluste in teils zweistelliger Millionenhöhe machen“, sagt Andreas Winhart. Diese Defizite könnten die Kommunen nicht mehr ausgleichen. (David Lohmann)

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