Landtag

31.01.2025

Kontroverse um Abschiebepraxis

Innenausschuss: Warum war der Täter von Aschaffenburg trotz negativem Asylbescheid noch in Bayern? Der Landtag debattiert über Sicherheitslücken

In einem Bericht vor dem Innenausschuss des Landtags hat Innenminister Joachim Herrmann (CSU) Vorwürfe zurückgewiesen, bayerische Behörden hätten sich im Fall des Aschaffenburger Messer-Attentäters Versäumnissen schuldig gemacht. Im Fokus stehe vielmehr das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als verfahrensleitende Dienststelle. Dieses habe bis zur Ablehnung des Asylbescheids des tatverdächtigen Afghanen fünf Monate gebraucht und dann noch drei weitere Wochen, um dies den für die Umsetzung der Abschiebung zuständigen bayerischen Ausländerbehörden mitzuteilen. Dadurch sei die Rückführungsfrist für den über Bulgarien nach Europa eingereisten Mann in das Balkanland nicht mehr einzuhalten gewesen. Die spätere Ausreise sei gescheitert, weil der Bund seinen Ankündigungen konsequenterer Abschiebungen von Straftätern nach Afghanistan nicht nachgekommen sei.

Bei dem Anschlag am Mittwoch vergangener Woche hatte der 28-jährige Mann einen zweijährigen Jungen mit sieben Messerstichen sowie einen zu Hilfe eilenden 41-jährigen Familienvater mit mehreren Stichen tödlich verletzt. Zwei weitere Personen sind bei dem Vorfall schwer, eine leicht verletzt worden, bevor der mutmaßliche Täter unweit des Tatorts festgenommen werden konnte. Wie Herrmann mitteilte, handelte es sich nach aktuellem Ermittlungsstand um einen Einzeltäter, es gebe keine Hinweise auf eine politisch motivierte Tat. Aufgrund der bei der Durchsuchung der Wohnung des Mannes gefundenen Medikamente und seiner medizinischen Vorgeschichte deute vieles auf eine psychische Erkrankung des Tatverdächtigen hin.

Der Afghane war für die Behörden kein unbeschriebenes Blatt. Nach Angaben Herrmanns war der Mann in Bayern insgesamt 18 Mal polizeilich aktenkundig gewesen. Dabei habe es sich überwiegend um Fälle „kleinerer körperlicher Auseinandersetzungen“ und Sachbeschädigungen gehandelt. Zweimal sei es zu einer Verurteilung zu einer Geldstrafe gekommen. Es habe gegen den Mann aber zu keinem Zeitpunkt ein vollstreckbarer Haftbefehl vorgelegen. Herrmann bestätigte zudem, dass der Afghane dreimal wegen Selbst- oder Fremdgefährdung in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden sei. In allen Fällen sei er jedoch wenige Tage später wieder entlassen worden.

Der Täter war für Behörden kein unbeschriebenes Blatt

In der Debatte versuchte der Ausschussvorsitzende Florian Siekmann (Grüne) den Schwerpunkt trotz der Vorwürfe Herrmanns gegen den Bund auf die landespolitische Verantwortung zu legen. Immerhin hätte der Afghane zum Zeitpunkt der Tat entweder längst das Land verlassen haben müssen oder zumindest wegen einer nicht gezahlten Geldstrafe in Haft sitzen müssen. Es stelle sich die Frage, warum gegen einen mit 18 Straftaten „massiv aufgefallenen Täter“ – darunter auch ein Fall des Widerstands gegen Polizisten und des Versuchs, einem Beamten die Dienstwaffe zu entreißen – nicht früher konsequenter seitens der Sicherheitsbehörden eingegriffen worden sei, meinte Siekmann. SPD-Fraktionschef Holger Grießhammer wunderte sich, warum die Ausländerbehörden in Unterfranken trotz der erkennbaren Gefährdungslage und des Termindrucks für die geplante Abschiebung nach Bulgarien nicht beim BAMF nachgehakt hätten. Sein SPD-Kollege Florian von Brunn konnte nicht nachvollziehen, warum derartige Fälle nicht priorisiert behandelt würden. AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner forderte aufgrund der aus ihrer Sicht angespannten Sicherheitslage im Land, die Grenzen zu schließen und Straftäter sofort auszuweisen.

Für die CSU erklärte Karl Straub, es sei falsch, den Behörden in diesem Fall eine Schuld zuzuschieben. Sowohl das BAMF als auch die Ausländerstellen der Länder seien schlicht wegen der Vielzahl der Asylfälle überfordert. Es brauche daher eine strikte Zuzugsbegrenzung. Wolfgang Hauber (Freie Wähler) mahnte dazu, den Schwerpunkt der Debatte auf die Gefahrenabwehr zu legen. „Das war keine ausländerspezifische Tat, sondern die Tat eines psychisch Kranken“, sagte er. Insofern müssten solche potenziellen Gefährder – unabhängig von ihrer Nationalität – in den Kliniken engmaschiger begutachtet werden. Bei Entlassungen brauche es eine Meldepflicht an die Polizei und Auflagen für die Betroffenen, die auch kontrolliert werden müssten.

Minister Herrmann blieb dabei, dass bayerischen Behörden keine Vorwürfe zu machen seien. Um härter gegen den Afghanen vorzugehen, habe die Schwere der Delikte nicht ausgereicht. Um die Sicherheitslage insgesamt in den Griff zu bekommen, brauche es eine „grundlegende Änderung“ im Migrationsrecht. „Das ist kein bayerisches Problem, sondern ein deutschlandweites“, erklärte er. Deshalb brauche es eine Zuzugsbegrenzung, um von den hohen Fallzahlen herunterzukommen, und vom Bund die Voraussetzung dafür, konsequenter abschieben zu können. „Wir hätten genug Leute zu melden, dass jede Woche ein Flieger nach Afghanistan starten könnte“, sagte Herrmann. Er sei nicht bereit, dafür die Verantwortung zu übernehmen, dass dies nicht gelinge. (Jürgen Umlauft)

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