Landtag

Per Video unterhält der Mitmach-Chat Moritz kranke Kinder und Jugendliche, die in der Klinik keinen Besuch empfangen dürfen. (Foto: Thomas Harmsen)

30.10.2020

Menschen digital vernetzen

Der Bürgerpreis des Landtags belohnt seit 20 Jahren soziales Engagement in Bayern. Jährlich werden Menschen für ihre außergewöhnlichen Ideen prämiert, diesmal unter dem Motto „Neue Netze, neue Nachbarn – gemeinsam digital sozial“. Gewonnen haben sieben herausragende Projekte, die ein Preisgeld von insgesamt 50 000 Euro erhalten

1. Platz: „Mitmach-Chat Moritz“ aus Regensburg und „Aelius Förderwerk“ aus Nürnberg

Die Bürgerpreis-Gewinner setzen sich alle in besonderer Weise ehrenamtlich dafür ein, Menschen miteinander zu vernetzen und in der Nachbarschaft oder einer Community zusammenzubringen. „Die Auswahl war nicht einfach, denn wir haben glücklicherweise viele sehr gute Bewerbungen gehabt“, sagte Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU). Es sei toll zu sehen, wie die Bürgerinnen und Bürger in Bayern mit großem ehrenamtlichen Einsatz die Menschen untereinander verbinden – gerade auch mithilfe digitaler Angebote. Das stärkt laut Aigner den Zusammenhalt in schwierigen Zeiten: „Gerade aufgrund der Corona-Pandemie ist es umso wichtiger, durch eine digitale Vernetzung auch von daheim aus für andere da zu sein.“

Insgesamt bewertete die Jury 57 Bewerbungen. Diese setzt sich aus Vertreter*innen der Landtagsfraktionen, der Landtagspresse und des Gemeinde- sowie Städtetags zusammen und wird von Landtagspräsidentin Aigner geleitet. Da mehrere der Projekte überzeugten, entschieden sich die Mitglieder dafür, zweimal den ersten Preis, zweimal den zweiten Preis und dreimal den dritten Preis zu vergeben. Aufgrund der Corona-Maßnahmen wird der Preis am heutigen Freitag nur in einem kleinen Rahmen im Maximilianeum überreicht.

Der erste Gewinner ist der Mitmach-Chat Moritz aus Regensburg. „Wir ermöglichen es Kindern und Jugendlichen, die aufgrund einer ansteckenden Krankheit oder eines schwachen Immunsystems niemand besuchen darf, digital mit anderen zusammenzutreffen und gemeinsam etwas zu erleben“, erläutert Gaby Eisenhut, Vorstand der Stiftung für krebskranke und schwerbehinderte Kinder in Bayern (KreBeKi).

Seit Pandemie-Beginn laden eine Radiomoderatorin und ein Musiker zweimal pro Woche junge Patient*innen in Kinderkliniken und Behinderteneinrichtungen zu einem Videochat ein. Ehrenamtliche bereiten vorher Beiträge vor, beispielsweise Bewegungslieder, Improvisationen, Filme, Rätsel oder kreative Projekte, und betreuen die Umsetzung – teilweise gemeinsam mit prominenten Musikern. Im Mitmach-Chat können die Kinder und Jugendlichen außerdem Kontakt zu Angehörigen und Freunden aufnehmen und endlich wieder gemeinsam mit ihnen etwas erleben.

Zwar soll der Mitmach-Chat auch die digitalen Kompetenzen fördern. Doch im Fokus steht vor allem etwas anderes: „Wenn es uns gelingt, dass kranke Kinder mit ihren Eltern für ein paar Minuten die aktuelle Situation vergessen“, sagt Gaby Eisenhut, „dann haben wir die Möglichkeit geschaffen, dass sich die Kinder später einmal auch an schöne Momente im Krankenhaus erinnern können.“

Der zweite erste Platz geht an den Verein Aelius Förderwerk aus Nürnberg. Die Initiative fördert Kinder und Jugendliche aus sozioökonomisch benachteiligten Haushalten und unterstützt sie auf ihrem Bildungsweg. „Wir wollen eine Initiative sein, die Mut macht und Wege aufzeigt“, so der Gründer Sagithjan Surendra. Der 21-Jährige kennt aufgrund seiner Biografie als Sohn zweier Kriegsflüchtlinge ebenso wie etliche andere der heute rund 100 Engagierten bei Aelius die vielen Hürden, die tatsächlich oder in den Köpfen junger Menschen bestehen können, wenn es um den eigenen Bildungsweg geht.

Das Programm fußt auf drei Säulen und verbindet analoge und digitale Bausteine: Angeboten werden in der ersten Säule kostenlose Workshops sowie Online-Lern- und -Nachhilfeprogramme. Die zweite Säule umfasst ein kostenloses Beratungsangebot, um Jugendlichen Fragen etwa zur Studienfinanzierung oder zur richtigen Formulierung einer Bewerbung für ein Praktikum zu beantworten. Die dritte Säule besteht aus dem mehrjährigen Mentoring-Programm „Dialog Chancen“, wo Jugendliche bei Fragen zu Beruf und Ausbildung von erfahrenen Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft unterstützt werden.

Die Idee zur Verleihung des Bürgerkulturpreises, wie er früher hieß, kam von der CSU. Sechs Abgeordnete stellten 1999 den Antrag, vorbildliche Leistungen auf dem Gebiet der Sozial- und Bürgerkultur zu belohnen. Träger des Preises und der zweckgebundenen Preisgelder sollten Kommunen, Organisationen, Initiativen oder Einzelpersonen sein. „Aufgabe des Landtags als gewähltes Organ des gesamten Volkes ist es, für eine neue Sozial- und Bürgerkultur die notwendigen Freiräume zu schaffen“, hieß es damals in der Begründung. Damit solle ein Wettbewerb der Kreativität und Innovation gefördert werden – das ist ihnen in diesem Jahr bereits schon zum 20. Mal gelungen. (David Lohmann)


2. Platz: „Gemeinsam analog und digital vernetzt“ aus Haßfurt


Ehrenamtliche des Mehrgenerationenhauses Haßfurt nehmen seit Beginn der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus durch Telefonate, Videoschalten oder Chats Kontakt zu älteren Menschen und zu Familien auf, unterhalten sich und erfragen, ob die Menschen Unterstützung beispielsweise bei Einkäufen benötigen, und organisieren diese Bürgerdienste. Mit persönlichen Briefbotschaften werden aufmunternde Worte, Rezepte, Rätsel oder andere Beschäftigungsideen verschickt.

Außerdem gibt es einen Baby- und Kleinkindtreff, Mediensprechstunden, Diskussionsabende, Sprachcafés oder Touren mit dem E-Bike. Das Café Bistro „Offener Treff“ fördert die gegenseitige Unterstützung und den Austausch der Generationen, was den Zusammenhalt untereinander auch über die Angebote hinaus stärkt. „Jeder Mensch hat Talente, mit denen er sich für andere und die Gemeinschaft einsetzen kann, das Alter oder die Herkunft spielen hierbei keine Rolle“, erläutert die Leiterin des Mehrgenerationenhauses Haßfurt, Gudrun Greger, und verweist nicht ohne Stolz auf die große Altersbandbreite derjenigen, die das Mehrgenerationenhaus besuchen.


2. Platz: „Wir füreinander“ aus Schrobenhausen


Egal ob Besuchsdienste, die Begleitung zum Arzt oder Gottesdienst, Unterstützung beim Einkaufen oder im Haushalt: Seit zehn Jahren ist die ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe „Wir füreinander“ des Caritasverbands Neuburg-Schrobenhausen bereits aktiv. Menschen jeden Alters helfen sich hier gegenseitig unkompliziert in schwierigen Alltagssituationen. Nun ergänzt der Verein sein Engagement durch eine Internetplattform, mit der die Hilfe koordiniert und zwischen Angebot und Nachfrage vermittelt wird – eine Art Tinder für Ehrenamtliche.

Wie gut die Nachbarschaftshilfe in den verschiedenen Kommunen des Landkreises ankommt, zeigt sich allein schon an den bisher rund 40 000 Stunden geleisteter ehrenamtlicher Arbeit.
Diese geht weit über die Vermittlung von Hilfe im Alltag hinaus: Es gibt zum Beispiel das Strickcafé, wo sich Menschen verschiedener Kulturen treffen können. Gemeinsam haben sie während Corona zum Beispiel Mund-Nase-Masken angefertigt. Zusätzlich gibt es Patenprojekte mit Grund- und Mittelschulen im Landkreis, wo Erwachsene Kinder und Jugendliche bei der Sprach-, Lese- und Schreibkultur unterstützen. Regelmäßig finden auch Helfertreffen und Workshops statt, die zu einem aktiven Austausch untereinander beitragen. Dabei steht für den Verein bei allen Projekten das Miteinander der Generationen im Vordergrund. Dieses sei für eine zukunftsfähige Gemeinde von grundsätzlicher Bedeutung, so die Initiatoren.


3. Platz | „FürthWiki“ aus Unterfranken

Im Jahr 2007 feierte Fürth sein 1000-jähriges Jubiläum. Das nahmen Ehrenamtliche zum Anlass, die freie Wissensdatenbank „FürthWiki“ mit kostenlosen Informationen rund um die Kleeblattstadt ins Leben zu rufen. Im Unterschied zu anderen Online-Enzyklopädien wird in diesem digitalen Stadtlexikon nicht nur bereits vorhandenes Wissen gesammelt, sondern auch aktive Erforschung der Stadtgeschichte betrieben. Die Ehrenamtlichen legen nicht nur die Artikel an, sondern organisieren Treffen mit Zeitzeugen, führen Interviews oder organisieren Schülerprojekte. Auch die StadtWiki-Tage in Fürth organisierte die Gruppe, ebenso einen FürthWiki-Tag im Stadtmuseum und ein Branchenverzeichnis mit Online-Kneipenführer.

Interessierte können mittlerweile auf fast 10 000 Artikel des Nachschlagewerks zugreifen – oder selbst mitmachen. Denn das FürthWiki ist wie der große Wiki-Bruder ein öffentliches Gemeinschaftsprojekt. Getragen wird FürthWiki seit 2012 vom Verein für freies Wissen und Stadtgeschichte.


3. Platz „Lesefüchse“ aus München


Normalerweise tummeln sich die 300 Lesefüchse an Schulen und Bibliotheken, wo sie Kindern aus Büchern vorlesen – dann kam der Lockdown. Die Ehrenamtlichen mussten sich also etwas Neues ausdenken, um den Kindern Geschichten zu präsentieren. Also nahmen die Vorleserinnen und Vorleser einfach ihr Handy oder Laptop und legten los. Sie erstellten ein Video mit einer spannenden Geschichte von ungefähr zehn Minuten und luden es ins Netz hoch, wo es jederzeit zur Verfügung steht.

Inzwischen hat der Verein aus München unter www.lesefuechse.org immer eine gute Erzählung parat. Seit dem Start Anfang April wurden über 60 Videos online bereitgestellt – unter anderem auch von Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Viele Buchverlage hatten sich spontan bereit erklärt, wegen der Corona-Pandemie die Aktion mit kostenlosen Lizenzen zu unterstützen. Die Zuschauer kommen neben Deutschland sogar schon aus Spanien, Japan und Thailand.


3. Platz | „eigenleben.Club“ aus München


Eigentlich hätte das „Café eigenleben“ als Treffpunkt der Generationen in der Münchner Maxvorstadt eröffnen sollen – doch dann kam Corona und die Initiatoren zogen ins Internet um. Die Idee: bei virtuellen Workshops, Lesungen, Sprachgruppen, Kochkursen, Diashows oder virtuellen Museumsbesuchen einen Ort zum Austausch der Generationen in geschützter Umgebung schaffen. Dadurch sollen ältere Menschen auch lernen, wie die Kommunikation über die neuen Medien funktioniert.

Inzwischen gibt es rund 150 Mitglieder zwischen 18 und 80 Jahren, die sich aktiv in 14 verschiedenen Interessensgruppen austauschen und die virtuelle Plattform nutzen. Initiiert wurde das Projekt von der Marli Bossert Stiftung, die insbesondere die ältere Generation fördert und fordert: „Wir wollen, dass die Menschen auch in der dritten Lebensphase ein wertvoller Teil der Gesellschaft bleiben, dass sie ihre Erfahrungen weitergeben können und den Dialog der Generationen aktiv unterstützen“, erläutert Gründerin Anne Bauer. (BSZ)

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