Landtag

Holger Grießhammer wurde diese Woche einstimmig zum SPD-Fraktionschef gewählt. (Foto: dpa/Peter Kneffel)

19.07.2024

Neuer SPD-Fraktionschef: „Wir müssen in die Mitte rücken“

Interview: Der neue SPD-Fraktionschef Holger Grießhammer über seine Pläne, die Sozialdemokratie zu stärken

BSZ: Herr Grießhammer, spüren Sie schon die Last der Verantwortung?
Holger Grießhammer: Noch spüre ich keine Last, ich freue mich einfach über mein sehr gutes, für die SPD eher unübliches Wahlergebnis. Aber ich weiß natürlich, dass ich eine große Aufgabe übernommen habe.

BSZ: Ihre Vorgänger kamen aus München, Nürnberg oder Fürth. Sie kommen aus einem 3000-Seelen-Städtchen im Fichtelgebirge. Was sagt das über die Bayern-SPD?
Grießhammer: Die SPD hat bei der Landtagswahl vor allem auf dem Land stark verloren. Jetzt hat sich die SPD-Fraktion nicht deshalb einen Chef ausgesucht, der vom Dorf kommt. Das war in der jetzigen Situation Zufall. Aber ich glaube, dass wir über mich als SPD wieder stärkere Stimme des ländlichen Raumes werden können. Ich werde die Rolle eines Abgeordneten mit der Perspektive vom Land schon wahrnehmbar übernehmen.

BSZ: In Ihrer Heimatregion gibt es viel Wohnungsleerstand. Wurde bei Ihnen im Wahlkampf trotzdem das Thema Wohnungsnot plakatiert?
Grießhammer: Ja, aber wir haben damit bei uns die Menschen nicht erreicht. Das habe ich auch gleich zu Beginn meiner Amtszeit als Abgeordneter im Landtag intern kritisiert. Es ist meine Überzeugung, dass wir unsere Wahlkämpfe künftig ein Stück weit regionalisieren müssen. Wir können nicht von Hof bis München die gleichen Themen plakatieren.

BSZ: Womit wir beim Kernthema wären: Was läuft schief in der Bayern-SPD?
Grießhammer: Es war ein langer Prozess bis dahin, wo wir heute stehen. Ich habe auch kein Patentrezept, wie wir das wieder ändern können. Aber wir müssen auf alle Fälle eine breitere Schicht an Wählerinnen und Wählern ansprechen, wir müssen unsere Politik in Bayern wieder ein Stück weit in die Mitte der Gesellschaft rücken und das ansprechen, was den Handwerker, die Krankenschwester und den Arbeiter in der Produktion bewegt.

BSZ: Welchen Anteil am Negativtrend hat die Ampel in Berlin?
Grießhammer: Die Unzufriedenheit mit der Ampel ist groß, auch wenn der Koalitionsvertrag Stück für Stück umgesetzt wird. Allerdings bringt diese Dreier-Koalition viele Reibungen, die leider nicht geräuschlos sind. Das wirkt sich auch auf uns in Bayern aus.

BSZ: Wenn Sie Olaf Scholz treffen würden, was wollten Sie ihm sagen?
Grießhammer: Dass er mal auf den Tisch hauen soll! Ich schätze Olaf Scholz sehr, ich glaube, dass er einen klaren Kompass hat. Aber ich würde mir wünschen, dass er öfter zeigt, dass er der Chef ist und die SPD der größte Partner in dieser Koalition.

BSZ: In Bayern nähert sich die SPD der Fünfprozentmarke von oben an. Kämpft die Bayern-SPD um ihre Existenz?
Grießhammer: Die Fünfprozent-marke ist bei uns allgegenwärtig. Da kann man nicht drumherum reden. Ich denke, dass die Fraktion auch deshalb mit meiner einstimmigen Wahl bewusst ein Zeichen gesetzt hat. Das wird sich nicht von heute auf morgen auswirken, aber auf lange Sicht hoffe ich schon auf eine Trendumkehr.

BSZ: Wie soll das praktisch gelingen?
Grießhammer: Wir müssen auf alle Fälle wieder mehr zuhören, was die Menschen überall im Land bewegt. Wir müssen das aufnehmen und in praktische Politik umsetzen. Ich selbst werde viel draußen in den Stimmkreisen unterwegs sein.

BSZ: Ist mit Ihrer Wahl und des neuen Fraktionsvorstands die Zeit der Zerwürfnisse in der SPD-Fraktion vorbei?
Grießhammer: Ja.

BSZ: Für Ihren Vorgänger Florian von Brunn war seine Abwahl erkennbar schmerzhaft. Wie wollen Sie ihn wieder in die Fraktion integrieren?
Grießhammer: Wir haben miteinander telefoniert, er hat dabei wie auch öffentlich erklärt, dass er mich bei meiner Kandidatur unterstützt und mir ein einstimmiges Ergebnis wünscht. Florian von Brunn wird für sein Fachwissen geschätzt. Ich denke, dass er sich über Fachthemen wieder integrieren wird. Vielleicht ist es ganz gut, dass jetzt die Sommerpause kommt, da kann sich der Rauch der letzten Tage verziehen.

BSZ: Sie sind als Handwerksmeister der erste Nichtakademiker an der Fraktionsspitze seit fast 50 Jahren. Ist das ein Signal an die alte Arbeiterpartei SPD?
Grießhammer: Vielleicht schon. Mein Gefühl sagt mir, dass das sehr wohl wahrgenommen und positiv bewertet wird. Nach dem Motto: Da ist einer, der hat Ahnung.

BSZ: Haben Sie überhaupt noch Zeit für Ihren Malerbetrieb mit zwölf Beschäftigten?
Grießhammer: Der wird von einem Betriebsleiter geführt, ich habe mich ja schon vor der Wahl in den Landtag langsam aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Ich habe noch die Finanzaufsicht. Das funktioniert sehr gut.

BSZ: Sie haben eine Familie mit fünf Kindern. Was sagt die zu Ihrem neuen Job?
Grießhammer: Das haben wir gemeinsam abgestimmt. Es wäre gelogen zu sagen, dass das einfach gewesen wäre. Aber ich möchte auch im neuen Amt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf demonstrieren, indem ich mir meine Zeit entsprechend einteile. Dass das möglich ist, zeigt auch meine Grünen-Kollegin Katharina Schulze als junge Mutter. Man muss halt bewusst Prioritäten setzen und Aufgaben als Vorsitzender delegieren.

BSZ: Sollte es gut laufen – wäre der SPD-Landesvorsitz noch ein Ziel für Sie?
Grießhammer: Nein, das habe ich für mich ausgeschlossen.
(Interview: Jürgen Umlauft)

Zur Person

Holger Grießhammer (42) kommt aus Weißenstadt im Fichtelgebirge. Er ist verheiratet und hat fünf Kinder im Alter zwischen acht und 20 Jahren. Der gelernte Maler- und Lackierermeister hat dort einen eigenen Handwerksbetrieb aufgebaut. In der Kommunalpolitik war und ist er als Stadt-, Kreis- und Bezirksrat engagiert. Dem Landtag gehört er seit Oktober 2023 an. Die SPD-Fraktion wählte ihn am vergangenen Dienstag einstimmig zu ihrem neuen Vorsitzenden. (jum)
 

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