Landtag

Junge Lehrer, Frauen und Teilzeitkräfte haben bei den dienstlichen Beurteilungen meist nicht viel zu lachen. (Foto: dpa)

03.06.2016

Schlechte Noten nur aus "sachlichen Gründen"

Lehrerinnen erhalten negativere dienstliche Beurteilungen als Lehrer – das Kultusministerium sieht dennoch keinen Handlungsbedarf

Früher waren Lehrerbeurteilungen „abenteuerliche Geschichten“, meint ÖD-Ausschusschefin Ingrid Heckner (CSU). „Das ist heute zum Glück Steinzeit.“ Dennoch erhalten Frauen und Teilzeitlehrkräfte in allen bayerischen Schultypen deutlich schlechtere dienstliche Beurteilungen. Das sei nicht systembedingt, sagt das Kultusministerium. Weibliche Lehrer erhalten in allen bayerischen Schultypen deutlich schlechtere dienstliche Beurteilungen als Männer. Während an den Realschulen nur acht Prozent der Lehrerinnen eine gute oder sehr gute Beurteilung erhielten, waren es bei den männlichen Lehrkräften doppelt so viele. An Gymnasien erhielt sogar jeder vierte Lehrer ein Gut oder Sehr gut – aber nur jede achte Lehrerin. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei Grundschulen (16 Prozent Männer, neun Prozent Frauen), Förderschulen (13 Prozent Männer, sieben Prozent Frauen) und beruflichen Schulen (16 Prozent Männer, neun Prozent Frauen).

Das Kultusministerium sieht dennoch keinen Handlungsbedarf: „Geschlechtsspezifische Unterschiede sind nicht ersichtlich“, versicherte Ministerialrat Roland Krügel im Ausschuss öffentlicher Dienst. Zwar sei versucht worden, Schulleiter durch Dienstbesprechungen, Fortbildungen und neue Vollzugshinweise für das Thema Gleichbehandlung zu sensibilisieren. Grundsätzlich aber gelte: „Die geringere Zahl der Spitzenprädikate für Frauen ist nicht systembedingt, sondern hat nur sachliche Gründe“, versicherte Krügel. Auf Schulleiterebene sei die Gleichstellung bereits geglückt.

Laut Kultusministerium wird bei der Beurteilung nicht auf das Geschlecht, sondern ausschließlich auf Eignung, Befähigung und fachliche Leistung geschaut. Elternurlaub, Teilzeit und Kinderbetreuung dürften sich darauf nicht negativ auswirken. In Teilzeit sei es aber einfach schwieriger, die gleichen Prädikate, also zum Beispiel Klassenleitung, Abnahme von Prüfungen, Leitung von Arbeitsgemeinschaften oder Teilnahme an Fortbildungen zu erfüllen wie in Vollzeit, gibt Krügel zu denken. „Alles andere wäre eine Benachteiligung der Vollzeit.“ Auch wollen Lehrer in Teilzeit nicht immer mitgestalten und vor allem nicht gern in schwierigen Klassen unterrichten.

Ministerium: Männer werden öfter diskriminiert

Krügel versteht zwar, dass die Zahlen auf den ersten Blick verdächtig erscheinen. Sie ließen in Wirklichkeit aber keine Rückschlüsse auf die Gerechtigkeit zu – ganz im Gegenteil. „Im Regierungsbezirk Oberbayern gab es an Grund- und Mittelschulen letztes Jahr 13 952 Beurteilungen“, rechnet er vor. Dabei habe es nur 67 Einwände gegeben – 20 davon kamen von Männern. Da es neunmal so viele Lehrerinnen wie Lehrer gebe, seien Männer folglich sogar überproportional betroffen. Möglicherweise wehren sich männliche Lehrer aber auch einfach nur häufiger als zum Beispiel alleinerziehende Mütter in Teilzeit.

„Die dienstliche Beurteilung ist ein emotionales Thema, weil das berufliche Fortkommen davon abhängt“, bestätigte die Ausschussvorsitzende Ingrid Heckner (CSU). Vor dem Mentoring seien die Bewertungen oft „abenteuerliche Geschichten“ gewesen. Der Bericht habe aber klargemacht, dass weibliche Personen und Teilzeitkräfte jetzt nicht mehr diskriminiert werden. Zwar läuft ihrer Meinung nach noch immer nicht alles rund. „Ich kann aber nichts herauslesen, wo das Kultusministerium mehr tun sollte“, lobte Heckner. Darüber hinaus sieht sie einen Teil der Verantwortung bei der jeweiligen Personalvertretung.

Die Reaktionen in der Opposition bei der anschließenden Aussprache waren durchwachsen: Andreas Lotte (SPD) wollte keine Bewertung abgeben, solange er sich nicht durch den Rohdatensatz des Kultusministeriums gearbeitet hat. Günther Felbinger (Freie Wähler) sprach nicht von „Diskriminierung“, sondern von „Ungleichgewichten“: „Es ist schon auffällig, dass Frauen egal an welcher Schule schlechter wegkommen als Männer“, wunderte sich der Abgeordnete. Bei Frauen in Teilzeit sei das Problem sogar noch gravierender. Felbinger kritisiert, dass vor allem junge Lehrkräfte so gut wie nie mit einer Spitzenbewertung belohnt werden. „Warum sollen sie nicht auch geeignet oder befähigt sein?“, fragte er. Zur Motivation und Förderung des Nachwuchses trage dies nicht bei. Sein Fazit: „Das System schreit nach mehr Transparenz.“

Thomas Gehring (Grüne) hofft sehr, dass die Beurteilungen nichts über die Leistungen aussagen. „Sonst müssten Lehrerinnen und Teilzeitkräfte von den Schulen abgezogen werden“, gibt er zu bedenken. Ihm scheint es, als sei zusätzliches Engagement für eine gute Beurteilung entscheidend. „Ist das Beurteilungswesen also noch sachgerecht?“, fragte Gehring. Für die Messung guten Unterreichts sei es das auf jeden Fall nicht. In Richtung Misterialrat Krügel sagte er: „Auch Teilzeitkräfte übernehmen schwierige Klassen und leisten hervorragende Arbeit.“ (David Lohmann)

Kommentare (1)

  1. Resl Krammer-Frisch am 03.06.2016
    Ich weiß nicht, ob das von mir verfasste eine Erklärung sein kann für diese Daten - aber ich erlaube mir mal, es zu versuchen, werte Redaktion:

    An der Grundschule meiner 2 Zwillingsbuben (heute 17) gab es vor 10 Jahren von insgesamt 19 Lehrkräften ganze 2 männliche Lehrer - einer davon war der Sportlehrer, der andere genau genommen "nur" ein Referendar. Die Rektorin sagte uns Eltern mal, sie würde sehr, sehr gern mehr männliche Lehrer einstellen - aber an Grundschulen meldet sich eben keiner der Herren der Schöpfung, die drängen in andere Schulformen, das ist denen zu kindergartenmäßig. Gerade für kleine Buben (viele leben ja leider bei einer alleinstehenden Mama) wäre in dem Alter aber ein Mann als Bezugsperson ja mal ganz gut. Natürlich mag die Rektorin dann die wenigen jungen männlichen Lehrer nicht auch noch im Zeugnis so hart anfassen - vielleicht nicht ganz fair, aber verständlich irgendwie.

    Ganz andere Situation dann später bei meinen Söhnen an der Realschule: Die waren - wie die meisten Jungs - in der Pubertät nicht immer einfach, auch daheim musste mein Mann immer mal das Machtwort sprechen. Ein gestandenes Mannsbild mit kräftiger Stimme macht eben auf diese hormongeplagten Teenager einfach mehr Eindruck als eine kleine zarte Frau - und davon gab es einige an der Schule. Die Jungs waren mit 13,14 oft bereits einen Kopf größer als das weibliche Pädagogenpersonal. Klar können sich die männlichen Lehrer besser durchsetzen und "Rebellionen" in der Schülerschaft schon dank ihrer äußeren Erscheinung leichter im Keim ersticken. Wer aber seine Klasse besser im Griff hat, bekommt nun mal auch eine bessere Benotung der Vorgesetzten.
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