Leben in Bayern

Längst haben die meisten Menschen ihren Sommerurlaub gebucht. Beliebtestes Flugreiseziel der Bayer*innen ist die Türkei. (Foto: dpa/Balk)

19.07.2024

Ab in den Urlaub: Hauptsache billig

Bald beginnen auch in Bayern die Sommerferien – und Pauschalreisen mit dem Flugzeug stehen wieder so hoch im Kurs wie vor der Pandemie

Seine Kundschaft empfängt Peter Mooser seit einiger Zeit in seinem Hof-Office, wie er es scherzhaft nennt. Das sind zwei braune Gartenstühle und ein grüner Tisch im Hinterhof von Moosers Wohnung in München. 40 Jahre lang hatte der auf Asienurlaube spezialisierte Reiseexperte von einem kleinen Reisebüro in der Nähe der Donnersbergerbrücke aus gearbeitet. Doch im April war damit Schluss.

Das hatte mehrere Gründe. Ein gewichtiger Grund waren die deutlich gestiegenen Kosten: Heizen, Strom, die Miete, das alles war zuletzt immer teurer geworden. Ein anderer war die immens beschleunigte Digitalisierung der Reisebranche: „Nachdem durch Corona jede Oma gelernt hat, wie man online bucht, hat so eine kleine Klitsche keine Existenzberechtigung mehr“, sagt Mooser. „Ins Reisebüro geht man nur noch, wenn man eine Pauschalreise bucht.“

Doch Pauschalreisen zu vermitteln, darauf hatte Mooser keine Lust. Schon früher schickte er Menschen wieder weg, die aus seiner Sicht vor allem dem Prinzip „Hauptsache billig“ folgten. Er berät jetzt nur noch alte Stammkundschaft – in seinem Hof-Office. Wer seine Reisen kauft, soll möglichst umweltbewusst unterwegs sein, genug Geld bei der Bevölkerung des jeweiligen Landes lassen und Transportunternehmen beziehungsweise Anbieter nutzen, die ihre Beschäftigten ordentlich entlohnen, Steuern in Deutschland zahlen und am besten auch eine CO2-Abgabe leisten. „Aber die meisten wollen nur noch Schnäppchen, Party, Mallorca, all-inclusive, die Welt ausbeuten. Die Klimakatastrophe interessiert keinen mehr“, schimpft der Reiseexperte.

„Eigentlich ist alles wie vor Corona“

Die Corona-Pandemie brachte die Welt – und damit auch den Tourismus – kurzzeitig zum Stillstand. Doch inzwischen reisen die Menschen, auch in Bayern, wieder – trotz Inflation, weltweiter Krisen, einer unsicheren Wirtschaftslage und des Klimawandels. „Die Zahlen sind wie vor Corona. Eigentlich ist alles so wie vorher“, sagt Mooser bedauernd. Auch die Bundesregierung habe nichts unternommen, etwa in dem sie CO2-freies Fliegen gefördert hätte.

Tatsächlich zeigt eine aktuelle repräsentative Umfrage der Norisbank mit dem Marktforschungsinstitut Innofact AG , dass die Reiselaune der Deutschen enorm zugelegt hat. 63,5 Prozent der Befragten planen einen Sommerurlaub, das ist der höchste Wert der jährlich durchgeführten Umfrage seit fünf Jahren. 75,9 Prozent der Befragten sagen auch, dass sie im Vergleich zum Vorjahr gleich viel oder mehr Budget für die Reise zur Verfügung haben.

Hoch im Kurs steht der Umfrage zufolge der Urlaub innerhalb des Kontinents. Europareisen haben im Vergleich zu 2019 gegenüber der Weltreise oder der Kreuzfahrt – die aber immer noch sehr gefragt sind – stark an Attraktivität gewonnen. Das liegt natürlich vor allem an den immens gestiegenen Kosten. Das Geld spielt auch bei denjenigen, die ganz auf einen Sommerurlaub verzichten, die größte Rolle. Der Klimawandel ist als Argument dagegen praktisch gar nicht relevant. 

Das spiegelt sich auch in den Daten der Reisebranche wider. Die Pauschalreise boomt. Das liegt zum einen an der Sicherheit: Die Buchenden sind vor der Zahlungsunfähigkeit eines Anbieters besser geschützt. Aber es liegt auch am niedrigeren Preis. Laut Auswertungen von Travel Data + Analytics für den Deutschen Reiseverband (DRV) gibt es in diesem Jahr ein Umsatzplus von 22 Prozent bei Pauschalreisen gegenüber dem Vorjahr. Bemerkenswert: Der Umsatz liegt auch 19 Prozent höher als im Vor-Corona-Sommer 2019.

Ein weiterer Trend ist all-inclusive – also drei bereits im Preis enthaltene Mahlzeiten am Tag. „Gerade für Familien mit Kindern eine gute Möglichkeit, Budgetsicherheit zu schaffen“, erklärt Torsten Schäfer, Leiter der Kommunikation beim Deutschen Reiseverband, gegenüber unserer Zeitung. Das bedeutet natürlich auch, dass weniger Geld bei der Gastronomie im jeweiligen Land landet. 

Die Heimat bleibt das beliebteste Ziel

Sehr stark nachgefragt sind in diesem Sommer Flugreisen, die diesmal auch in weiter entfernte Regionen führen, was eher ungewöhnlich für die Jahreszeit ist. 26 Prozent mehr Deutsche als im Vorjahr haben laut Schäfer für den Sommer eine Fernreise gebucht. Besonders hohe Umsatzzuwächse gab es dabei bei Urlaubsbuchungen für die Vereinigten Arabischen Emirate, die USA, Namibia und Japan.

Ganz weit vorne liegt aber die Flugpauschalreise ans Mittelmeer. „Diesen Sommer sind die beliebtesten Reiseziele die Türkei, Spanien und Griechenland“, sagt Martin Zier, Geschäftsführer Pauschalreise beim Vergleichsportal Check 24. Das Unternehmen aus München hat die Reisegewohnheiten der Bayer*innen ausgewertet und zeigt, dass sich die Topziele nicht von denen im restlichen Deutschland unterscheiden.

Apropos Deutschland: Die Heimat bleibt trotz aller Fernziele die beliebteste Urlaubsdestination. Laut DRV führt ein Drittel aller in der Bundesrepublik gebuchten Reisen ins eigene Land. Sehr beliebt sind Check 24 zufolge auch Städtetrips nach Berlin, Hamburg und München oder Ferienunterkünfte an der Nord- und Ostsee.

Für viele Urlaubende war die Pleite des Münchner Reisekonzerns FTI Anfang Juni eine Schocknachricht. Hunderttausende Pauschalreisen wurden storniert. Immerhin werden schon geleistete Zahlungen über den Deutschen Reiseversicherungsfonds wieder erstattet. Denn Pauschalreiseanbieter sind gesetzlich dazu verpflichtet, eine Insolvenzversicherung abzuschließen. Allerdings müssen sich viele nun einen anderen Anbieter suchen.

Schutz vor der Pleite des Anbieters

Die größte Sicherheit biete dabei eine Pauschalreise, sagt Julia Zeller, Referentin Verbraucherrecht bei der Verbraucherzentrale Bayern. „Wichtig ist hier, dass Reisende erst die Anzahlung tätigen, wenn ihnen der sogenannte Sicherungsschein vorliegt.“ Trete dann eine Insolvenz ein, würden die Zahlungen erstattet. Auch bei Individualreisen rät Zeller, die Reiseleistung nicht im Voraus komplett zu bezahlen, sondern erst vor Ort, oder am besten erst nach der Reise. (Thorsten Stark)
 

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