Gerade einmal 35,6 Prozent der Stimmberechtigten gingen im Münchner Bezirk 2412 bei der Landtagswahl an die Urne. Und viele von ihnen wählten rechts. Warum? Die soziale Lage dort schlägt sich auf das Wahlverhalten nieder. Die Staatszeitung hat sich im Hasenbergl in München umgehört.
Ganz im Norden von München, da, wo hinter dem Hasenbergl Wald und Panzerwiese beginnen, hat sich etwas verändert. Bereits früher gingen dort, im Stimmbezirk 2412, weniger Menschen als in den anderen Teilen der Landeshauptstadt an die Urne. Die Wahlbeteiligung war auch bei dieser Landtagswahl die geringste in der Stadt. Neu aber ist, dass zum Nichtwähler-Rekord der Protest hinzukam. Nirgends anders in München erhielt die AfD so viele Stimmen wie in diesem Viertel.
Nur 35,6 Prozent sind dort am 14. Oktober zur Wahl gegangen. Im Schnitt lag die Wahlbeteiligung in München bei 72,7 Prozent – so hoch wie lange nicht. Und gut jeder Fünfte im Stimmbezirk machte sein Kreuz bei der AfD. Ganze 22,9 Prozent verzeichneten die Rechtspopulisten dort, während sie in München im Schnitt nur auf 7,1 Prozent kamen.
Fährt man die Münchner Schleißheimer Straße hinaus nach Norden, kommt man an die Stösserstraße. Hier wohnen die Menschen in langgezogenen Sozialwohnungsblocks. Man findet dort Hilfsorganisationen wie „Lichtblick Hasenbergl“, das sich um das Wohl der Kinder im Viertel kümmert. Am nahe gelegenen Frauenholz liegt die Kirche Mariä Sieben Schmerzen. Dort herrscht regelmäßig Andrang, wenn die „Tafel“ ihre Lebensmittel verteilt. Pastoralreferent Otto Lang kümmert sich dienstags um die Armenspeisung. Oft gibt es Schweinsbraten mit Knödel. „Politik kommt hier eigentlich nicht zur Sprache“, erklärt der Geistliche. „Die Leute sind vor allem damit beschäftigt, ihr Auskommen zu finden.“
„Die Leute sind vor allem damit beschäftigt, ihr Auskommen zu finden“
Das Viertel hat eine lange Tradition, was soziales Abseits anbelangt. Das Frauenholz, wo die Pfarrei liegt, war im Zweiten Weltkrieg ein Barackenlager für Flakhelferinnen. Nach 1945 wurden dort von den Amerikanern die sogenannten Displaced Persons, von den Deutschen verschleppte Zwangsarbeiter aus Russland, untergebracht. In den 1950er-Jahren wohnten im Lager ausgebombte Familien. Bis zu 5000 Menschen lebten in den Baracken am Waldesrand und der Ruf des „Frauenholzes“ war denkbar schlecht.
Dieser schlechte Ruf hielt sich, als in den 1960er-Jahren die Stadt München auf der angrenzenden Heide ein Neubaugebiet errichtete: das Hasenbergl. Wohnungen für rund 50 000 Einwohner entstanden, was ihnen aber fehlte, waren Kneipen, Kino, Schwimmbad und eine weiterführende Schule. Und noch heute leben viele dort in prekären Verhältnissen, etwa an der Wintersteinstraße. Es wird auch geklagt, in den Grundschulen sprächen viele Kinder nicht richtig oder gar nicht deutsch.
Fragt man einen der Männer, Mitte 50, die dort am Vormittag auf einer der Parkbänke sitzen, wie das im Viertel so ist mit der Politik und dem Wählen, bleibt die Antwort eher karg: „Na, wie schon?“, antwortet der brummig.
Im Viertel ist man sich sicher: Der hohe Nichtwähleranteil und das gute Ergebnis für die AfD liege an den sozialen Verhätnissen. „Dort wohnen nicht diejenigen, denen es am besten geht“, bestätigt Markus Auerbach, SPD-Bezirksausschussvorsitzender Feldmoching-Hasenbergl. Im Supermarkt treffe er immer wieder Menschen, die bereits Mitte des Monats überlegen müssten, ob sie Reis oder Nudeln kaufen. Andere könnten es sich nicht leisten, ihre Katze einschläfern zu lassen, weil kein Geld für den Tierarzt übrig sei. Dass das Wahlverhalten auch mit Einkommen und Bildung zusammenhängt, ist bekannt. Auerbach erklärt, es gebe in seinem Viertel ein gewisses Maß an Unzufriedenheit, sagt dann aber auch: „Ich will mich nicht auf Spekulationen einlassen.“
Auch der Historiker Reinhard Bauer hat lange Jahre direkt im Hasenbergl gewohnt, er ist Mitglied des dortigen SPD-Ortsvereins. „Die Leute fühlen sich ausgegrenzt“, bestätigt auch er. Das sei nichts Neues. Früher hätten schon die rechten Republikaner eine ihrer Hochburgen im Viertel gehabt.
Auch in anderen Stadtteilen Münchens sieht man, wie stark der Zusammenhang ist zwischen einer geringen Wahlbeteiligung, die einhergeht mit hohen AfD-Anteilen und der sozialen Situation. Je höher der Anteil an Hartz IV-Beziehern in einem Bezirk, desto größer sind die Sympathien für die rechte Partei. Deutlich wird dies auch in den alten Arbeitervierteln im Norden und im Osten der Stadt. Auch im Stimmbezirk 1606 um die Ayingerstraße und Bad Schachener Straße dominieren Sozialwohnungsblocks. Die Wahlbeteiligung lag dort bei 46,6 Prozent und die AfD kam auf 17,4 Prozent.
Ein ganz anderes Bild dagegen in der Münchner Innenstadt: Im Stimmbezirk 0220 östlich des Gärtnerplatzes mit viel saniertem Altbaubestand, vielen Kneipen, jungen Familien und Akademikern gingen bei der Landtagswahl 78,3 Prozent der Wahlberechtigten an die Urne. Die AfD kam dort gerade mal auf 1,8, die Grünen dafür auf stolze 43,5 Prozent der Stimmen. Der Stimmbezirk mit der höchsten Wahlbeteiligung Münchens liegt an der Alten Allee in Pasing, wo schöne alte Villen das Stadtbild prägen. Sage und schreibe 87,4 Prozent gingen dort zur Wahl. Und die AfD kam auf nur 5,7 Prozent. (Rudolf Stumberger)
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