Leben in Bayern

Mit dieser Kraxe hatte der bekannte Maler Heinrich Rambold seine zerbrechlichen Bilder transportiert. Rainer Pittrich hütet die Rarität, aktuell aber kann man sie im Pfarrhaus in Murnau bewundern. (Fotos: Bitala)

07.08.2015

Am Feierabend kommt die Kreativität

Volkskunst am oberbayerischen Staffelsee: Hinterglasmaler bewahren dort eine alte Tradition - und zeigen aktuell ihre Bilder in Murnau in einer kostenfreien Ausstellung

Rainer Pittrich hütet eine Rarität. Es ist die Kraxe des Murnauer Kunsthandwerkers Heinrich Rambold, bei dem Wassily Kandinsky und Gabriele Münter zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Hinterglasmalen lernten. „Heinrich Rambold hatte die Tragekraxe einst zum Transport seiner zerbrechlichen Glasbilder benutzt“, erklärt Pittrich. „Das Gestell hätte über den Trödelmarkt verkauft werden sollen, wäre dann aber für die Murnauer auf Nimmerwiedersehen verloren gewesen.“ Pittrich gehört zu den Volkskünstlern, die heute noch die alte Kunst der Hintrglasmalerei am Staffelsee pflegen. Fünf von ihnen zeigen noch bis Sonntag, 16. August, im Murnauer Pfarrsaal ihre aktuellen Arbeiten.

Seit Mitte des 17. Jahrhunderts gibt es die Hinterglasmalerei in den Gemeinden rund um den  Staffelsee. Seinerzeit waren ganze Familien mit der Produktion der zerbrechlichen Bilder beschäftigt. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts sind es vorwiegend Freizeitmaler – wie Pittrich. „Wir verdienen unser Geld meist in ganz normalen Berufen“, sagt der 59-Jährige, der als Ingenieur beim Straßenbauamt Weilheim arbeitet. Gemalt wird am Abend und am Wochenende. „Da freue ich mich bereits den ganzen Tag darauf.“

Schon als Schüler war der 59-Jährige von der Malerei fasziniert

Neben Hinterglasbildern gestaltet Pittrich auch Urkunden, Vereinsabzeichen. Schon als Jugendlicher hatte Pittrich die Texte seiner Klassenkameraden für die Schülerzeitung illustriert. Zu der Zeit, – Ende der 1960er Jahre – hatte sich in Murnau bereits ein kleiner Kreis von Freizeitmalern zusammengefunden, die im Sommer gemeinsam ihre Glasbilder ausstellten und sich in der Tradition des Heinrich Rambold sahen. Pittrich zog es nach der Schule in diese Ausstellungen, bald fing er zu Hause auch selber mit dem Experimentieren an, „Fürs Glasmalen braucht es keinen großen Aufwand. Das Rohmaterial ist billig zu beschaffen: ein paar Tuben Ölfarbe und Scheiben.“ Pittrich hat die aufwändige Maltechnik in keinem Kurs gelernt, lediglich fürs Aquarellmalen holte er sich ein paar Fachbücher. Er erklärt: „Im Vergleich zu einem normalen Gemälde wird das Hinterglasbild seitenverkehrt, spiegelbildlich und auf der Rückseite der Glasplatte aufgebaut. Zuerst kommen der Vordergrund und die Lichter, dann die Gesichtszüge. Erst zum Schluss werden die dunklen Stellen des Hintergrundes gemalt.“

Die meisten der Murnauer Hinterglasmaler arbeiten an mehreren Glasbildern gleichzeitig. Das ist notwendig, damit die Farbe immer wieder etwas antrocknen kann. Bei der Familie Pittrich steht auf dem Küchenschrank ein Gestell, in dem die angefangenen Bilder trocknen. Abends holt er vier oder fünf Täfelchen heraus und setzt sich an seine Werkbank in einem stillen Eckchen der Wohnung. „Ich male immer so zehn, fünfzehn Minuten an einem Bild“, sagt er. „Deshalb lohnt sich der Aufwand erst, wenn man an mehreren Motiven arbeitet.“ Vor kurzem machte Pittrich ein paar Kopien von Rambold-Motiven, die die Ausstellung ebenso zieren wie die Original-Kraxe.

"Wir wollen keine Massenware herstellen"

Pittrich ist Sprecher von Hinterglasmalern, die sich regelmäßig treffen und auch die Ausstellung gemeinsam organisieren. Franz Fischer ist der Senior der Gruppe. Er ist bekannt für seine Ruß- und Blattgoldbilder. Das Gehemnis, wie er das macht, hütet er streng. Mittlerweile ist Fischer aus Altersgründen nicht mehr aktiv. Lustig anzusehen sind die Bilder von Christl Winkle, auf denen sie liebevoll und mit einem Schmunzeln ihre Mitmenschen am Biertisch karikiert. In jüngster Zeit ist Rosi Miesl  und Hedi Scheck, die Witwe des früheren Volksmusikpflegers von Oberbayern, Wolfgang Scheck, zu dem Kreis um Pittrich gekommen. Evi Rapp ergänzt die eher traditionelle Malweise ihrer Kollegen mit abstrakten Arbeiten und neuen Techniken. So unterschiedlich die Techniken und Stile der einzelnen Maler auch sein mögen, sie haben eines gemeinsam: Ihre Werke kann man in keinem Laden und keiner Galerie kaufen. Mit einer einzigen Ausnahme: Das Schlossmuseum Murnau hält eine kleine Auswahl von Bildern bereit. Und dort stellt man auch gerne den Kontakt zu den Künstlern her, die auch Aufträge entgegennehmen. Pittrich betont: „Wir wollen keine Massenware herstellen.“ Das Ziel sei es, dass die Interessierte mit den einzelnen Malern ins Gespräch kommen können. „Die Kunden sollen sehen, wie die Bilder entstehen, und etwas über unsere Tradition erfahren.“ (Günter Bitala) Die 46. Ausstellung der Murnauer Hinterglasmaler findet noch bis Sonntag, 16. August 2015, im Pfarrheim von St. Nikolaus in Murnau statt: täglich bei freiem Eintritt von 10 bis 12 Uhr und von 14 bis 18 Uhr. Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung haben wir den Vornamen von Frau Rapp leider verfälscht. Das ist entsprechend geändert.

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