Es ist ein Abend voller Überraschungen: Luise Kinseher verkündet ihren Abschied als Mama Bavaria – anders als Horst Seehofer geht sie freiwillig. Und auch das Singspiel hält am Ende einen großen Knaller bereit: Die echte Uschi Glas tritt im Western „Die glorreiche Sieben“ als Halbblut Apanatschi auf – da hat selbst Maul- und Revolverheld „El Marco“ Söder das Nachsehen.
„Jetzt trinken wir noch mal auf den Horst! Auch du, Markus. Was Besseres kommt nicht nach!“ Bei ihrer achten Nockherberg-Rede haute Luise Kinseher alias Mama Bavaria richtig schön drauf – dabei aber nie

daneben. Sie las herrlich hinterfotzig „ihren Kindern“ die Leviten, wirkte auf der Bühne befreit wie selten. Lag es daran, dass der Starkbier-Anstich im frisch renovierten Paulaner-Festsaal auch ein Abend der Abschiede war? Dass der scheidende Ministerpräsident Horst Seehofer heuer zum letzten Mal den ersten Schluck Salvator probieren durfte, war ja bekannt. Aber zum Ende ihrer Predigt verkündete auch Kinseher überraschend, dass diese, ihre achte Nockherberg-Rede, die letzte sein wird. Der Unterschied zu Seehofer: Ihre Entscheidung traf sie freiwillig.
Im Saal war man sich einig: Es war Bavarias beste Predigt. „Sie war in Hochform“, schwärmte auch Seehofer hinterher. Und lobte Kinsehers „gute Menschenkenntnis“, sie habe den Kern der Derbleckten voll getroffen. Allerdings: Seehofer musste diesmal auch nicht allzu sehr einstecken. Im Gegensatz zu Söder und Alexander Dobrindt. Die Wandlungen des designierten Ministerpräsidenten ließ Kinseher natürlich nicht unkommentiert: „Der Bua ist jetzt schon zum siebten Mal in der Pubertät! Wobei er es diesmal sogar geschafft hat, dass nicht er selber, sondern der Horst Seehofer die Pickel bekommen hat!“ Und Dobrindt, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag, bescheinigte sie eine geringere Lebensleistung wie so mancher Honigbiene Bayerns. „Also wenn er ein Dreijähriger wäre, würde man sagen, hochbegabt!“ Beleidigt war der aber nicht. „Ich mag es gerne deftig“, sagte er der
Staatszeitung. Nur dass Kinseher das mit seiner Forderung nach einer konservativen Revolution nicht verstanden habe – sie lästerte: „Alter Knabe! Da hast was rausgeschossen! Alexander Dobrindt, der Erfinder der scharfen Platzpatrone!“ – ließ ihn nicht los. „Das werde ich ihr noch mal erklären!“
Kinseher hat ein Date mit Seehofer: Zur Therapie
Ob Kinseher dieses Angebot annehmen wird? Fraglich. Denn sie hat bereits ein anderes Date. Mit Seehofer. Die beiden haben ein Treffen zu einer Gesprächstherapie in der Toskana ausgemacht – Abschiede können ja ziemlich schmerzhaft sein. Aber wer weiß, ob die Therapie für Seehofer am Ende überhaupt notwendig wird.
Das anschließende Western-Singspiel Die Glorreiche Sieben hat deutlich gezeigt: So ein Seehofer ist nicht leicht wegzubekommen. Egal wie sich der Bühnen-Söder – Stephan Zinner brillierte als

Revolverheld einmal mehr auf dem Nockherberg – auch anstrengte. „Radle, trampe, reite, doch bitte such das Weite! Sieh es ein, alter Horst, du musst jetzt gehen“, schmetterte er Seehofer (Christoph Zrenner) eindringlich entgegen. Doch es half nichts, immer wenn man dachte, jetzt tritt er ab, machte Seehofer doch noch mal kehrt. „Das werde ich mir die nächsten Tage mal überlegen!“, kicherte der echte Seehofer nach der Aufführung. „Fünf Mal bin ich wiedergekommen. Merkt’s euch das“, erklärte er der
BSZ.
Die Singspiel-Premiere von Richard Oehmann und Stefan Betz geriet angesichts der großen Fußstapfen, die Marcus H. Rosenmüller, umjubelter Singsspiel-Regisseur in den vergangenen fünf Jahren, hinterlassen hatte, beachtlich. In einer Western-Stadt streiten Seehofer und Söder um die Chefrolle. Manchem wurde das zwar etwas zu viel. Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber zum Beispiel. Nach dessen Geschmack hatte das schwierige Verhältnis der beiden Alphamänner zu viel Raum. „Ein bisschen mehr ist Bayern auch“, sagte er der BSZ. Aber das Stück hatte viele komische Momente. Etwa als die Western-Kurtisane Angelina Merkel (Antonia von Romatowski) ihren Horst zu Koalitionsverhandlungen ins Bett zerrte, oder der Grüne

Anton Hofreiter (Wowo Habdank) als Gaudibursche auf seinen Steckenpferd einritt. Sehr schön auch wie Ilse Aigner (Angela Ascher) sich den Frust über den Männer-Verein CSU von der Seele sang: „In meinem Verein hören die Männer nie hin, dafür quatschen‘s gern mal dazwischen. Und steign eahna mal paar Gedanken in Sinn, dann san des bestimmt keine frischen.“ Und Nikola Norgauer, die erstmals in die Rolle von Natascha Kohnen schlüpfte, gelang eine kleine Sensation, so überzeugend gab sie Bayerns SPD-Chefin, die im Stück trällert: „Keine Sau sieht meine Aura, dehalb schau ich immer saura.“
Doch der wirkliche Knaller im Singspiel kam zum Schluss. Zum Indianer-Überfall, den die glorreichen Sieben, komplettiert durch drei Söder bejubelnde Gaucho-JUler, eigentlich abwehren sollten (Söder: „Keine Panik, wir gestalten das Blutbad so subtil wie möglich“), kam es nicht. Statt einer wilden Horde hatte Proll-Rothaut Stefan Murr nämlich

das Halbblut Apanatschi im Schlepptau. Und zur großen Verblüffung aller steckte in dem legendären Kostüm niemand anders als Uschi Glas, die vor 52 Jahren die schöne Squaw im Kino spielte.
Als Immoblien-Großinvestorin hatte Apanatschi die gesamte Western-Stadt aufgekauft. Jetzt sollte luxussaniert werden, die Mieten würden damit explodieren. „Aber des is für sie ja völlig irrelevant“, sagte Apanatschi den Bewohnern. „Sie wohnen dann ja eh woanders.“
Ganz schön frech, diese Wendung, wenn man bedenkt, dass der Paulaner-Eigentümer und damit Gastgeber des Abends, die Schörghuber-Gruppe, auch groß in Immobilien macht. Erinnert sei nur an die allgemeine Empörung, dass sie am Nockherberg aktuell etliche unbezahlbare Luxuswohnungen hinstellt. Aber wie brachte es Apanatschi so schön auf den Punkt: „Mei, Heimat muss man sich halt auch leisten können.“
(
Angelika Kahl)
Fotos (dpa - von oben):
„Acht Jahre sind genug“, sagt Luise Kinseher zur ihrem Aus als Bavaria.
So sehr sich Söder auch bemüht, sein Rivale Horst Seehofer (Christoph Zrenner) will nicht abtreten.
Ilse Aigner (Angela Ascher) bestaunt Natascha Kohnen (Nikola Norgauer): „Chefin? Gibt es Chef auch in weiblich?“
Verblüfft die Zuschauer im Saal: Uschi Glas als Apanatschi
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