Leben in Bayern

Günther Baumann am Zapfhahn: 30 verschiedene Sorten hat er schon gebraut, darunter so Ausgefallenes wie Kaffeebier. (Foto: Thomas Stankiewicz)

01.06.2018

Bier – erotisch und politisch

Vor zehn Jahren hat der Münchner Hobbybrauer Günther Baumann zum ersten Mal sein CasaNova-Bier ausgeschenkt – zum Jubiläum hat er große Pläne

In Bayern gibt es immer mehr Haus- und Hobbybrauereien: Allein im Ballungsraum München sind es bereits 110. Eine davon betreibt der 62-jährige Günther Baumann. Noch. Denn zum Geburtstag seiner Brauerei Richelbräu eröffnet er Münchens erste Mitbrauzentrale samt Zoiglstube. Und auch eine Zeitschrift ist in Arbeit: Das Volksgetränk lasse sich nämlich hervorragend zur Volksbildung nutzen, glaubt er.

Seit nun genau zehn Jahren gärt es in einem Neuhausener Mietshaus: das CasaNova-Projekt. Als „Gegenbewegung zur Globalisierung der Bierindustrie“ hatte Günther Baumann 2008 in der Münchner Richelstraße 26 seine Haus- und Hobbybrauerei namens „Richelbräu“ aufgemacht. Baumann, ein 62 Jahre alter Brauersohn, Kleinverleger, gelernter Sozialwissenschaftler, Bier- und Stadtteilforscher, kommt ursprünglich aus der Bischofsstadt Bamberg, die sich als Bierstadt ja gern mit München misst. Mit ungefiltertem Bier, Informationen und jeder Menge Gaudi soll der zehnte Geburtstag am 4. Juni gefeiert werden.

Doch nicht nur ein Hinterhoffest hat Baumann geplant. Anlässlich des Jubiläums will er seinen Mikrobetrieb in eine gewerbliche Mitbrauzentrale umwandeln. Auch eine originelle Gaststube soll es geben, die erste Zoiglstube in München. Die Umbaumaßnahmen dazu sind längst im Gange.

In Rostock und Linz hat Baumann 2005 die ersten Sudkessel und andere erforderliche Anlagen gekauft. Die wuchtete er in die Gewölbe des Mietshauses in München-Neuhausen, eine denkmalgeschützte Erbschaft. Die vergammelte Waschküche wurde zum Gärkeller, wo ein Augustiner-Braumeister fachliche Ersthilfe leistete. Nachdem durch 20-DM-Vorzugsaktien und Bankkredite etwas Startkapital flüssig gemacht war, wurde nach drei Jahren „ozapft“. München feierte damals gerade Stadtgründung. Und weil der 4. Juni obendrein der Todestag des historischen Frauenfreundes Giacomo Casanova ist, der nach dem Kerkerausbruch von 1756 drei Wochen auch in München verlebte, und weil dessen Name mit Neu-Hausen übersetzt werden könnte, taufte Baumann seine Marke „CasaNova-Bier“.

Neuhausen ist überhaupt eine Fundgrube für Bierologen, weiß Baumann. In der Romanstraße 5 bis 7 startete 1907 zum Beispiel eine Illustr. Wochenschrift für Ernst u. Scherz, Humor u. Satyre, die sich immerhin bis zum Ende des Ersten Weltkriegs hielt. Sie hieß banal: Das Bier. Neuhausen, Casanova und Bier verbandelt der Wortakrobat Baumann gern mit legendären Menschen. „Mehr Erotik bitte,“ pflegte Oskar Maria Graf die Tänzer anzutreiben, wenn es rund ging auf den Faschingsbällen in der Villa eines holländischen Lebemanns nahe dem heute so bierseligen Münchner Hirschgarten, der in die Richelstraße ausläuft. Graf meinte auch: „Wer keine Ahnung vom Bier hat, hat keine Ahnung von der Weltgeschichte.“ Und 1926 wurde der Fischer Helmut in Neuhausen geboren. In den heute noch einschlägigen Cafés und Bierstuben rund um den Rotkreuzplatz betätigte er sich ebenfalls als Vorstadt-Casanova, bevor er der Monaco Franze wurde.

Zum Israeltag gibt's ein bayerisch-israelisches Freundschaftsbier

Seit zehn Jahren erzeugt Baumanns Haus- und Hobbybrauerei verschiedene Biersorten. Freilich genügen nicht alle dem Reinheitsgebot, wie Baumann auf Nachfrage gesteht. Wichtig ist ihm vor-erst, dass die eine oder andere Versuchssorte, das Kaffeebier zum Beispiel, den Gästen bekömmlich ist. Es kostet ja auch nichts. Der Gast zahlt allenfalls eine kleine Spende, Brotzeit inklusive.

Erst wenn er den beantragten Gewerbeschein hat, wird Baumann ein richtiger Brauer und Wirt sein und einen Bierpreis festlegen können wie die große Konkurrenz. Während bisher nicht mehr als 70 Liter pro Sud gebraut wurden, soll der bald ausgebaute Gärkeller künftig 300 Liter bereitstellen.

Etwa 30 verschiedene Sorten hat Baumann bisher angeboten – nach experimenteller ebenso wie nach traditioneller Reinheitsgebot-Machart. Darunter auch Spezialitäten anderer Regionen, beispielsweise die verschiedenen deutschen Bockbiere, Rauchbier (Bamberg), Zoiglbier (Oberpfalz), Alt (Düsseldorf), Kölsch (Köln) oder die neumodischen Light-Biere. Eines der jüngsten Produkte ist der „Haifator“. 400 Liter von diesem Getränk hat Baumann kürzlich zusammen mit zwei Brauern aus der israelischen Hafenstadt Haifa in seinem Gärkeller eingebraut. Am 21. Juni – beim Münchner Israeltag soll das bayerisch-israelische Freundschaftsbier auf dem Odeonsplatz öffentlich ausgeschenkt werden.

Baumann pflegt diesbezüglich schon lange besondere Beziehungen. Als Student der Sozialwissenschaften hatte er einst in einem Kibbuz in Israel gearbeitet. Und als Mitgründer der „Geschichtswerkstätte Neuhausen e.V.“ hat er sich um die Aufklärung von Schicksalen jüdischer Bewohner seines Viertels bemüht. Hier gab es besonders viele Tragödien. Neuhausen war nämlich Wiege und während der „Kampfzeit“ eine Hochburg der Nationalsozialisten. So hat Baumann recherchiert, dokumentiert und seine Nachbarn in Führungen darüber informiert, dass die Gaststätte Mettingh (heute ein spanisches Restaurant) eine „Keimzelle der Nazis“ war.

Doch zurück zum Bier, das in München ja bis heute gleichwohl ein Stimulans politischen Geschehens ist. In regelmäßigen „Schaubraukursen“ auch für die Volkshochschule versucht Baumann den Teilnehmern die wichtigsten Kenntnisse über das Brauwesen zu vermitteln, dazu noch „Informationen über Bayern, München und das Bier“, wie er knapp zusammenfasst. Die Leute dürfen sogar mitbrauen – und natürlich mittrinken. Die acht Stunden kosten 40 Euro, Brotzeit und Belehrung inbegriffen.

Sehr gefragt ist Baumann auch bei vielen Bierdeckelsammlern. Zu jeder Gelegenheit kreiert er ein neues Motiv, jedes Jahr mindestens zehn, insgesamt 152 bisher. Radfahrer zum Beispiel lockte er nicht nur mit dem üblichen Radler, sondern obendrein mit dem Namen des in Neuhausen schon 1899 gegründeten Velozipedclubs „Pressiert net“ auf dem Bierfilzl. Und natürlich gibt es auch einen Bierdeckel zum Zehnjährigen. Eher gruslig ist dagegen Baumanns Memento an den Namenspatron seiner Straße: Bartholomäus Richel leitete die Geheimkanzlei des Hochstifts Eichstätt, seine Gattin Maria wurde 1620 als Hexe verbrannt. Jetzt reitet sie als Gemälde auf einem Bierfass am Kellereingang zum Richelbräu.

Sobald ihm die Behörden bescheinigt haben, dass in dem Keller der Richelstraße vom Brandschutz über die Fluchtwege bis zu den Stellplätzen alles tipptopp ist, möchte Baumann dort nicht nur seine CasaNova-Biere gewerblich kredenzen, sondern gleich noch ein kleines Museum einrichten. Das Thema für die erste Ausstellung hat er schon angekündigt: „Bier statt Krieg“ – zum Ende des großen Schlachtens vor 100 Jahren. Und vielleicht braut er dazu auch wieder „Weiße ohne Schuss“, das war schon mal als Parodie auf das in Berlin beliebte Sommergesöff im Angebot.

Und dann gibt es noch ein weiteres CasaNova-Projekt: den „Gärkeller-Verlag“. Geplant ist eine Zeitschrift namens CasaNova, mit der Baumann ebenfalls Großes vorhat: „Bier als Kultur- und Bildungträger – mit einem Hauch von Erotik und der Erkenntnis, dass nichts unpolitisch ist“, so Baumann. Frei nach Faust: Am Biere hängt doch alles.
(Karl Stankiewitz)

Bilder (BSZ): Die Bierdeckel von Baumann sind Kult. Auch dessen Vorfreude auf Münchens erste Mitbrauzentrale hat es auf ein Filzl geschafft.

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