Leben in Bayern

Radeln in München: In der Landeshauptstadt ist noch viel Luft nach oben, was die Infrastruktir angeht. (Foto: dpa)

02.05.2017

Breite Wege, grüne Welle, Leihräder

"Radlhauptstadt", das wäre München gerne. Dafür ist aber noch einiges zu tun. Auch der ADFC sieht in Bayerns Hauptstadt noch viel Potenzial. Fahrradhauptstadt Bayerns ist derweil schon lange eine andere Stadt

Volle Straßen, kaum Parkplätze, dicke Luft: Die Situation in vielen bayerischen Innenstädten könnte besser sein. Eine Lösung stellt die verstärkte Umstellung auf den Radverkehr dar. Umweltfreundlich, schnell und bequem könnte Radeln in der Stadt sein - wenn denn die Infrastruktur stimmt. Viele bayerische Städte haben jedoch Nachholbedarf, meint der ADFC, der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club.

Der Radverkehr hat zwar in vielen Städten an Bedeutung gewonnen und mit dem "Radverkehrsprogramm Bayern 2025" will der Freistaat zwischen 2015 und 2019 insgesamt 200 Millionen Euro investieren. Der ADFC Bayern begrüßt das Programm sehr. In vielen Städten orientiere sich die Förderung derzeit aber noch zu selten daran, dass Radfahren zügig, sicher und bequem sein muss, um attraktiv zu sein, betont Petra Husemann-Roew, Pressesprecherin des ADFC Bayern.

Dabei investieren die bayerischen Städte zum Teil recht hohe Summen in die Infrastruktur. Über die Nahmobilitätspauschale stehen in München jährlich 10 Millionen Euro für Radverkehrsmaßnahmen zur Verfügung, wie das Baureferat der Stadt mitteilt. Nürnberg hat einen Etat von 1,1 Millionen Euro für die Radinfrastruktur; Augsburg hat im vergangenen Jahr 950 000 ausgegeben und will diesen Anteil 2017 erhöhen. In vielen Städten gibt es darüber hinaus projektbezogene Zahlungen.

Schon lange gilt Erlangen als Vorreiter

Als Vorreiter gilt schon seit langem Erlangen, meint Husemann-Roew vom ADFC. Die Stadt investiert regelmäßig 50 bis 100 000 Euro in den Radverkehr, verhältnismäßig wenig. Dazu kommen allerdings jährlich unterschiedliche hohe Sonderprojekte. Im Vergleich mit allen Städten Deutschlands lag Erlangen 2014 beim Fahrradklimatest des ADFC auf Platz eins. Dieser zeigt, wie zufrieden Radfahrer mit der Infrastruktur in ihren Städten sind. Auch Augsburg, Erding oder Landshut wurden 2014 positiv bewertet, Ingolstadt lag deutschlandweit auf dem dritten Platz.

München, das gerne "Radlhauptstadt Bayerns" wäre und mit einer gleichnamigen Kampagne dafür wirbt, sieht der ADFC nur im Mittelfeld. "In den letzten zwei, drei Jahren sehen wir eine Stagnation, was die Verbesserung der Infrastruktur für Radfahrer angeht", sagt Martin Glas, erster Vorsitzender des ADFC-Kreisverbandes München. Die schwarz-rote Koalition im Stadtrat sei nicht so engagiert für den Radverkehr, wie die rot-grüne Vorgängerregierung. "Der Elan ist schon sehr erlahmt."

Bettina Messinger (SPD), die Radverkehrsbeauftragte der Stadt, widerspricht: München habe 60 Fahrradstraßen, eine grüne Welle werde getestet und es seien viele neue Radwege entstanden. Ingo Trömer aus dem Baureferat ergänzt, es laufe außerdem eine Machbarkeitsstudie für eine Radschnellverbindung im Norden der Stadt, und die Zahl der Leihfahrräder der Münchner Verkehrsgesellschaft sei stark gestiegen.

Radler fühlen sich häufig nicht sicher

Ein häufiges Problem ist, dass Radwege vielerorts zu Lasten der Fußgänger angelegt würden, meint der ADFC. Die Breite der Radwege werde aber in den meisten Städten als zu gering beklagt, und das Sicherheitsgefühl unter Radfahrern ist überwiegend nicht besonders groß, bemängelt Husemann-Roew.

Doch woher nimmt man den Platz für Radwege in einer dicht bebauten Stadt wie München, die nicht über breite Straßen verfügt? Das sei jeweils eine Einzelfallentscheidung, meint der Stadtplaner Andreas Bergmann vom Verkehrsplanungsbüro Stadt-Land-Verkehr. Teilweise sei eine Verschmälerung der Fahrstreifen für Autofahrer möglich. Dem sogenannten "ruhenden Verkehr" könne man durchaus auch Parkhäuser anbieten und die Parkplätze in Radwege umwandeln. Das wäre nicht nur aus Platzgründen sinnvoll, sondern auch aus ästhetischen Gründen, sagt der Stadtplaner.

Besonders gefährlich: der tote Winkel

Wenn Radfahrer dann auf dem freigewordenen Streifen fahren, und nicht einen Teil des Bürgersteigs zugewiesen bekommen, sei das auch sicherer. Radfahrer werden dann nämlich von Autofahrern gesehen, und tauchen an Kreuzungen nicht plötzlich wie aus dem Nichts von den Bürgersteigen auf.

Gerade an Kreuzungen sei es wichtig, den toten Winkel in den Griff zu bekommen, betont auch der Unfallforscher Wolfram Hell. Ein erster Schritt: Mercedes-Benz hat als erster Hersteller von Lkw ein Totwinkelerkennungssystem in Serie eingeführt, das über Sensoren an der Lkw-Seite erkenne, ob sich "Mutti mit den Kindern neben dem Lkw befindet", wie Hell sagt. Auch vorgezogene Radfahrstreifen, auf denen Radfahrer an Ampeln vor dem Autoverkehr stehen und so praktisch nicht übersehen werden können, könnten sinnvoll sein. In Kombination mit eigenen Radfahrerampeln erleichtern sie das Linksabbiegen an einspurigen Straßen, meint Bergmann.

"Die Frage ist, was man will", erläutert der Fraktionsvorsitzende der bayerischen Grünen, Ludwig Hartmann. "Wollen wir eine auto- oder eine menschenfreundliche Stadt?" Innerhalb des Münchner Rings sei eigentlich jede Strecke mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln oder mit dem Fahrrad erreichbar. "Wir müssen den Leuten aber auch die Infrastruktur anbieten", sagt er. Die Grünen wollen nun mit einem Bürgerbegehren eine rasche Verkehrswende herbeiführen.
(Antje Müller, dpa)

Info: Das "Radverkehrsprogramm Bayern 2025"
Radfahren nimmt in Bayern einen Anteil von 10,5 Prozent des gesamten Verkehrs ein. Damit liegt der Freistaat knapp über dem Bundesdurchschnitt von 10 Prozent. Bis 2025 soll der Anteil in Bayern auf 20 Prozent steigen. So steht es im Radverkehrsprogramm Bayern 2025". Zwischen 2015 und 2019 will Bayern insgesamt 200 Millionen Euro investieren.
Ein Überblick:

ABSTELLMÖGLICHKEITEN: An Haltestellen und vor Geschäften, Universitäten, Schulen und Veranstaltungsorten sollen Abstellmöglichkeiten ausgebaut werden.

BESCHILDERUNG: Eine einheitliche und klare Beschilderung soll die Benutzerfreundlichkeit stärken.

RADSCHNELLWEGE: Im Großraum Nürnberg beteiligt Bayern sich an einer Studie zu Radschnellwegen, die insbesondere im Berufsverkehr ein schnelles Erreichen des Arbeitsplatzes mit dem Fahrrad ermöglichen sollen. Radschnellwege müssen inner- und außerhalb von Städten über geeignete Routen geführt werden, um Ampeln und Kreuzungen so weit wie möglich zu vermeiden und eine Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 25 km/h zu ermöglichen. Fragestellungen zu Baulast, Trägerschaft und Finanzierung sollen beispielhaft für ganz Bayern beleuchtet werden.

RADWEGENETZ: Ein durchgängig befahrbares Netz an Radwegen soll alle Hauptorte in Städten und Gemeinden miteinander verbindet. Die Kommunen sind aufgerufen, mit der Unterstützung des Landes, das Netz weiter zu verdichten. Neue Wege sollen auch den erwartbaren höheren Durchschnittsgeschwindigkeiten von Elektrofahrrädern Rechnung tragen und insbesondere in Städten auch den Einsatz von Lastenfahrrädern ermöglichen.

SICHERHEIT: Bayern setzt mit dem Verkehrssicherheitsprogramm "Bayern mobil - sicher ans Ziel 2020" einen Schwerpunkt bei der Beleuchtung von Radfahrern und bei reflektierender Kleidung und fährt außerdem Kampagnen zu einem rücksichtsvollen Miteinander. Zudem will Bayern vermehrt auf Fahrradpolizei setzen.

STRECKEN: 40 Prozent der Strecken unter fünf Kilometern werden derzeit motorisiert zurückgelegt. Kurze Wege nehmen einen großen Anteil ein: Über 75 Prozent aller zurückgelegten Wege sind nicht länger als zehn Kilometer.

WINTERDIENST: Radwege sollen schneller geräumt und gestreut werden, damit sie auch im Winter befahrbar sind.

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