Leben in Bayern

Eisiger Urlaub: Peter und Ingrid Ziemann haben diesen Winter 70 Tage auf dem Campingplatz verbracht. (Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand)

23.02.2022

Camping bei wirklich jedem Wetter

Im Schneegestöber in den Alpen oder bei Sturmflut an der Küste: Trotz widriger Witterung wagen immer mehr Menschen Campingurlaub auch im Winter. Eine Corona-Besonderheit oder ein anhaltender Trend?

Peter Ziemann schaut mit ein wenig Stolz auf die Holzbalken, die sein Vorzelt bei 30 bis 40 Zentimetern Neuschnee vor dem Einsturz bewahren sollen. "Aber am wichtigsten ist der Boden, damit die Kälte nicht so von unten hochkommt", sagt der 67-Jährige. "Nachts hat es hier auch mal Temperaturen von minus 13, 14 Grad, das merkst du dann schon."

Seine Frau Ingrid und er haben im Winter trotzdem 70 Tage mit Wohnwagen und Vorzelt auf dem Campingplatz im Allgäu verbracht - und sie wollen wiederkommen. "Ich hatte mir das eigentlich nie vorstellen können", sagt Ingrid Ziemann. Doch mit der Corona-Pandemie habe sich das geändert.

Gerade noch rechtzeitig hätten sie einen Wohnwagen gekauft - bevor die Lieferzeiten immer länger und die Preise immer höher geworden seien. Und jetzt hätten sie hier in Wertach im Oberallgäu am Grüntensee eine zweite Heimat gefunden. "Du bist um die Zeit ziemlich allein, du hast wirklich Freiheiten noch und nöcher", sagt Peter Ziemann. Loipe und Skilift seien nur wenige Meter entfernt - "ideal".

Wintercamping lohne sich aber auch ohne Schnee, finden Wolfgang und Angelika Knoke. Aus ihrem Wohnmobil, geparkt nur wenige Meter von der Wasserkante entfernt im Hafen von Neuharlingersiel, lässt sich im Dunst die Nordseeinsel Spiekeroog erahnen. Das Thermometer zeigt vier Grad - für Ostfriesland winterliche Verhältnisse.

Die Gasflasche an Bord versorge die Heizung für mehrere Tage. Absolut genug, sagt Wolfgang Knoke. Die eine oder andere Reparatur falle zwar an in ihrem Wohnmobil mit 240 000 Kilometern auf dem Buckel. Doch das sei kein Problem, sagt Knoke. "Das Meiste kann ich selbst reparieren."

Wintercamping habe schon vor der Corona-Pandemie im Trend gelegen, teilt der Bundesverband Campingwirtschaft mit. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes seien im Februar 2020 rund 50 Prozent mehr Camping-Übernachtungen als zehn Jahre zuvor gemeldet worden. Als Motivation nannten viele Wintercamper in einer Umfrage des Verbands die Ruhe gegenüber dem Sommer und die Möglichkeit, Natur im Winter erleben zu können.

Mit der Pandemie wurde Camping noch beliebter

Durch Corona habe Camping als Urlaubsform allgemein noch einmal einen großen Aufschwung erfahren. Ob Wintercamping zum langfristigen Trend und der Markt dafür richtig groß wird, sei aber fraglich, sagt Christian Mayer, Professor an der Fakultät Tourismus-Management der Hochschule Kempten. "Das ist eine interessante Nische, aber vom Sommergeschäft ein ganzes Stück entfernt."
Zum einen kämen manche Vorteile des Campingurlaubs im Winter nicht so zum Tragen, sagt Mayer. "Ich muss oft auf engstem Raum bleiben, was für Familien eine Herausforderung sein kann. Auf Stellplätzen fehlt zudem oft der Platz, um feuchte Kleidung zu trocknen."

Zum anderen seien längst nicht alle Campingplätze darauf in Gänze ausgelegt, sagt Mayer. "Das ist für die Betreiber ein nicht zu unterschätzender Aufwand - zum Schneeräumen, Heizen der Sanitäranlagen und personell." Für Plätze mit guter Anbindung zu Winteraktivitäten könne sich das lohnen. "Viele Familienbetriebe nutzen die Pause jedoch auch für Instandsetzungen oder Erholung von der Sommersaison", so Mayer.

Brigitte Seefelder hat ihren Campingplatz in Wertach im Allgäu trotzdem geöffnet - auch wenn sie kürzlich erst einen neuen Traktor anschaffen musste, um eingeschneite Wohnmobile befreien zu können, wie sie erzählt. Saisonplätze für den Winter, wie zum Beispiel vom Ehepaar Ziemann gebucht, seien "ganz gefragt. Über Weihnachten war es unglaublich, was da los war."

Auch in Österreich haben Campingplatz-Besitzer die Nachfrage im Winter erkannt und reagiert. Sein Vater sei Ende der 1980er Jahre noch einer der Pioniere des Wintercampings gewesen, sagt Gerhard Purtscheller, der seinen Platz im Tiroler Stubaital in zweiter Generation leitet. "Die Sommercamper sind länger geblieben und haben gesagt: Macht doch im Winter auch was, ihr habt eine Gletscherbahn." Daraufhin habe die Familie den Platz "winterfest" gemacht.

Auch an der Nordsee machten seit längerem immer mehr Camper im Winter Urlaub, heißt es bei regionalen Tourismusverbänden. "Der Trend ist eindeutig da", sagt Jonas Hinrichs von der Touristikgesellschaft Die Nordsee in Wilhelmshaven. "Viele Urlauber mögen gerade das Reizklima an der Nordsee." Die Entwicklung sei stark befeuert durch die Corona-Pandemie.

Kommunen schaffen mehr Stellplätze für Wohnmobile

Dass dort zunehmend Camper im Winter unterwegs seien, hänge auch mit dem Angebot an Stellplätzen in der Region zusammen, sagt Wiebke Leverenz von der Ostfriesland Tourismus GmbH in Leer. Einige Kommunen hätten das Interesse von Bulli-Fahrern und Wohnmobilisten für Stellplätze bemerkt und würden nun gezielt Platz für diese Zielgruppe schaffen. Die Stellflächen würden zwar vor allem im Sommer gebraucht, aber zunehmend auch im Winter genutzt.

Einen Sahneplatz für ihren Nordsee-Winterurlaub haben sich Rita und Christian Wilkens mit ihrer Tochter Jette gesichert - direkt vor dem Wattenmeer. Dass Sturmfluten die Wellen dann auch mal gefährlich nah an die Camper drücken können, nimmt die Familie in Kauf. Erst vergangene Nacht habe ein Sturm das Wohnmobil ordentlich durchgerüttelt, sagt Christian Wilkens. Aber alles sei heil geblieben. "Und sonst setzt man halt ein paar Meter zurück."

Flexibilität bei schlechtem Wetter sei ein Vorteil des Wintercampings, sagt Peter Ziemann in seinem Vorzelt im Allgäu. "Die letzten zwei Wochen war es ein Traum, jetzt schlägt es wieder um." Daher will sich das Ehepaar bald auf den Rückweg machen - zum Wohnort nahe Heilbronn in Baden-Württemberg. Die Rückkehr zum Wohnwagen im Allgäu sei aber schon geplant.
(Frederick Mersi und Lennart Stock, dpa)

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