In Bayern hat sich der Bierhimmel eingetrübt. Das gilt selbst für den fränkischen Landesteil, wo es die weltweit größte Dichte an Brauereien geben soll. Doch in dem kleinen Städtchen Spalt ist von einer Gerstensaft-Krise nichts zu spüren – nicht nur am Tag des Bieres am 23. April. Ein Besuch in der „echten Bierhauptstadt“ Deutschlands – wie nicht nur der Bürgermeister vollmundig schwärmt.
Bayern steckt in einer Bierkrise. Viele, meist kleine Bierproduzenten haben in den letzten Jahren ihre Anlagen stillgelegt. Und mit den Brauereien stirbt auch ein Stück regionaler Identität. Die Corona-Pandemie hat den Prozess noch beschleunigt, denn mit den Schließungen von Wirtshäusern und Restaurants sank auch der Bierabsatz merklich. Der Trend, dass immer mehr Traditions-Bierproduktionsstätten ihre Tore schließen, ist aber nicht ganz neu. Viele der Kommunbrauhäuser in Franken, eine besondere Institution, die ihren Ursprung im 15. Jahrhundert hat, gaben schon vor vielen Jahren auf.
Selbst der Bürgermeister ist Biersommelier
Seinerzeit war es Bürger*innen erlaubt, eine bestimmte Menge Bier in einer gemeindeeigenen Brauerei, dem Kommunbrauhaus, herstellen zu lassen. Der Qualität kam dies zugute, da die Stadt ausgebildete Braumeister beschäftigen konnte. Zuvor war Bierbrauen vor allem Frauensache gewesen, die in den eigenen vier Wänden verrichtet wurde. Doch zu Beginn des 19. Jahrhunderts war vielerorts Schluss mit dem gemein-schaftlichen Brauen. Die meisten fränkischen Kommunbrauhäuser wurden verkauft. Einige wenige übernahmen die Brauer selbst – oder engagierte Bürger*innen. Und noch weniger existieren unter stetigem Wechsel der Eigentümer noch heute.
Das einzige kommunale Brauhaus aber, das sich ununterbrochen im Besitz der Bürgerinnen und Bürger befindet, steht in Spalt, einer Kleinstadt mit rund 5000 Einwohnern südlich von Nürnberg. Gegründet wurde die Stadtbrauerei 1879, als die Bewohner*innen sich entschlossen, eine marode Brauerei zu retten.
„Im Grunde sind wir die echte Bierhauptstadt“, erklärt Bürgermeister Udo Weingart vollmundig. Zur Begründung fügt er an, dass in Spalt nicht nur seit Jahrhunderten gebraut werde. „Wir verwenden auch ausschließlich Hopfen, der vor den Toren der Stadt wächst.“ Dieser Hopfen sei nicht nur eine eigene Art, „er trägt außerdem eine regionale Herkunftsbezeichnung“.
Weingart weiß, wovon er redet, ist er doch nicht nur Bürgermeister, sondern auch oberster Brauer der Stadt – in Gestalt des Geschäftsführers der Spalter Brauerei. Denn das eigentliche Brauen überlässt er anderen. Damit er als erster Bürger der Stadt aber sein Bier auch kompetent vertreten kann, hat Weingart extra eine Ausbildung zum Biersommelier absolviert.
In Spalt ist dieser Titel allerdings kein Alleinstellungsmerkmal. Auch Markus Böhm ist Biersommelier. Sein Arbeitsplatz ist vor allem das „HopfenBierGut“, „das wahrscheinlich einzige Museum mit einem Zapfhahn“, wie er vermutet. Direkt neben dem Stand der Touristeninformation befindet sich die Theke. „Und bei uns werden natürlich auch Bierverkostungen veranstaltet“, erklärt Böhm.
Das Museum mit dem gewöhnungsbedürftigen Namen ist ein großer Anziehungspunkt für Bier-liebhaber*innen – nicht nur aus der Region. „Hier erzählen wir zum Teil interaktiv von unserer Geschichte – vom Hopfenanbau bis zum Bierbrauen“, erklärt Böhm. An der Aromastation, an deren Entwicklung Böhm selbst mitgewirkt hat, könne man auch seine olfaktorischen Fähigkeiten testen. Dazu gibt es einen begehbaren Braukessel, in dem man Wissenswertes rund ums Brauen erfährt.
Hopfenanbau und -handel waren seit dem 14. Jahrhundert die Grundlagen der Stadtentwicklung von Spalt. Gebraut wird aber auch schon seit 450 Jahren. Um 1900 existierten noch 13 Betriebe. Nun ist die Stadtbrauerei die letzte ihrer Art. „Die Menschen hier sind stolz auf ihre Brauerei“, weiß Markus Böhm. Und Hopfenanbau gebe es auch noch, allerdings meist als Nebenerwerb.
Einst war das Brauen vor allem Frauensache
Und so geht es vielen Spalter*innen wie der aktuellen Bierkönigin Johanna Merkenschlager, die erklärt: „An der speziellen Hopfig-keit erkenne ich unsere Biere.“ Böhm ergänzt, dass die rund zwei Dutzend Bierklassiker, Saison-, Spezial- und Craftbiere allesamt mit dem besonderen Spalter Aromahopfen gebraut würden. Überzeugen kann man sich von der Qualität des Spalter Gerstensafts natürlich nicht nur bei Verköstigungen im Museum, sonden auch bei Bierseminaren oder bei Präsentationen, die sich zum Beispiel der Kombination Bier und Käse widmen. Und das Haus verfügt über eine Mikrobrauerei, in der Braukurse durchgeführt werden. „Bei uns zeigt sich, wie bedeutend die Arbeit mit Bier und allem, was dazugehört für Spalt war und ist“, betont Böhm. „Das Thema ist identitätsstiftend.“ Und so hat sich die Spalter Brauerei auch der Slow-Brewing-Bewegung angeschlossen, in der sich Brauereien zu besonderen Qualitätskriterien verpflichten, zum Beispiel zu hochwertigen Rohstoffen und langsamer Gärung.
Das imposante Gebäude, in dem das HopfenBierGut seinen Sitz hat, befindet sich unterhalb der beiden direkt nebeneinanderliegenden Kirchen am Rande der Altstadt. Es stammt aus der Mitte des 15. Jahrhunderts und ist mit 36 Metern Länge, 13 Metern Breite sowie 20 Metern Höhe ein ziemlicher Koloss. Für die Errichtung dieses Fachwerkbaus sei ein „gar mächtiger Wald“ nötig gewesen, schrieb ein Chronist. Den Fürstbischöfen von Eichstätt hatte er als Kornhaus gedient. Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts wurde er dann für fast hundert Jahre zum Hopfenlager.
Mit dem Kornhaus, den vielen hochgiebeligen Fachwerkhäusern, in denen der Hopfen in bis zu fünf Geschossen getrocknet wurde, und natürlich der Brauerei gleich an der Stadtmauer ist das Spalter Ortsbild ein prägnantes Zeugnis der Geschichte – auch wenn doch manches in dem über 1200 Jahre alten Städtchen nach Restaurierung und Belebung verlangt. Aber Spalt gehört zur touristischen Region des Fränkischen Seenlands und liegt am Großen Brombachsee in hügeliger Land-schaft. An Gelegenheiten, schwimmend, wandernd oder radelnd die Bierkalorien wieder abzubauen, mangelt es also auch nicht.
(Ulrich Traub)
Foto (Traub): 5000 stolze Bürger*innen sind Eigentümer der Spalter Brauerei. Zwei von ihnen: Bierkönigin Johanna Merkenschlager und Markus Böhm vom Bier-Museum.
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