Die passende Gesundheitsvorsorge oder eine angemessene medizinische Behandlung zu finden, ist oft schon für Einheimische nicht leicht. Wie viel schwieriger ist es dann für Asylsuchende? Regensburger Medizinstudierende bieten dabei ehrenamtlich Hilfe. Dafür wurden sie mit dem Integrationspreis der Regierung der Oberpfalz geehrt.
„Wir sind Zweitplatzierte“, stellt Taqwa Gad (26), Vorsitzende des Vereins Migrantenmedizin Regensburg e.V., gleich mal klar. Der Ordnung halber. Jan Elbers (24), der wie Gad Medizin an der Universität Regensburg studiert und den Verein früher leitete, nickt zustimmend. Die Anerkennung ihres Engagements durch den Integrationspreis der Regierung der Oberpfalz schmälert das nicht. Lediglich das Preisgeld auf Platz zwei ist geringer. Statt 2000 Euro erhalten die Regensburger Medizinstudierenden für ihren Verein 1000 Euro. Aber auch das ist eine wertvolle Unterstützung für den kleinen spendenfinanzierten Verein, der sich für die bessere gesundheitliche Versorgung von Migrant*innen und Asylsuchenden einsetzt.
Flüchtlingen in den großen Gemeinschaftsunterkünften falle es oft schwer, sich zurechtzufinden, erklärt Jan Elbers. Sie verstehen die Sprache kaum. Dazu kommen erhebliche kulturelle Unterschiede. Und natürlich unterscheide sich auch das deutsche Gesundheitswesen von dem in ihrem Herkunftsland. „Damit kennen wir uns als Medizinstudenten wiede-rum sehr gut aus“, sagt Elbers. Sich sozial auf dem Gebiet der Medizin engagieren wollte auch Gad. Auch wenn die beiden selbst noch keine Diagnosen stellen dürfen: Sie können wichtige Unterstützung bieten, wenn Asylsuchende medizinische Hilfe benötigen. Sie begleiten sie zu Terminen in die Arztpraxis oder ins Krankenhaus.
Die Dolmetschenden decken 13 Sprachen ab
Ein gutes Dutzend Migrant*innen hat Gad schon beraten und betreut. Die 24-Jährige ist zweisprachig aufgewachsen, spricht Arabisch und Deutsch. Dazu kommt Englisch. Die Sprache alleine schaffe bereits ein Vertrauensverhältnis, erklärt sie. „Eltern mit ihren kranken Kindern gehen oft nicht zum Arzt, weil niemand sie versteht und sie niemanden verstehen.“ Und auch weil sie die gesetzlichen Regelungen kaum kennen. „Vieles ist ja schon für Einheimische nicht leicht zu beantworten“, ergänzt Elbers. „Wir machen die Menschen auch mit unserem Hausarztsystem bekannt“, so Gad. Der Datenschutz spiele dabei eine große Rolle. Allzu konkret möchte sie deshalb nicht auf einzelne Beispiele eingehen. Die Menschen, die unter meist schwierigen Umständen einen neuen Start in diesem Land suchen, sollten schließlich Stabilität erleben und Vertrauen aufbauen können, betont Gad.
Die Arbeit sei sehr unterschiedlich, erklärt Gad. Einige Flüchtende bräuchten eine Beratung zu medizinischen Angeboten. Andere benötigten dagegen nur einen Dolmetschenden. Rund 25 Dolmetscher*innen hat der Verein an der Hand, sie decken 13 Sprachen ab. Die Hilfe der Studierenden ist aber meist sehr umfassend. Nicht selten betreuen sie Menschen über Monate hinweg. Einige sogar über Jahre. „Mir gibt es ein gutes Gefühl, wenn ich erlebe, wie es den Menschen mit jedem Treffen besser geht“, sagt Gad. Zum Beispiel dem jungen Iraker, der über Jahre ein Magengeschwür verschleppte, weil er die Anweisungen des Arztes für die Medikamenteneinnahme nicht verstand.
„Mich macht es aber besonders glücklich, wenn ich sehe, wie Familien wieder aufblühen, weil ihre kranken Kinder allmählich gesund werden. Das ist für mich das Schönste!“, schwärmt Gad. Elbers empfindet das ähnlich. Ein wenig hadert er aber mit der Vereinsarbeit. „Webseite, Sitzungen, Protokolle, so was“, sagt er. Gad dagegen findet die Gemeinschaft und den Austausch im Verein großartig. Vor allem aber lieben beide, dass sie in ihrem Engagement etwas als Mediziner*innen bewirken können und „dicht am Menschen sind“.
Die Flucht selbst kann zum Gesundheitsproblem werden
Etwa 20 bis 25 aktive Mitglieder hat der Verein aktuell. Sieben Regensburger Studierende der Humanmedizin, Psychologie und anderer sozialer Studiengänge hatten 2009 die Arbeitsgemeinschaft Migrantenmedizin ins Leben gerufen – aufgrund eines Radiobeitrags über die schlechte und schwierige medizinische Versorgung von Asylsuchenden. 2012 folgte dann die Gründung des Vereins, der allen Studierenden der Medizin ab dem 5. Semester und anderer medizinischer Querschnittsbereiche offensteht.
Die Begleitung von erkrankten Asylsuchenden durch die Studierenden und Dolmetschenden hilft nicht nur den Betroffenen. Sie bedeutet auch eine erhebliche Entlastung für die behandelnden Ärzt*innen. Gad und Elbers füllen gemeinsam mit den Hilfesuchenden bereits vor dem Termin notwendige Unterlagen aus, informieren sich über frühere Arztbesuche, kennen die Krankengeschichte und die Lebenssituation der Menschen. Auch Fluchterfahrungen, traumatische Erlebnisse, schlechte Ernährung und prekäre Verhältnisse sorgen häufig für gesundheitliche Nöte. Sorgsam dokumentiert fließen all diese Informationen am Ende in die Anamnese der behandelnden Fachärzt*innen ein.
Seit November 2018 bietet der Verein wöchentlich eine medizinische Beratung in der Regensburger Gemeinschaftsunterkunft Dieselstraße an. Viele Hilfesuchenden kommen aber auch über Mundpropaganda und kleinere Aktionen des Vereins. Man habe sich in den vergangenen Monaten auch intensiv für die Aufklärung über die Covid-19-Schutzimpfungen eingesetzt, erklären die Studierenden. Zusätzlich engagiert sich der Verein in der medizinischen Ausbildung. Dazu werden Studierende im Rahmen des Wahlfachs „Global Health“ im kultursensiblen Umgang mit Patientinnen und Patienten geschult. Eng arbeitet der Verein auch mit der Flüchtlingshilfe, Migrations- und Traumaspezialisten sowie weiteren Organisationen und medizinischem Personal zusammen.
„Sie sind diejenigen, die Integration vor Ort mit Leben erfüllen“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei der Preisverleihung des Integrationspreises der Oberpfalz. Und Axel Bartelt, bis 1. Februar 2022 Regierungspräsident der Oberpfalz, betonte den mühsamen Weg, den Asylsuchende und Einheimische bei der Integration gemeinsam gehen. Integration sei ein vielschichtiger und kleinteiliger Prozess, der viel Zeit brauche und dessen Zwischenerfolge schwer messbar seien, sagt er.
Für die Regensburger Medizinstudierenden Gad und Elbers indes sind die Zwischenerfolge oft deutlich erkennbar: gesunde Asylsuchende, die Mut schöpfen für den Neustart in einem fremden Land. Einem Land, in dem ihre medizinische Versorgung auch dank dem Engagement der Studierenden gesichert ist.
(Flora Jädicke)
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