Leben in Bayern

Er will Adenauer schlagen, und das sollte Alexander Hold gelingen. Denn dazu braucht er bei der Bundespräsidentenwahl nur eine Stimme. (Foto: dpa)

05.01.2017

Der freundliche Herr aus Kempten

Am 12. Februar wird ein neuer Bundespräsident gewählt – die Freien Wähler schicken den ehemaligen TV-Richter Alexander Hold ins Rennen

Der Mann kennt das ja schon: Da ruft jemand bei ihm an und hat ungewöhnliche, aber recht konkrete Vorstellungen, wie es mit ihm weitergehen soll. Vor 15 Jahren, da waren es die Fernsehleute, die wollten aus ihm, dem Allgäuer Juristen, einen Fernsehstar machen. In diesem Jahr war es Hubert Aiwanger, der Chef der Freien Wähler. Der will aus ihm einen Bundespräsidenten machen. Der Angerufene lässt sich das Ganze dann ein paar Tage durch den Kopf gehen und sagt schließlich: Na gut, dann mach’ ich das halt.

Der Mann heißt Alexander Hold, ist 54 Jahre alt und eine Art Fernsehstar. Mit der Sendung Richter Alexander Hold dominierte er immerhin über ein Jahrzehnt lang auf Sat.1 den Fernsehnachmittag. Auf 2038 Sendungen brachte es Hold am Ende als 2013 die Show eingestellt wurde. Seither tritt Hold noch regelmäßig als Ratgeber in Rechtsfragen auf, etwa im Frühstücksfernsehen. Als Richter auf Lebenszeit könnte er auch in den regulären Staatsdienst zurückkehren. Hubert Aiwanger sieht Holds künftiges Wirkungsfeld jedoch eher in Berlin.   

Es war am 20. Juli, da hat Aiwanger den Bundespräsidentenkandidaten der Freien Wähler vorgestellt. Bei den letzten beiden Wahlen hatten sie noch Joachim Gauck unterstützt, aber diesmal, so findet ihr Chef, könne er seinen Wahlleuten nicht zumuten, für Frank-Walter Steinmeier zu stimmen. Dessen Kandidatur sei „ein Armutszeugnis“ für die Union. „Merkel gibt die Bürgerlichkeit auf, um ihre Kanzlerschaft zu stützen, Seehofer geht wie immer nach einem kleinen Schein-Aufstand mit.“ Aiwangers Alternativangebot für alle Bürgerlichen: Alexander Hold. Über voraussichtlich zehn Delegierte verfügen die Freien Wähler in der Bundesversammlung. Zehn von 1260.

Dass kleine Parteien eigene Kandidaten aufstellen, gab es freilich schon öfter. So gingen etwa schon mal die Schriftstellerin Luise Rinser für die Grünen, die Theologin Uta Ranke-Heinemann für die PDS und der Schauspieler Peter Sodann für die Linke ins Rennen.

Heute Brandschutz, morgen Schloss Bellevue?
Ist das nicht ein arg großer Sprung?

Kempten, Rathaus, kleiner Sitzungssaal. Es ist später Nachmittag, der Kulturausschuss tagt. Es geht um die Zukunft der Museen der 62 000-Einwohner-Stadt. Auch Alexander Hold sitzt hier, er ist Stadtrat, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler und Mitglied des Kulturausschusses. Die Sache ist kompliziert: Das Allgäumuseum soll in den Marstall, zumindest aber raus aus dem Kornhaus. Ins Zumsteinhaus soll das Stadtmuseum, und die Bibliothek braucht mehr Platz. Könnte sie vielleicht ins Kornhaus? Alles hängt irgendwie miteinander zusammen, den archäologischen Park gibt es auch noch, und das Kulturamt will jetzt wissen, wie es mit dem Kornhaus weitergeht. Hold kaut am Bügel seiner Lesebrille und fragt genau nach. Er ist skeptisch. „Ich muss doch erst wissen, was ich aus dem Kornhaus machen will.“ Warum müsse man sich heute schon festlegen für Gebäudenutzungen, die frühestens in ein paar Jahren beginnen? Es geht um den Brandschutz, erklären die Leute vom Amt. Es gehe immer um den Brandschutz.

Heute Brandschutz, morgen Schloss Bellevue? Ist das nicht ein arg großer Sprung? Überhaupt nicht, erklärt Hold kurz vor der Ausschusssitzung gleich nebenan im Café Pano. „Ich glaube, dass Deutschland gerade ein Präsident gut stünde, der Politik so erklären kann, dass er den Normalbürger damit erreicht.“ Von der großen Politik in Berlin oder München sei der ja schon längst enttäuscht. „Aber zur Kommunalpolitik hat er Vertrauen.“

Der Erklärer, das ist Holds beste Rolle – ob im Fernsehen oder in der Politik. „Ich habe das Gefühl, mir ist es noch immer gelungen, die Menschen zu erreichen und mitzunehmen.“ Aber mitnehmen – wohin? „Ich glaube, dass ich gut verschiedene Standpunkte zusammenzuführen kann. Aber wenn mich ein Thema wirklich bewegt, kann ich auch richtig auf den Tisch hauen. Wenn es etwa um die europäische Idee geht oder um das Geringschätzen des nach dem Krieg Erreichten.“ In der Flüchtlingsfrage rügt Hold die oft populistische Tonlage der Diskussion, vor allem bei der CSU: „Es ist schon spannend, dass es zumindest zwei Parteien gibt, die deutlich rechts von uns Freien Wählern sind, und dass man im Moment manchmal gar nicht weiß, welche weiter rechts steht.“

Die sieben und zehn Jahre alten Söhne sind schon ganz aufgeregt,
seit sie das Wort „Schloss“ gehört haben

Das Café hat sich gefüllt. Nebenan hat sich eine Gruppe junger Frauen mit Babys niedergelassen. Die Räume, in denen man heute Schokaccino oder Baileys-Latte zum Natursauerteigbrot aus dem Holzofen trinkt, kennt Hold noch von früher. Von ganz früher. „Hier war eine Drogerie, und ich kann mich erinnern, wie ich als Kind hier oft mit einem Rucksack voller Ware hergekommen bin oder Ware abgeholt habe.“ Holds Vater hatte auch eine Drogerie in Kempten, und die beiden Ladeninhaber haben sich regelmäßig ausgeholfen.

Kempten – hier war Alexander Hold Schüler, Ministrant, Reserveoffiziersanwärter, Staatsanwalt und Richter. Nicht gerade eine der schönsten Städte, gibt er zu, vor allem eine Folge der Altstadtsanierung. Aber eben Heimat. Seine Mutter lebt noch hier, sein älterer Bruder betreibt hier seit 30 Jahren eine Studentenkneipe. Es ist alles recht überschaubar. Von zu Hause ist Alexander Hold mit seinem Elektroroller in wenigen Minuten am Rathaus.

Zum Studieren war Hold mal in München. Sonst immer: Allgäu. Aber in Berlin lasse es sich schon leben, sagt Hold. Auch die Lebensgefährtin würde gern mitkommen, und seine beiden sieben und zehn Jahren alten Söhne sind schon ganz aufgeregt, seit sie das Wort „Schloss“ gehört haben.

Und auch wenn es mit dem Schloss wohl nichts werden wird, Grund zum Feiern dürfte Alexander Hold am 12. Februar in jedem Fall haben. Denn eigentlich, erklärt er, wolle er nur mehr Stimmen als Adenauer bekommen. Und für den habe es bei der Bundespräsidentenwahl 1954 schließlich nur eine einzige Stimme gegeben. Das stimmt. Es gibt allerdings einen kleinen Unterschied: Adenauer ist damals gar nicht zur Wahl angetreten, sondern hatte sich für die Wiederwahl von Theodor Heuss eingesetzt. (Dominik Baur)

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