Leben in Bayern

Josef Taffertshofer erzählt als Bauer Sepp den Kindern seine selbstverfassten Märchen. Familienmitglieder spielen sie mit Puppen nach. (Foto: Blaslhof)

08.08.2014

Der Märchen-Bauer von Schöffau

Wie der Landwirt Josef Taffertshofer als Geschichtenerzähler nicht nur in der Region einige Berühmtheit erlangte

Vor dem bunt bemalten Schuppen auf dem Blaslhof wuseln aufgeregt die Buben und Mädchen durcheinander. Mittendrin: Die sechsjährige Elfriede, die an diesem sonnigen Tag mit ihrem Opa nach Schöffau in den Ortsteil Kalkofen gekommen ist. Sie hat es nicht weit gehabt vom benachbarten Uffing am Staffelsee. Die paar Kilometer hat Elfriede mit dem Fahrrad leicht geschafft. Andere Kinder hatten eine längere Anreise – von Murnau oder gar aus München. Aber eines haben sie alle gemeinsam. Sie können ihre Freude auf Bauer Sepp kaum bremsen.
Der Bauer Sepp heißt eigentlich Josef Taffertshofer und ist gelernter Landwirt. Doch beileibe nicht nur – und dafür lieben ihn die Kinder. Taffershofer ist auch der Märchenerzähler Bauer Sepp und betreibt seit über zehn Jahren ein kleines Puppentheater auf seinem Hof. Und ist damit mittlerweile „weltberühmt“, wie ihm ein kleiner Besucher schon in das Gästebuch geschrieben hat. Pro Jahr entwickelt Taffertshofer mittlerweile zwei selbst erdachte Märchen für seine Puppenbühne. 16 Stücke sind so bisher insgesamt zusammengekommen. Etwa 100 Handpuppen liegen dafür staubdicht verpackt in Plastikkisten. Viele davon hat die Künstlerin Christina Dichtl-Haller aus Bad Bayersoien extra für ihn gemacht. Die Bühnenbilder stammen ebenfalls von ihr – und dem Münchner Maler Werner Maier. In diesem Sommer erzählt Taffertshofer die Geschichten vom Stier Maxl und Esel Pedro.
Wann aus Taffertshofer der Märchenerzähler Bauer Sepp geworden ist, kann er an keinem genauen Zeitpunkt festmachen. Das habe sich über die Zeit so ergeben, sagt er. Der Blaslhof der Familie Taffertshofer war früher ein Milchviehbetrieb. 1992 stellte Taffertshofer auf Pferdehaltung um. Seitdem bietet er auch Reitkurse an. Seit 1975 gibt es auf dem Blaslhof bereits das Programm „Ferien auf dem Bauernhof“. Und hier liegt die Wiege für das Märchen-Erzählen. Denn immer wenn Taffertshofer seine Kinder zu Bett gebracht hat, erzählte er ihnen Geschichten. Damals war es so, dass es auf dem Blaslhof keine separaten Ferienwohnungen gab. Die Sommergäste hatten ihre Zimmer auf demselben Stockwerk wie die Familie. Und so haben die Urlauber es mitgekriegt, wenn Taffertshofer abends den eigenen Kindern fantasievolle Geschichten erzählte. Bald setzten sich auch die Ferienkinder dazu und lauschten gespannt den Abenteuern von Maus Maunzi oder der Seeprinzessin.
Weil die abendlichen Gruppen immer größer wurden, begann  Taffertshofer seine Erzählrunden nach draußen ans Lagerfeuer zu verlegen. Und auch bei Rundfahrten mit der Kutsche wusste er von Rehlein Mucki zu berichten, von Indianern und Ungeheuern. Die Buben und Mädchen malten danach kleine Zeichnungen. Bis zum Ende der 1990er-Jahre hatte Josef Taffertshofer mehr als 360 bunte Kinderbilder gesammelt. Da hatte der Bauer eine Idee: Warum nicht die Märchen in einem Buch veröffentlichen? Ein Kinderbuchverlag war zwar rasch gefunden, aber die Lektoren dort wollten so viele Änderungen am Text, dass Taffertshofer seine eigenen Geschichten kaum wiedererkannte. „Das wollte ich nicht“, erzählt er. „Eine andere Lösung musste gefunden werden.“ Und die fand er auch prompt: 1999 gründete Taffertshofer den Blaslhof-Verlag, brachte seinen ersten Märchenband auf dem Markt – illustriert mit den Zeichnungen der Kinder. Bis heute hat er sieben Bücher veröffentlicht.
Doch auch das genügte den rustikalen Märchenonkel nicht. Eine weitere Leidenschaft Taffertshofers ist nämlich das Theaterspielen. Für Erwachsene brachte er mit Freunden bereits früher Stücke auf eine Freilichtbühne. Warum also nicht die Märchen mit der Bühnenleidenschaft verbinden? 2001 war es soweit. Er gründete „Bauer Sepps Märchenbühne“.

Zu unpädagogisch? Dem Bauer Sepp ist das wurscht. Und den Kindern auch

Heute ist das ganze ein richtiges Familienprojekt. Denn außer Josef Taffertshofer machen seine Partnerin Claudia,  Tochter Barbara, Schwester Elisabeth und drei Cousinen mit. Während die Frauen die Handpuppen führen, tritt Taffertshofer als Erzähler Bauer Sepp auf. Dafür ist eigens ein Fenster in die Kulisse neben der Bühne eingebaut worden.
Die Rollenverteilung ist für das Gelingen des Spiels wichtig, sagt Taffertshofer. „Die Stücke sind für Kinder im Alter zwischen zwei bis acht Jahren ausgerichtet. Da kommt es gelegentlich schon mal vor, dass sich ganz junge Mädchen beim Erscheinen des Waldgeistes fürchten. Als Erzähler kann ich auf die Kleinen beruhigend einwirken, und dem Grusel ein bisserl die Schärfe nehmen. Andererseits sind manchmal vorwitzige Buben dabei, die ich als Erzähler direkt ins Spiel mit einbeziehen kann.“ Am Ende, beim Rausgehen, sei es interessant zu sehen, dass gerade bei den Vorlauten die Fantasie zu blühen beginne. „Das Gesehene erleben sie noch einmal in Gedanken nach.“
Und noch eine interessante Entwicklung beobachtet Taffertshofer seit ein paar Jahren. Früher brachten die Eltern ihre Kinder ins Theater und gingen während des Spiels spazieren. Heute setzen sich die Mütter und Väter selber mit ins Publikum. Und nach der Vorstellung hätten auch die Erwachsenen oft ganz glänzende Augen.
Allerdings: Wenn jemand etwas auf die Beine stellt, was man für seine Zunft nicht vermutet, hagelt es  mitunter harsche Rüffel. Das musste auch Taffertshofer erfahren. So mancher Kritiker hält dessen Kinderbücher für zu unprofessionell. Taffertshofer ist das egal – solange die Kinder sie mögen. Und die Märchenbühne? Na ja, sagt Taffertshofer und erzählt eine Anekdote: „Einmal spielten wir vor einer Kommission. Die prüfte, ob wir mit der Märchenbühne in ein Verzeichnis für Schulbühnen aufgenommen werden können.“ Im Publikum saßen damals 150 Kinder mit ihren Lehrerinnen. „Den Buben und Mädchen hat es gefallen, den Betreuerinnen der Kleinen auch“, erklärt Taffertshofer. „Nur die Mitglieder der Prüfungskommission saßen mit versteinerten Mienen da. Denen war unser Auftritt zu unpädagogisch.“ Aber auch das tangiert Taffertshofer wenig: „Die Kinder werden ständig und von allen Seiten mit pädagogischen Inhalten überhäuft“, sagt er. „Das ist nicht unser Ziel. Wir wollen keinen erhobenen Zeigefinger. Die Kinder sollen bei uns Kinder bleiben dürfen. Sie sollen in einer unbeschwerten Märchenwelt ihren Alltag für eine Stunde hinter sich lassen.“
(Günter Bitala)

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