Der Kapitän des Schiffes weigerte sich damals, mit ihr als neuem Lehrling abzulegen. „R. Schweiger“ hatte im Vertrag gestanden. Von einer Renate wollte er nun gar nichts wissen. Doch Renate Schweiger hat sich durchgesetzt. Seit 35 Jahren fährt sie als Kapitänin auf der Donau. Seit letzter Woche mit einem neuen Schiff. Taufpatin war eine ebenfalls tatkräftige Frau: Ilse Aigner.
Ein letztes Mal steuert sie ruhig und mit viel Fingerspitzengefühl das „alte Mädchen“. Knapp 30 Jahre war die Donauschifferin Renate Schweiger schon Kapitänin auf der „Renate II“. Das alte, aber treue Motor-Schiff gleitet auf seiner letzten Fahrt nun fast lautlos auf dem Main-Donau-Kanal dahin. In Zukunft wird es auf dem Neckar fahren, unter der Flagge der Personenschifffahrt Heidelberg. Die Donauschifferin selbst aber bleibt ihrem Fluss treu und freut sich über die „Renate III“, das neue Schiff. Vor wenigen Tagen traf es am Anleger in Riedenburg ein. Unter dem Beifall von Bürgermeister, Landrat und Schaulustigen. Die prominente Taufpatin: Bayerns Verkehrsministerin Ilse Aigner.
1984 erwarb Renate Schweiger das Donau-Kapitänspatent, 1979 hatte sie als 15-Jährige die Ausbildung zur Binnenschifferin begonnen. Und jenen ersten Tag auf einem Frachtschiff der Reederei Bayerische Lloyd wird sie nie vergessen. Für Schweiger sollte sich ein Traum erfüllen. Doch der erste Tag war alles andere als traumhaft. Der Kapitän des Schiffes weigerte sich, mit seinem neuen Lehrling abzulegen. „R. Schweiger“ hatte im Vertrag gestanden. Von einer Renate wollte er nun gar nichts wissen. „Mit ’ner Frau an Bord fahr’ ich nicht“, machte ihr Kapitän Karl Fröhlich unmissverständlich klar.
Dabei war Renate Schweiger noch nicht einmal die erste Frau mit Ambitionen für das Donaukapitänspatent. Mutter Rosa hatte es bereits vorgemacht. 1974 war sie die erste Frau an der Donau, die das Schifferpatent erhielt.
Das alte Vorurteil aber, dass Frauen an Bord nichts zu suchen hätten, war damals noch so lebendig wie der Unmut des „alten Grantlers“. Dass Renate Schweiger sich am Ende durchsetzte, verdankte sie einem noch viel älteren Prinzip: „Hoch sticht tief.“ Der mürrische Schiffer musste sich fügen, schließlich entstammte das junge Mädchen einer bekannten Schifferfamilie.
Einfach war dieser erste Tag an Bord aber dennoch nicht: Kapitän und Crew schenkten ihr keinen Blick und sprachen mit ihr kein Wort. Schweiger stand verloren auf dem Schiff. Wäre da nicht Maschinist Juri gewesen, ein Ungar, dessen Frau in der Kombüse aushalf, wer weiß, was aus Schweigers Traum geworden wäre.
„Bring ihm einen Kaffee“, riet ihr Juri. Sie tat es. Stand auf der Brücke und beobachtete den missmutigen Flussschiffer, wie er residierte über den breiten Strom, der von der Quelle bis zur Mündung im Schwarzen Meer mehr als 3000 Kilometer zurücklegt. Dabei war ihre Vorstellung so klar: Erst das Binnenschifferpatent, dann Erfahrung in der Frachtschifffahrt sammeln. Später wie die Mutter und der Vater die Personenschifffahrt in Kelheim führen.
Heute sind der alte Kapitän und Schweiger gute Freunde
Als der Kapitän das Steuer für kurze Zeit verlassen musste, raunte er nur. „Kannst’ fahren?“ „Klar kann ich fahren“, sagte die damals 15-Jährige und übernahm das Ruder. Nach seiner Rückkehr sah Fröhlich ihr zu. „Eine ganze Weile lang“, erzählt Schweiger. Dann war das Eis gebrochen. „Na, fahren kannst ja“, raunte er, wenn auch immer noch mürrisch. Heute aber sind die beiden Freunde. Fröhlich nennt sie liebevoll „mein Mädchen“.
Und Renate Schweiger? Sie ist nun seit mehr als 30 Jahren Donauschifferin. Auf dem unteren Deck der Renate II tanzen die Gäste gerade zu Schlagern. Eine Band mit Kontrabass, Geige, Bandoneon und Gitarre macht die Musik. Oben auf der Kapitänsbrücke herrscht dagegen eine gemütliche Ruhe. Schweiger ist dort alleine mit sich und dem Fluss, der durch das Fenster glitzert. Nur Hund Daisy liegt auf dem abgewetzten Sofa und ruht.
Auf das neue Schiff habe sie sich gefreut, sagt Schweiger. Das Design ist schlicht, elegant und erinnert entfernt an die Befreiungshalle in Kelheim. In der Stadt ist Schweiger tief verwurzelt. „Die Zeit ist günstig für solch eine Investition“, sagt die Schifferin. Die Zinsen sind niedrig, die Tourismusförderung gut. Und das Geld vom Verkauf des alten Schiffes helfe auch. Rund vier Millionen Euro kostete die neue Renate. Sie ist nicht nur größer und heller, sondern hat auch einen umweltfreundlichen dieselelektrischen Antrieb. Schließlich fahre man ja durch ein Naturschutzgebiet.
In wenigen Jahren soll Schweigers Sohn Andreas die Geschäfte übernehmen. Mit der Innovation wollte Schweiger auch seine Zukunft sichern, sagt sie. Ein wenig umgewöhnen müsse sie sich mit dem neuen Schiff zwar schon. Der Steuerstand ist moderner, und wo früher Knöpfe und Drehschalter waren, sind jetzt Touchscreen und Monitor. „Das alte Holz-Steuerrad wird mir fehlen“, seufzt Schweiger, während sie es tätschelt.
„Kopf hoch, auch wenn der Kragen dreckig ist“
Obwohl Schweiger bereits in der vierten Familiengeneration auf der Donau fährt, lautet ihr Grundsatz: „Nicht in die Fußstapfen anderer treten, sondern selber prägen“, betont sie. Dieses Motiv hat sie ihr Leben lang begleitet – ob als SPD-Stadträtin oder Reederin. Zum Beispiel, als sie sich 1989 vom alten Schiff trennte und die „Renate II“ bauen ließ. Für sie und ihren Vater Josef war die damals noch „neue Renate“ ein Aufbruch. Sie war das erste Schiff mit drei Decks, geräumigen Küchen und zwei Tanzflächen. Schweiger baute auch das Angebot aus: Zu den Linienausflügen kamen Charterfahrten und Firmenausflüge. 1994 gründete Schweiger dann ihre eigene Personenschifffahrt Altmühltal mit Firmensitz in Dietfurt.
„Die Schweiger-Schiffe waren immer eine Wellenlänge voraus“, erzählt Renate Schweiger stolz. Auch wenn die Personenschifffahrt in Kelheim manchen unternehmerischen Wellengang durchmachte. „Dann hat mir oft ein Spruch meines Vaters geholfen“, sagt sie. „Kopf hoch, auch wenn der Kragen dreckig ist.“ Den Spruch bekommt sie heute noch manchmal von dem 90-Jährigen zu hören.
Dass die Schweiger-Personenschifffahrt im ruhigen Fahrwasser gedeihen kann, liegt aber auch an einer besonderen Konstruktion. 1971 gründeten drei Kelheimer Personenschiffer die Vereinigten Schifffahrtsunternehmen Kelheim. Sie teilen sich den Donau-Anleger. Geben für die insgesamt fünf Schiffe eine Fahrkarte zu einem Preis aus. Der Erlös fließt in einen Topf und wird nach einem festgesetzten Schlüssel verteilt. (Flora Jädicke)
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