Ein modernes Gebäude aus Stahl und Glas in der bayerischen Landeshauptstadt nahe dem Mittleren Ring, ein Büroraum im vierten Stock. Es ist ein nettes Gespräch: „Was gefällt Ihnen an München?“, fragt mich mein Gegenüber. „Ich finde die Biergärten in der Stadt ganz nett“, sage ich. „Und was gefällt Ihnen weniger gut?“ „Dass die Mieten hier so teuer sind“, so meine Antwort.
Schließlich werde ich noch gefragt: „Haben Sie eine Lösung für das Problem?“ Nein, habe ich nicht wirklich. Verständnisvoll blickt mich mein Gegenüber mit seinen blauen Augen an, auf dem Kopf hat er eine ebenfalls blaue Strickmütze. Das Gespräch wäre an sich nicht sehr spektakulär, handelte es sich bei meinem Gegenüber nicht um Navel, einen sozialen Roboter.
Er ist 72 Zentimeter groß und entstammt einem Münchner Start-up-Unternehmen namens Navel Robotics. Was aber ist ein sozialer Roboter? Das erklärt Firmengründer Claude Toussaint: „Roboter wurden ursprünglich entwickelt, um dem Menschen häufig wiederkehrende mechanische Arbeit abzunehmen. Seit 20 Jahren werden auch sogenannte soziale Roboter erforscht, die jedoch andersartige Aufgaben übernehmen sollen“, so der 53-Jährige.
Die Zeit von Pepper ist spätestens jetzt vorbei
Den Anfang machte in den 1990er-Jahren eine US-amerikanische Wissenschaftlerin; laut ihrer Definition sollten soziale Roboter in der Lage sein, mit Menschen Kontakt aufzunehmen, soziale Beziehungen aufzubauen, sich an ihre Umwelt anzupassen, lebenslang zu lernen und neue Erfahrungen in ihr Verständnis der Welt und über sich selbst zu integrieren.
Ein klein wenig von diesen Fähigkeiten konnte vor gut acht Jahren Pepper mitbringen, ein humanoider Roboter in Gestalt eines Schulkinds, der 2015 bei seiner Vorstellung in Japan für Aufregung sorgte. Pepper stand in Hotels oder Geschäften am Eingang und begrüßte die Kund*innen, man konnte mit ihm sprechen und mit ihm auch über sein an der Brust angebrachtes Display kommunizieren. Er war damit der erste in Großserie produzierte Partner- und Kommunikationsroboter, der über künstliche Intelligenz die Menschen begeistern sollte. „Heute ist Pepper veraltet“, sagt Toussaint, der Maschinenbau studierte und aus Wertheim am Main stammt.
Was muss oder soll aber ein sozialer Roboter heute können? „Er muss die Fähigkeit haben, aktiv eine soziale Beziehung aufbauen zu können“, sagt Toussaint. Dies geschieht, indem der Roboter mithilfe einer Kamera die Gesichtszüge seines Gegenübers analysiert und daraus errechnet, welche Gefühle sein Gesprächspartner hat. Und mit künstlicher Intelligenz wird dann ein Gespräch in Gang gebracht.
Konkret soll der soziale Roboter zum Beispiel in Pflegeheimen zum Einsatz kommen. Er wird aber keine Windeln wechseln oder den Blutdruck messen. Das Soziale ist sein Bereich. Das heißt, Navel rollt mit seiner blauen Strickmütze durch die Flure des Heimes und spricht die Senior*innen an. Wie es ihnen geht, was sie heute vorhaben, was die Enkelkinder so machen.
Navel kann auch Blickkontakt herstellen
Navel kann sich Namen merken und damit sein Gegenüber ansprechen. Wichtig ist dabei der Augenkontakt. Dazu gehört, dass Navel über dreidimensionale Augäpfel verfügt, denn „nur so kann man wirklich Blickkontakt herstellen“, erläutert Toussaint.
Und wie funktioniert die soziale Kommunikation vonseiten der Maschine genau? Über eine Kamera wird ein Bild vom Gegenüber erzeugt, das über Algorithmen grafische Elemente analysiert, um das Gesicht und die für die Emotion wichtigen Gesichtsmerkmale wie Augenbrauen oder Lippen aufzufinden.
Dann wird aus dem Bild errechnet, ob und welche Muskeln beim Menschen angespannt sind. Da aus vielen Studien bekannt ist, bei welcher Emotion welche Muskeln aktiv sind, kann auch der Roboter errechnen, welche Emotion sein Gegenüber in diesem Moment aller Wahrscheinlichkeit nach hat.
Bei Navel Robotics glaubte man vor ein paar Jahren noch, dass soziale Roboter nie die soziale Intelligenz von Menschen aufweisen könnten. Realistisch sei höchstens das Erreichen „eines sozialen Kompetenzniveaus eines Haustieres wie etwa einer Katze oder eines Hundes“.
„Mehr als nur ein totes Produkt“
Inzwischen aber sei angesichts der rasanten Entwicklung von Sprechmodellen nicht mehr absehbar, wohin die technische Entwicklung noch führe. „Wir glauben damit eine Art Roboter-Wesen schaffen zu können, welches zwar kein Bewusstsein besitzen wird wie ein Tier oder Mensch, das aber doch mehr ist als nur ein totes Produkt“, heißt es dazu auf der Homepage von Navel Robotics.
Der Roboter ist laut der Firma „ein Artefakt vergleichbar einem Charakter eines Animationsfilms, jedoch materialisiert und interaktiv, das durch seine soziale Intelligenz dem Menschen eine angenehme Gesellschaft leisten und Wohlbefinden durch Resonanz schenken kann“. Das meint, zwar ist der Roboter kein lebendiges Wesen, er kann aber wie der Filmstar auf der Leinwand Gefühle beim Gegenüber erzeugen.
Schreitet die künstliche Intelligenz weiter voran, wird nicht nur in den Pflegeheimen in München ein sozialer Roboter wie Navel für Unterhaltung bei den Senior*innen sorgen, intelligente Sprachsysteme werden dann auch in Kühlschränken oder in Autos zur Normalität werden. Vielleicht bringt man den Robotern dann sogar den bairischen Dialekt bei. (Rudolf Stumberger)
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