Das Wandern mit Schneeschuhen begeistert immer mehr Leute. Auch die Touren von Klaus Feldbauer liegen hoch im Kurs. Der Niederbayer führt auf geheimen Pfaden durch unberührte Wälder, hat aber auch Besonderes im Programm: Prosecco-Touren für einen Mädels-Ausflug etwa. Ein großer Vorteil des Sports: Ob jung, alt, fit oder weniger trainiert – hier kommen alle auf ihre Kosten.
Schrapp, schrapp, schrapp. Leise kratzt es über das noch unberührte Weiß. Ein unermüdlicher Viervierteltakt – hervorgerufen von elf Paar Schneeschuhen, die quer durch den verschneiten Winterwald von Sankt Englmar ihre Spur ziehen. Elf Neulinge versuchen sich zusammen mit Guide Klaus Feldbauer in einer absoluten Trendsportart: dem Schneeschuhwandern. Der Atem der Kursteilnehmer*innen bildet kleine Wölkchen zwischen den Tannen, und die Gesichter sind ausnahmslos glücklich-konzentriert. Die Beliebtheit der Sportart nimmt seit Jahren zu und hat seit der Corona-Pandemie ihren Höhepunkt erlebt, weiß Klaus Feldbauer. Auch seine Touren heuer stehen hoch im Kurs.
Ein Vorteil des immer beliebter werdenden Sports: Ob jung, alt, fit oder weniger sportlich – das Wandern im ruhigen Weiß hat für alle etwas zu bieten. Dazu kommt – ein großer Pluspunkt gerade in der Pandemie: Man erlebt die Natur abseits des Rummels auf den Skipisten.
Die Ausrüstung ist günstig – und hält ein Leben lang
Schneeschuhwandern also. Gehört hat das kleine Grüppchen, das sich in Grün in der Gemeinde Sankt Englmar im Landkreis Straubing-Bogen am Fuße des Skilifts in andächtiger Stille im Halbkreis vor Klaus Feldbauer versammelt hat, ja schon öfter davon. Aber probiert hat es noch keiner. Ein gewisser Respekt herrscht deshalb vor. Also packt Feldbauer erst einmal sein Wissen aus und schwenkt eines der Sportgeräte erklärend in der Luft. Im Hauptberuf ist er Polizist. Der 54-Jährige aber ist auch passionierter Läufer, Skater, Langläufer und Wanderer – und er kennt die Region rund um das höchstgelegene Bergdorf des Bayerischen Waldes wie seine Westentasche. Und so will er seine Begeisterung für Sport und Berge auch anderen vermitteln.
Die Truppe, die sich an diesem Morgen mit Feldbauer trifft, ist bunt zusammengewürfelt. Bis aus Regensburg kommen welche. Bei winterlicher Kälte bricht Feldbauer gleich das Eis: Es herrscht das kollektive Du. Feldbauer erklärt die Technik des Schneeschuhgehens und den Einsatz der Stöcke. Wichtig sei, beim Bergabgehen die Ferse einzusetzen, um nicht ständig den Schnee von den Schuhen schnippen zu müssen, sagt er. Denn das würde auf Dauer anstrengend. Und beim Gehen müssten die Beine etwas weiter auseinander als beim Wandern, da die Schneeschuhe mehr Fläche haben. Man will sich ja schließlich nicht selbst in die Eisen steigen. Zu weit sollten die Knie aber auch nicht auseinander, sonst gibt’s Muskelkater.
So weit zur Theorie – dann geht’s los: Der Guide zeigt, wie man die Geräte an die Füße schnallt. Am besten an festen Winter- oder Wanderschuhen. Wo es hakt und hängt, hilft Feldbauer. Dann geht es erst mal bergauf auf den Pröller. Dass es später auch bergab gehen wird, ist beim Wandern eigentlich logisch. Der Teamleiter stellt es als Trost aber gleich mal in Aussicht.
Vorsichtig stakst die Gruppe durch den Schnee und absolviert die ersten Meter. Ganz schön komisch fühlt sich das zunächst an mit diesen großen Gestellen an den Füßen. Schwer sind sie eigentlich nicht, und doch nimmt man sie erst einmal als Fremdkörper wahr. Die Winderwander-Neulinge sind dennoch schnell begeistert: Die Schneeschuhe liegen super auf dem tiefen, frisch gefallenen Pulverschnee – und anders als mit Winterschuhen sinkt man viel weniger ein.
Ebenfalls ein großer Vorteil des Sports: Schneeschuhe sind in der Regel viel günstiger als Skier. „Und sie halten meist ein Leben lang“, betont Feldbauer. Außerdem müsse man nicht viel üben, um loslaufen zu können. Und man könne anders als zum Beispiel beim Langlaufen jederzeit umkehren.
Zunächst geht es weiter den Berg hoch. Die vielen Spuren im Schnee zeugen von den Menschen, die hier schon zuvor gelaufen sind. Dann aber biegt der Bergfex ab in den Wald. Mit Gemeinde und Waldbesitzern ist das abgesprochen, auf die Pflanzen und Tiere wird Rücksicht genommen. Und nun liegt vor der Truppe ein unberührter Pfad aus Pulverschnee. Entlang des Weges stehen Tannen, die wie große Wichtel aussehen mit ihrer Mütze aus Schnee. Es herrscht atemlose Stille. Die märchenhaft erscheinende Tour macht Eindruck auf alle. In einiger Entfernung springt ein Reh durch den Wald. Feldbauer muss gar nicht mehr erklären, was für ihn der größte Reiz des Schneeschuhwanderns ist: auf unberührten Wegen die Ruhe zu genießen. Und die Natur.
Joggen mit Schneeschuhen: auch das geht
Der Weg schraubt sich immer weiter hoch. Feldbauer blickt sich stets prüfend um: Der schwächste Teilnehmer bestimmt das Tempo. Wer nicht mehr kann, der nennt die Zauberlosung, die die Truppe stoppt: „Ich hab Materialschaden.“ An diesem Tag aber kommt sie nicht zum Einsatz. Nur kurz kommt die Karawane ins Stocken, als ein kleiner Bach überquert werden muss.
Komplett ohne Anstrengung ist das Schneeschuhwandern nicht. Ein wenig Fitness sollte mitgebracht werden, vor allem wenn es wie mit Feldbauer ziemlich weit hoch auf den Pröller geht. „Noch 200 Meter“, ruft er motivierend. Und an der Wanderereinkehr Prellerhaus angekommen, pustet sich doch so mancher eine verschwitzte Haarsträhne aus der Stirn. Elf Paar Schneeschuhe sinken vor der Hütte sachte zu Boden – und an der Türschwelle werden die Wanderschuhe abgeklopft.
Gemütliche Bayerwald-Gastlichkeit umfängt die Wanderer in der mit hellem Holz ausgekleideten Einkehr. Nach dem Aufstieg schmeckt ein Schluck Weißbier besonders, und schon nach ein paar Minuten dampfen die Weißwürste auf den Tellern. Denn eines ist Feldbauer wichtig: Er will Bewegung mit Genuss verbinden. „Ich möchte trotz aller Anstrengung jedem ein Lächeln ins Gesicht zaubern“, betont er. Und dazu fällt dem Englmarer immer wieder etwas Neues ein. So gibt es in diesem Winter zum Beispiel Prosecco-Touren – für Mädels, die kein Bier mögen.
Für sich selbst hat Feldbauer das Schneeschuhwandern bereits 2008 entdeckt. Damals wurde in Sankt Englmar jemand gesucht, der dafür Kurse anbietet. „Sonst hatte im Dorf keiner Lust, also hab ich es gemacht“, sagt er schmunzelnd. Also hat er sich Schneeschuhe angeschafft, die er bei seinen geführten Wanderungen verleiht. Die dreistündige Weißwurst-Tour zum Beispiel ist für 39 Euro zu haben – inklusive Verpflegung und Ausrüstung.
Nach der wohltuenden Pause geht es wieder bergab. Wer mag, kann ein paar Hundert Meter mit den Schneeschuhen den Berg hinunterjoggen. Nicht nur die Sportlichen geben alles, auch die Vorsichtigen lassen sich mitreißen. Nach 30 Minuten ist der Ausgangspunkt erreicht. Die drei Stunden an der frischen Luft sind für sie wie im Flug vergangen. „Ihr seid die beste Gruppe an diesem Vormittag“, sagt Feldbauer mit einem listigen Augenzwinkern., schickt dann aber gleich hinterher: „Nein, Schmarrn, ihr seid wirklich alle top.“
(Melanie Bäumel-Schachtner)
Foto: Bevor es losgeht, hilft Klaus Feldbauer beim Anziehen der Schneeschuhe.
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