Leben in Bayern

Bislang dem männlichen Geschlecht vorbehalten: Wer beim Memminger Fischertag die größte Forelle fängt, darf ein Jahr lang den Titel des "Fischerkönigs" tragen. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

31.08.2020

Ein "Tick mehr Gleichberechtigung"

Männer dürfen sich "Fischerkönig" nennen. Frauen nur als "Kübelmädle" die gefangenen Fischen bewachen. Nun fällt zum Memminger Fischertag ein wichtiges Urteil. Das könnte Folgen für Männer-Traditionen in anderen Vereinen haben

Seit Jahrhunderten dürfen Frauen nicht beim Ausfischen mitmachen - jetzt soll auch beim traditionellen Memminger Fischertag die Gleichberechtigung Einzug erhalten. Der Ausschluss von Frauen aus der Gruppe der Stadtbachfischer durch den veranstaltenden Verein sei eine unzulässige Diskriminierung, urteilte das Amtsgericht in Memmingen am Montag. Geklagt hatte ein weibliches Mitglied. Ob der Verein das Urteil akzeptiert, ist allerdings fraglich. Es ist noch nicht rechtskräftig (Az. 21C952/19).

Zum Fischertag kommen jedes Jahr Zehntausende Besucher in die Stadt im Allgäu. Hunderte Männer springen dabei in den Stadtbach, um mit Keschern den schwersten Fisch zu fangen und "Fischerkönig" zu werden. Teilnehmen dürfen laut Satzung des Fischertagsvereins aber nur Männer und Jungen ab sechs Jahren, die seit mindestens fünf Jahren in Memmingen wohnen und eine Prüfung ablegen. Frauen blieb die Rolle vorbehalten, als "Kübelmädle" am Rand Wasserkübel für die gefangenen Fische zu bewachen.

Sollte das Urteil Rechtskraft erlangen, könnte es auch über Memmingen hinaus Folgen haben. Richterin Katharina Erdt betonte, eine männliche Tradition allein sei bei einer Veranstaltung mit herausragender Bedeutung kein zulässiger Grund für Diskriminierung. Der Fischertagsverein mit rund 4500 Mitgliedern habe eine besondere soziale Machtstellung in der Stadt und müsse sich an den Grundsatz der Gleichbehandlung im Grundgesetz halten.

Männer beriefen sich auf die Vereinsfreiheit - vergebens

Damit folgte das Amtsgericht der Argumentation der Klägerin. Das Urteil habe eine grundsätzliche Bedeutung, betonte deren Anwältin Susann Bräcklein. Vereine seien damit ans Diskriminierungsverbot im Grundgesetz gebunden. "Wir hoffen auf eine Ausstrahlungswirkung auf andere Vereine und gesellschaftliche Bereiche", sagte Bräcklein. "Der Weg war sehr lang, der Widerstand sehr groß."

Die Klägerin aus Memmingen hatte vor dem Prozess zweimal beantragt, durch eine Änderung der Vereinssatzung auch Frauen die Teilnahme am Stadtbachfischen zu ermöglichen. Beide Male stimmte eine große Mehrheit der Delegiertenversammlung dagegen. Das Urteil des Amtsgerichts bedeute "einen Tick mehr Gleichberechtigung", sagte die Klägerin nach der Verkündung. Sie freue sich, dass ihr Verein damit im 21. Jahrhundert ankomme.

Der Fischertagsverein hatte den Ausschluss von Frauen vom Höhepunkt des Volksfests mit der Wahrung eines jahrhundertealten Brauchtums begründet und sich auf die Vereinsfreiheit berufen. Das Ausfischen des Stadtbachs sei stets Männern vorbehalten gewesen, Frauen könnten sich in jeder anderen Untergruppe des Vereins engagieren.

"Wir sind über das Urteil verwundert", sagte Vereinsvorsitzender Michael Ruppert nun. "Die Autonomie von Vereinen sehen wir dadurch deutlich eingeschränkt." Über das weitere Vorgehen wolle man nach der schriftlichen Urteilsbegründung in den Vereinsgremien entscheiden. "Das Thema wurde in den vergangenen Jahren in Memmingen emotional diskutiert und hat die Menschen in der Stadt gespalten", sagte Memmingens Oberbürgermeister Manfred Schilder (CSU). Zumindest er ist überzeugt: "Glücklicherweise ist diese Diskussion nun beendet."
(Frederick Mersi, dpa)

Deutsche Männerbastionen
Frauenquote, Gender Pay Gap und gendergerechte Sprache: Die Gleichstellung von Frauen ist ein präsentes Thema. Dennoch gibt es noch immer Bereiche unserer Gesellschaft, in denen Frauen gar nicht vorkommen. Nicht nur bei den Memminger Stadtfischern.

BREMER EISWETTE
Auch das Eiswettfest in Bremen ist noch frauenfrei. Dabei wird traditionell die Frage geklärt, ob die Weser zugefroren ist oder nicht. Die Eiswett-Genossen und ihre Gäste kommen dann am dritten Samstag im Januar zum Eiswettfest zusammen. Als eine Frau einen Mann in der Runde ersetzen sollte, erhitzte das die männlichen Gemüter. Die damalige Bürgermeisterin Karoline Linnert (Grüne) konnte den damaligen Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) nicht offiziell vertreten.

JUNGS UNTER SICH
Auch im Knabenchor haben Mädchen schlechte Chancen: Im Sommer vergangenen Jahres scheiterte die Klage einer Rechtsanwältin, mit der sie ihre Tochter in den Staats- und Domchor Berlin bringen wollte. Das Recht auf Kunstfreiheit überwiege bei der Entscheidung des Chors, das Mädchen abzulehnen, befand das Gericht.

ERSTER MANN IM STAAT
Sie hießen Joachim, Christian, Horst, Johannes oder Roman. Aktuell nennt er sich Frank-Walter Steinmeier. Bei den deutschen Bundespräsidenten reihen sich Männernamen aneinander. Frauen gab es bisher keine, Möglichkeiten aber schon. 2004 und 2009 etwa kandidierte die Sozialdemokratin Gesine Schwan - allerdings erfolglos.

MÄNNER GOTTES
Der hartnäckigste Männerberuf - nicht nur in Deutschland - ist wohl noch immer das katholische Priesteramt. "Jesus hat bewusst nur Männer als Apostel berufen, als Stammväter des neuen Israel", sagte der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer noch voriges Jahr. Protestbewegungen sprechen sich immer wieder für eine Gleichstellung aus.

SPITZEN IM SPITZENSPORT
Die Fußball-Bundesliga spielt getrennt nach Frauen und Männern. Aber muss das auch für die Chef-Etagen gelten? Trainer, Manager und Präsidenten der Bundesliga sind allesamt männlich. Und auch die Vertreter der Landesverbände des DFB sind frei von Frauen. Das Bild ändert sich nur langsam: So pfeift etwa Bibiana Steinhaus als Unparteiische Spiele der Männer-Bundesliga.

SPITZEN IM KONZERN
Auch in deutschen Unternehmen fehlen Frauen in höhere Posten. In den 160 Konzernen, die in den Börsenindizes Dax, MDax und SDax gelistet sind, arbeiten Stand 1. Januar 2020 insgesamt 64 Managerinnen im Vorstand, wie aus einer Auswertung des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY hervorgeht. Ihnen sitzen 633 Männer gegenüber. 66 Prozent der Unternehmen sind sogar gänzlich in Männerhand.
(dpa)

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