Leben in Bayern

Überwacht die Bauarbeiten: Ingenieur Michael Emberger mit einer noch verpackten Gondel. (Foto: Flora Jädicke)

27.07.2018

Eine neue Ära am Jenner

Am 4. August wird die völlig neue Jennerbahn zum Teil eröffnet – die erste Zehner-Gondel bricht dann von der Tal- zur Mittelstation auf

Im März 2017 zuckelte die „alte Lady“, die kleine nostalgische Zweier-Gondel der Jennerbahn, zum letzten Mal ins Tal hinunter. Nach 64 Jahren wurde sie damals mit Blasmusik aufs Altenteil geschickt. Viele sind seit ihren Kindertagen mit der „Zweier auf den Jenner rauf“, sagt die Taxifahrerin auf dem Weg nach Berchtesgaden. „Das tat einigen schon weh.“

Die Anlage der Jennerbahn wird komplett neu gebaut. 1953 wurde das Skigebiet gegründet. Mit anspruchsvollen Pisten und traumhaft gelegen zwischen Watzmann, Grünsteinberg und Jenner. Zuletzt wurde der Komplex in den 1970er-Jahren saniert.

Die Sonne steht hoch an diesem Tag und dennoch verhüllen dunkle Wolken Watzmann und Jenner. Sie lassen die inzwischen weitgehend aufgeräumten Baustellen an Tal- und Mittelstation in einem futuristischen Licht erscheinen. Der für das traditionelle Umfeld gewagte Entwurf erntete nicht nur Lob. Wie bei allen Projekten dieser Art, habe es auch viel Dialogbedarf gegeben, sagt Michael Emberger. Das sei völlig normal. Der Ingenieur und Vorstand der Berchtesgadener Bergbahn AG überwacht die Bauarbeiten. „Die Bahn zu sanieren war wirtschaftlich schlichtweg unsinnig“, sagt er.

Am 4. August nun wird die neue Jennerbahn teileröffnet, zwischen Tal- und Mittelstation fahren dann moderne Zehner-Gondeln. Über Monate hinweg dröhnte der Baulärm durch die Berchtesgadener Alpenwelt. Schweres Gerät bohrte sich in den Fels. Die alte Bahn wurde abgeräumt, neue Plattformen errichtet – etwa für die weitläufige Gipfelstation. Tonnenschwere Stützen, Seile und andere Komponenten wurden zum Teil mit Hubschraubern am Berg montiert. Die Wohncontainer an der Mittelstation stehen noch. Das Material aber ist längst abgeräumt. Probleme habe es keine gegeben, sagt Emberger. In den 1950er-Jahren habe man zum Glück gutes Material verbaut, ohne Problemstoffe.

38 Streckenstützen wurden entfernt. Nur 18 Seilstützen benötigt die neue Bahn noch. Auch die Seilführung sei nun optimal. „Heute fährt niemand mehr Eisen auf Eisen“, so Emberger. Die neue Bahn hat gummigestützte Rollen. Dadurch würde sie leiser, auch würde weniger Wärme entwickelt.
Bei der Gelegenheit wurde auch die kleine Jennerwiesenbahn neu gestaltet. Sie wurde vom sensiblen Randgebiet des Nationalparks und einem anspruchsvolleren Teil des Skigebiets nach weiter unten zwischen Tal und Mittelstation verlegt. Eine überfällige Entscheidung. Denn so ist der angrenzende Nationalpark geschützt. Außerdem entzerrt sich der Skibetrieb. Weniger versierte Skifahrer und Familien mit kleinen Kindern kamen im schwierigen Terrain oberhalb der Mittelstation selten auf ihre Kosten. Sie sollen sich künftig sicher und wohl fühlen.

47,7 Millionen Euro kostet das Großbauprojekt. Als Motor hinter dem Neubau gelten drei millionenschwere Investoren aus dem österreichischen Pongau. Laut Medienberichten sollen sie 61 Prozent der Kosten tragen. 10,5 Millionen Euro kommen indes von der Regierung Oberbayern, erklärt Emberger. 95 Prozent der Aktien werden von Aktionären aus dem Talkessel gehalten, fügt er hinzu. „Anders könnte die Berchtesgadener Bergbahn AG das Projekt gar nicht stemmen.“
Inzwischen kann man sich Latte macchiato im Bistro der völlig neu gebauten Talstation bestellen. Modernes Alpenchalet-Design erwartet die Gäste. Die Architektur der neuen Jennerbergbahn hebt sich markant von ihrem traditionell geprägten Umfeld ab. Sie erinnert eher an die moderne und puristische Holzbaukunst aus dem Vorarlberg als an traditionelles Hüttenambiente.

Streit mit Naturschützern verzögert die Bauarbeiten

„Die drei Stationen liegen auf einer Sichtachse und passen sich hervorragend in die Landschaft ein“, sagt Emberger. Die Fassade ist aus Stahl in „Perlmausgrau“ gehalten. Design und ein harmonischer Dialog mit der Natur seien den Architekten wichtig gewesen. „Wir wollen hier am Berg ja kein Disney World, sondern Niveau, mehr Raum, Komfort und zukunftsweisende Technik, sagt er. Viel Wert legten die Bauherren deshalb auf „nachhaltige Energiekonzepte und zukunftsorientierte Nutzung der Bergbahn“. Sie ist barrierefrei.

Der Antrieb der Seilbahn kommt ganz ohne Öl aus. „Das Problem Altöl gibt es damit nicht mehr“, so Emberger. Dafür wird überschüssige Wärme als Energie in den internen Stromkreis eingespeist. 75 Prozent Antriebsenergie lassen sich so bei Normalbetrieb einsparen.

Die Gipfelstation bleibt an diesem Tag in dichten Wolken. Sie soll zur Wintersaison 2018/19 fertig sein. Die Bauarbeiten kommen nur schleppend voran. Schuld war der starke Wintereinbruch, erklärt Emberger. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Über Wochen und Monate tobte ein Streit mit dem Bund Naturschutz. Kurz vor Weihnachten hatte der am Münchner Oberlandesgericht einen Baustopp in zwei Eilanträgen erwirkt. Grund waren unter anderem die starken Eingriffe in die Brutgebiete von Birkhühnern und die Verwendung von Streusalz auf Teilen der Baustraße im Nationalpark.

Inzwischen hat man sich geeinigt. Emberger sagt dazu nichts. Er lobt lieber die vorbildliche Verbindung von Arbeit, Freizeit und Natur. Sie soll ihren Niederschlag künftig in der Ausstellung „Fels und Stein“ an der Gipfelstation finden, eine Kooperation mit dem Nationalpark.
(Flora Jädicke)

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