Leben in Bayern

Feuerwehr auf der A9 bei Münchberg: 18 Menschen starben vor gut einer Woche bei einem Busunglück. (Foto: dpa)

11.07.2017

Einsatz auf dem Asphalt

Brände, Unfälle, Schwerverletzte, Tote - freiwillige Feuerwehren entlang der Autobahnen sind großen Belastungen ausgesetzt. Ein Flammeninferno wie auf der A9 ist zwar die Ausnahme, doch fast täglich kommt es irgendwo in Bayern zu schweren Unfällen

Die Autobahn ruft immer wieder. Wer in der oberfränkischen Stadt Münchberg in die freiwillige Feuerwehr eintritt, weiß, dass die meisten Einsätze auf der A9 spielen werden. Dort, wo zahllose Autos, Lastwagen und Busse auf insgesamt sechs Spuren zwischen München und Berlin unterwegs sind. Die Helfer müssen dort Brände löschen oder Menschen mit Rettungsspreizern aus ihren Unfallfahrzeugen befreien. Ein Job, der oft an die Grenzen geht. Oder darüber hinaus. "Einsätze auf der Autobahn gehören für uns dazu", sagt Andreas Hentschel von der Feuerwehr Münchberg. Der Satz klingt nüchtern. Hentschel macht eine Pause. Er spricht den Satz nur Stunden nach der verheerenden Brandkatastrophe mit 18 Toten in einem Reisebus aus. "Aber das hier ist eine ganz andere Dimension."

Die Einsatzkräfte der Feuerwehr Münchberg waren die ersten am Brandort. Der Bus stand da schon lichterloh in Flammen, es hatte sich eine unerträgliche Hitze entwickelt. Alle Politiker, die sich öffentlich zu dem Unglück äußerten, lobten den Einsatz der Rettungskräfte. Denn die Feuerwehrleute blieben auch am Unfallort, als es für sie eigentlich nichts mehr zu tun gab. Sie unterstützten die Polizei bei der Spurensicherung und beim Bergen der Todesopfer. Um mit der psychischen Belastung fertigzuwerden, stand den Einsatzkräften danach ein sogenanntes SBE-Team zur Seite, wie Hentschel erläutert. SBE steht für Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen.

Welche Feuerwehr alarmiert wird, wenn auf der Autobahn ein Unfall geschieht oder ein Feuer ausbricht, ist genau geregelt. Die Landkreise haben für jeden Autobahnabschnitt auf ihrem Gebiet einen Alarmplan erstellt. Die integrierten Leitstellen, die für die Alarmierung zuständig sind, wissen, welche Wehr welche Ausstattung hat.

Die psychische Belastung ist groß

Feuerwehren an Orten entlang der Autobahn sind speziell ausgestattet, wie Alfons Weinzierl, Geschäftsführer des bayerischen Landesfeuerwehrverbandes sagt. Neben technischen Geräten, um Unfallopfer aus ihren Wracks zu schneiden, sei auch ein Wagen zur Verkehrsabsicherung notwendig. Es gebe hierfür auch staatliche Zuschüsse. Denn für die Ausstattung der Wehren sind eigentlich die Kommunen verantwortlich. Doch nicht jede Gemeinde oder Stadt kann das problemlos stemmen.

In den vergangenen Jahren sei die Zahl der Einsätze im Straßenverkehr gestiegen, hat Weinzierl beobachtet. 2015 gab es laut Innenministerium lediglich 17 000 Brandeinsätze. Für die technische Hilfeleistung im Straßenverkehr rücken die Wehren in Bayern dagegen jährlich zwischen 10 000 und 12 000 Mal aus, rechnet Weinzierl vor. Hierbei geht es zwar auch manchmal nur darum, eine Ölspur zu beseitigen, doch oft müssen die Helfer auch Verletzte oder gar Tote aus Fahrzeugwracks bergen. "Die psychische Belastung ist nicht zu unterschätzen", betont er.

Denn da ist zunächst einmal die Ungewissheit: Was genau wird einen erwarten, wenn man zu einer Unfallstelle gerufen wird? "Der Adrenalinspiegel steigt jedes Mal, wenn der Piepser losgeht", sagt ein Mitglied der Feuerwehr Hohenschäftlarn (Landkreis München). Die Feuerwehrleute dort kommen auf rund 350 Einsätze pro Jahr. Sie sind verantwortlich für einen Abschnitt der Autobahn 95 zwischen München und Garmisch-Partenkirchen, wo es keine Geschwindigkeitsbegrenzung gibt. "Jeder Einsatz ist anders, es gibt keine Routine", erzählt der erfahrene Feuerwehrmann. Deshalb werde beispielsweise die Rettung eines Menschen aus einem Fahrzeugwrack immer wieder geübt - mit strengen Zeitvorgaben: "Das geht in Fleisch und Blut über."

Arbeitgeber müssen ehrenamtliche Feuerwehrleute freistellen

Nachwuchssorgen hat die Feuerwehr in dem oberbayerischen Ort nicht. Ein Problem sei aber, tagsüber genügend Einsatzkräfte zu mobilisieren, da die meisten bei ihren Arbeitsstellen in München seien. Das beobachtet auch Weinzierl vom Feuerwehrverband. "Wir sind zwar in der glücklichen Lage, genug Mitglieder zu haben", sagt er. Jedoch seien viele gerade tagsüber als Pendler unterwegs.

Immerhin: Wer dennoch in seiner Arbeitszeit für die Feuerwehr im Einsatz ist, muss dafür von seinem Arbeitgeber freigestellt werden. Die Kommune ist verpflichtet, dem Unternehmen dafür einen Ausgleich zu zahlen. Ein Sprecher des Innenministeriums lobt das große Engagement Ehrenamtlicher im Freistaat: "Ein so starker freiwilliger Einsatz für den Dienst in der Gemeinschaft ist deutschlandweit einzigartig."

In Bayern ist die Ausbildung für Feuerwehrleute genau geregelt. Es gebe, erläutert der Ministeriumssprecher, spezielle Lehrgänge wie "Technische Hilfeleistung" oder ein Seminar zum Thema "Verkehrsunfall mit Lkw". Genau gebrieft werden Einsatzkräfte auch zum Thema Verkehrssicherungsmaßnahmen.

Auf der A9 rollt der Verkehr nach dem Busunglück wieder. Nur die verkohlten Bäume an der Böschung zeugen noch von der Brandkatastrophe. Der beschädigte Asphalt soll in den kommenden Tagen erneuert werden. Die nächste Alarmierung aber kommt bestimmt. Und in ganz Bayern werden die Feuerwehren wieder hinausfahren an die Autobahnen. Die Motivation? "Helfen zu können", sagt der Hohenschäftlarner Feuerwehrmann. "Ich bin überzeugt, dass jeder sich einbringen und engagieren soll, wo er lebt. Und bei der Feuerwehr erlebt man eine sehr spezielle und direkte Art des Helfens."
(Kathrin Zeilmann, dpa)

INFO: Feuerwehren in Bayern
In Bayern sind etwa 313 000 Frauen und Männer in einer freiwilligen Feuerwehr aktiv. Dazu kommen noch Rettungskräfte in Werks- und Berufsfeuerwehren, so dass das Innenministerium 2015 insgesamt 323 000 Feuerwehrleute im Freistaat zählte.

Knapp 7700 freiwillige Feuerwehren gibt es demnach in Bayern. Darüber hinaus existieren sieben Berufsfeuerwehren in den großen Städten und 219 Werks- und Berufsfeuerwehren. In den vergangenen Jahren zugenommen hat die Zahl der weiblichen Feuerwehrkräfte - mehr als 27 000 Feuerwehrfrauen sind bereits im Einsatz. Die Ausstattung der freiwilligen Feuerwehren müssen die Kommunen finanzieren. Vom Freistaat wurden sie dazu im Jahr 2015 mit 33 Millionen Euro unterstützt.
(dpa)

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