Mitunter steckt darin das letzte Quäntchen Hoffnung: auf Kur gehen können, für ein paar Wochen weg sein, mal auftanken – danach wird es schon irgendwie weitergehen. Sie erlebe gerade „unglaublich viel Leid in der Beratung“, sagt Karina Hauck, die Müttern und Vätern beim unterfränkischen Kreisverband Haßberge des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) hilft, zu einer Kur zu kommen. Damit ist sie nicht alleine. Viele Beraterinnen aus Bayern berichten, dass Mütter dieser Tage oft vollkommen erschöpft sind.
In angenehmer Atmosphäre acht Stunden arbeiten, heimkommen, in Ruhe essen, sich dann ungestört auf dem Sofa räkeln und einen Krimi schauen, das ist für Frauen mit Kindern nicht drin. Karina Hauck berät Mütter, die ein ganzes Bündel an Problemen mit sich herumschleppen: „Sie sind am Ende ihrer Kraft.“
Hauck berät Mütter, pflegende Angehörige und Väter. Ständig klingelt außerdem das Telefon, weil sich Mütter nach einer Kur erkundigen. Vor Corona kam das nur ein- bis zweimal am Tag vor, jetzt sind es fünf oder sechs Anrufe am Tag. Hören die Frauen, wie lange sie auf einen Kurplatz warten müssen, bitten sie gar nicht mehr um einen persönlichen Beratungstermin. Die Suche nach einer Kureinrichtung, die zeitnah Platz hätte, verläuft meist im Sande. „Plätze stehen fast überall erst gegen Ende des Jahres zur Verfügung“, sagt Karina Hauck.
Seit knapp zwei Jahren sei die Situation „so extrem“. Dabei bräuchten viele Frauen dringend bald einen Platz. Besonders erschöpft sind nach Haucks Worten Frauen, die in sozialen Berufen arbeiten und daneben Kinder erziehen: „Zu mir kommen vermehrt Lehrerinnen, Ärztinnen, medizinische Fachangestellte, Kindergärtnerinnen und Richterinnen.“ Nicht zuletzt personelle Engpässe in diesen Berufen führten dazu, dass sich die Mütter seit Monaten wie im Hamsterrad fühlen.
Die Zähne zusammenbeißen, bis es eben nicht mehr geht
Von chronischer Überlastung der Mütter weiß auch Margarethe Aigner von der Kurberatung des Caritasverbands Freyung-Grafenau zu berichten. Insbesondere Frauen, die hoffen, möglichst schnell in eine Kur vermittelt zu werden, sind nach ihren Worten erschöpft und zum Teil depressiv. Sie stünden permanent unter Zeitdruck. Viele schlafen schlecht. Kürzlich beriet sie eine Mutter, die sich, da ihr Mann beruflich viel unterwegs ist, alleine um zwei Kinder und ihre Eltern kümmert. Auch diese Mutter, beschäftigt im öffentlichen Dienst, beschreibt sich als völlig am Limit. Dass es oft nahezu ein Jahr dauert, bis eine Kur angetreten werden kann, bringt zusätzlichen Stress mit sich, schildert Margarethe Aigner. Zudem seien die Bescheide der Krankenkassen nur für einen gewissen Zeitraum gültig: „In dieser Zeit ist es aber in der Regel unmöglich, einen geeigneten Platz zu erhalten.“ Die Betroffenen müssen meist einen Verlängerungsantrag stellen. Oft wird den Frauen auch nicht die Wahl gelassen, wohin sie zur Kur gehen möchten. „Bei vielen Krankenkassen werden die Kliniken vorgegeben“, sagt Aigner.
Bei der Caritas in Freyung wurde letztes Jahr 46 Mal beraten. Die Finanzierung der Beratungsstellen ist jedoch schwierig. Das bestätigt Karina Hauck. Einige Stellen hätten schon aufgeben müssen. Auch vor Martina Zawierta von der Kurberatungsstelle der Caritas in der Diözese Würzburg sitzen Frauen, die jahrelang die Zähne zusammenbeißen – bis irgendwann nichts mehr geht. Die Beraterin hatte es vor Kurzem zum Beispiel mit einer stark erschöpften, völlig überforderten Mutter zu tun, deren Mann suchtkrank ist. „Die Familie befindet sich in einer Ausnahmesituation, unter der auch die Kinder massiv leiden“, sagt sie. Abstand und eine Auszeit wären hier dringend erforderlich. Auch pflegende Angehörige wenden sich vermehrt an die Beraterin: „Leider fehlen derzeit ausreichend passende Kurkliniken gerade für diese Zielgruppe.“
Dass ausgebrannte Mütter wieder eine Chance sehen, ihren Alltag zu bewältigen, daran wird unter anderem im Haus am Kurpark des Paritätischen Wohlfahrtsverbands im unterfränkischen Bad Königshofen gearbeitet. Auf eine ganz normale Kur muss man laut Geschäftsführerin Evi Bindrim auch hier ein Jahr warten. Schneller geht es bei Schwerpunktkuren. Evi Bindrims Haus hat sich auf krebskranke Mütter, auf Mütter, deren Partner gestorben ist, sowie auf Mütter mit gravierenden Erziehungsproblemen fokussiert. In allen drei Feldern steigt die Nachfrage. Auf die psychologische Betreuung der Mütter wird großer Wert gelegt, dafür wird auch viel Geld ausgegeben. Prinzipiell muss finanziell jongliert werden, da Mutter-Kind-Kurhäuser nicht auskömmlich finanziert sind. Nur gut 100 Euro erhält sie pro Übernachtung: „Auskömmlich wären 230 Euro.“
Wie viel ein Kurhaus erhält, hängt laut Rebekka Rupprecht, Geschäftsführerin des Deutschen Müttergenesungswerks (MGW), vom jeweiligen Bundesland ab. Tagessätze für Kliniken im MGW-Verbund lägen durchschnittlich bei etwa 95 Euro. Rehas, die von der Rentenversicherung getragen werden, würden hingegen meist mit 160 Euro am Tag refinanziert.
Dem Müttergenesungswerk gehören in Bayern zehn Kliniken von Wohlfahrtsverbänden mit rund 400 Plätzen für Mütter und Väter sowie rund 300 Plätzen für Kinder an. Die Häuserzahl ist relativ konstant. 2018 schloss zwar eine Klinik, so Rebekka Rupprecht: „2016 und 2020 konnten aber zwei Kliniken in den MGW-Verbund aufgenommen werden.“ Außerdem gibt es bayernweit derzeit 109 Beratungsstellen im Verbund des Müttergenesungswerks. Die Beratungsgespräche in diesen Anlaufstellen stiegen laut MWG von 2019 bis 2023 um 44 Prozent an. (Pat Christ)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!