Leben in Bayern

Nicht zu erkennen: Roland Feldmeier völlig bedeckt von Fichtenzweigen. (Foto: mel)

02.06.2017

Er grünt so grün

Der Pfingstl von Sankt Englmar marschiert am Montag wieder durch das Dorf

Die leichteste Aufgabe beim Englmarisuchen, dem traditionellen Schauspiel am Pfingstmontag in Sankt Englmar, hat Roland Feldmeier nicht. Auf seinen Schultern lastet enormes Gewicht – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn der 42-jährige Zahntechniker verkörpert heuer zum 13. Mal den Pfingstl, eine kuriose Gestalt aus der heidnischen Mythologie, quasi eine wandelnde Fichten-Figur. Feldmeier trägt beim Englmarisuchen ein Kostüm mit gut 20 Kilogramm durch die Gemeinde. Für ihn ist das Ehrensache: „Schließlich ist das der größte Feiertag in meinem Heimatort“, betont Feldmeier.

Die Vorbereitungen für den Pfingstl beginnen bereits am Vortag, dem Pfingstsonntag. Dann schlüpft Feldmeier in einen Arbeitsanzug und muss Standfestigkeit beweisen. In mühevoller Arbeit stecken seine Helfer jede Menge Schnüre an den Anzug, an die sie dann Fichtenzweige binden. Auch Feldmeiers Hut wird mit Zweigen bedeckt. Am Ende wird nicht einmal mehr das Gesicht zu sehen sein: Der Familienvater wird aussehen wie eine wandelnde Fichte. Wieder ausgezogen wird das Kostüm so drapiert, dass Feldmeier am nächsten Tag nur noch hineinschlüpfen muss.

"Ich kann mich stundenlang nicht kratzen"

Am Pfingstmontag aber wird es richtig strapaziös: Nur durch einen ganz kleinen Spalt sieht Feldmeier, wohin er sich bei der Prozession bewegt. „Und ich kann mich stundenlang nicht kratzen“, klagt er.
Seit über 160 Jahren suchen die Englmarer, Bewohner des höchsten Bergdorfes im Bayerischen Wald, an Pfingsten symbolisch ihren Ortspatron, den seligen Englmar. Der Legende nach hat ihn ein Gefährte um die Weihnachtszeit des Jahres 1100 aus Neid erschlagen und den Leichnam mit Schnee und Reisig bedeckt. Erst zu Pfingsten fand ihn ein Priester, ließ den Leichnam zu Tal bringen und bestatten. Und so gedenken auch heute noch die Menschen in Sankt Englmar in historischen Gewändern an Pfingsten ihrem Volksheiligen: Sie bergen den Leichnam, eine Holzfigur, feiern einen Gottesdienst und bringen Englmar im Pferdewagen zurück in den Ort.

Der Pfingstl ist erst seit 1946 mit dabei. Ihn umgeben bei der Prozession sogenannte Pfingstltuscher: Junge Männer mit Goaßln, die laut in die Luft schnalzen, um den Winter endgültig zu vertreiben. Der Pfingstl ist die einzige heidnische Figur in dem Festzug – er steht für den einkehrenden Frühling und die Fruchtbarkeit.

1995 schlüpfte Roland Feldmeier zum ersten Mal in das unbequeme Kostüm. „Ich bin dazu gekommen, weil ich im Wirtshaus den Mund zu weit aufgerissen habe“, erzählt er. „Damals habe ich gesagt, dass die Aufgabe ja wohl nicht so schwer sein kann.“ Und schon hatte er den Job an der Backe. „Er ist nicht sehr beliebt“, sagt Feldmeier, der sich immer wieder mit anderen Freiwilligen abwechselt. Dabei hat der Job durchaus auch seine positiven Seiten: „Es ist schön, wenn die Kinder mich mit großen Augen anschauen und ein wenig Respekt vor mir haben“, sagt Feldmeier. „Und ich bin ein beliebtes Fotomodell – auch wenn man von mir selber nichts sieht.“ (Melanie Bäumel-Schachtner)

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