Leben in Bayern

Die Schokoladenherzen für das Oktoberfest kommen aus der Schokoladenmanufaktur Fesey in Riemerling. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

15.09.2016

Flammende Herzen

Lebkuchenherzen haben Schokoherzen in rotem Zellophan fast komplett von der Wiesn verdrängt. Eine Schokoladenmanufaktur stellt die Flammenherzen trotzdem noch her - inzwischen steigt sogar die Nachfrage wieder

Routiniert greift die Mitarbeiterin zu einem roten und einem durchsichtigen Zellophanpapier vor ihr auf dem Tisch. Vorsichtig legt sie das mit Stanniolpapier umwickelte Schokoherz darauf, platziert zwischen rotem und transparentem Bogen einen Minimaßkrug, zieht alles so glatt wie möglich und bindet die Folien oberhalb des Herzens wie ein Geschenk zusammen. Schleife drauf, Firmenaufkleber dazu, Aufhangband dran und fertig ist das Herz - ein Flammenherz, wie es auch genannt wird.

Rund 30 000 bis 40 000 dieser Schokoherzen entstehen so in Handarbeit jährlich in der Schokomanufaktur Fesey in Hohenbrunn bei München. Ein Bruchteil dessen, was früher hergestellt wurde - da war waren es teilweise bis zu zehnmal so viele. Denn das Flammenherz hat einen Feind: Das Lebkuchenherz. "Ende der 90er-Jahre ist der Trend ganz massiv zu den Herzen aus Lebkuchen gegangen, die Schokoherzen haben sich kaum noch verkauft - sowohl auf der Wiesn als auch auf anderen Volksfesten", sagt Fesey-Geschäftsführer Hugo Seybold.

Gemeinsam mit seiner Frau führt Seybold das Familienunternehmen in dritter Generation. Seine Großeltern hatten es 1933 als Feinbäckerei gegründet. Inzwischen werden in dem Münchner Vorort vor allem Schokoladenfiguren herstellt. Die ersten Flammenherzen für Volksfeste wurden kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gegossen, zwischenzeitlich gab es in Bayern vier Mitbewerber. Die Herzen, die wahlweise mit Aufklebern und Sprüchen oder kleinen Anhängern, wie dem Münchner Kindl, einem Maßkrug oder einem Minikuscheltier verziert werden, verkauften sich gut, "in der Volksfestzeit haben wird zu Spitzenzeiten auch in Sonder- und Nachtschichten gearbeitet", sagt Seybold.

Inzwischen läuft die Produktion der Schokoherzen nebenher, die ehemaligen Mitbewerber haben sich alle zurückgezogen, Fesey ist alleine auf dem Markt. Warum die Herzen so unbeliebt wurden, kann Seybold nur erahnen: Zum einen ist da eben der Erfolg der Lebkuchenherzen und vielleicht die Angst, dass die Schokoherzen zu schnell schmelzen. Dabei wird gerade deswegen extra Zartbitterschokolade verwendet. Die wird nämlich erst bei 34 Grad flüssig, die Vollmilchvariante zerläuft schon bei 32 Grad.

Vor allem bei den Münchnern nach wie vor beliebt

Auch Claudia Gollwitzer hat den Rückgang der Schokoherzen beobachtet. Sie betreibt seit mittlerweile 40 Jahren einen Süßigkeitenstand auf dem Oktoberfest, früher hingen die Flammenherzen traubenweise an den Ständen - auch bei ihr. "Dann wurden die Lebkuchenherzen bunter, mit den vielen Sprüchen kreativer und sie sind vor allem auch billiger", sagt Gollwitzer. "Schade sei der Rückzug der Schokovariante schon, aber vor allem die Münchner würden sie nach wie vor kaufen.

Genau beziffern lässt sich der Schokoanteil an den Herzverkäufen nicht, über die Gesamtmenge wird laut einer Sprecherin der Stadt München keine Statistik geführt. Bei Gollwitzer ist ungefähr jedes zehnte verkaufte Herz noch aus Schokolade.

Für Seybold ist die Herstellung der Herzen im Wortsinne auch eine Herzensangelegenheit. "Sie aus dem Sortiment zu nehmen, kam nie in Frage. Wir haben einfach die Produktion runtergefahren und die Vielfalt etwas reduziert". In fünf verschiedenen Größen - von 12 bis 600 Gramm - werden die Herzen noch hergestellt. Bei den Aufklebern, mit den kurzen Sprüchen, wurde die Variation verringert. Dauerbrenner wie "I mog di" gehen aber immer.

Bereits Ende Juli wird es in der Produktion hektisch

Geliefert werden die Schokoherzen auf Volksfeste in ganz Bayern. Offenbar hat sich das Durchhaltevermögen gelohnt. Seit einem Tiefpunkt von unter 20 000 verkauften Herzen hat sich die Zahl seit 2010 verdoppelt. Der Grund: Die Einführung der Oiden Wiesn. Auf dem nostalgischen Volksfest neben dem Oktoberfest erinnert vieles an früher - und eben auch an die Flammenherzen. Seitdem steigt der Absatz wieder leicht.

Auch wenn die Schokoherzenproduktion in Hohenbrunn inzwischen nebenher läuft, wird es in dem 50-Mann Betrieb ab Ende Juli - kurz vor Beginn der Volksfestsaison - etwas hektischer. Denn wie die ehemaligen Mitbewerber setzt auch Fesey inzwischen verstärkt auf Lebkuchenherzen. Die Rohlinge werden eingekauft, die Beschriftung per Hand selbst gemacht. Zusätzliches Personal wird dabei aber kaum eingesetzt. "Für die schwierige Beschriftung sind Aushilfen nicht geeignet, das machen bei uns feste Mitarbeiter", sagt Seybold. "Nur für so Dinge wie Bändereinfädeln holen wir uns kurzfristig Hilfe".

Aufgeatmet nach der Volksfestzeit wird bei Fesey aber nur kurz. Dann steht schon die Weihnachtszeit und danach Ostern vor der Tür. Und auch in der Freizeit denken die Seybolds immer mal wieder an die Volksfeste. Um Sprüche und Wörter für die Lebkuchenherzen zu sammeln. Gut eigenen sich dabei immer Liedelemente, auch wenn sie oft nur für ein Jahr der Renner sind. So schrieben die Mitarbeiter im vergangenen Jahr dann im Akkord mit Zuckerguss: "Lieblingsmensch" und "Leider geil".
(Elena Koene, dpa) Foto (dpa): So sehen die Schokoherzen ohne die rote Verpackung aus.

Kommentare (1)

  1. JanR am 16.09.2016
    Da geht einem doch das Herz auf! Lebkuchen und Wiesn-Busserl, ein Genuss. Sollte auf jeden Fall auf der To-Do Liste für die Wiesn stehen. Ich habe einen Ratgeber https://trachtenshop.de/blog/der-grosse-wirkes-wiesn-ratgeber/ gefunden, wo nachzulesen ist wo man welches Essen findet. Eine gute Idee bei diesem riesen Angebot.
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