Leben in Bayern

Alexander Mayer (rechts) als Erfinder und Thomas Hollering als Retter freuen sich über das reparierte Stairway-to-Heaven-Glockenspiel im Fürther Rathausturm. (Foto: Pelke)

14.07.2023

Fränkisches Glock ‘n’ Roll

Aus dem Turm des Fürther Rathauses ertönt täglich um 4 Minuten nach zwölf die Melodie des Klassikers „Stairway to Heaven“

Fürth rockt! Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Wo andere Städte auf sanfte Klänge im Glockenturm setzten, lässt Fürth seit rund 15 Jahren einen Rock-Klassiker von Led Zeppelin im Turm des Rathauses erklingen. „Stairway to Heaven passt doch auch einfach perfekt“, freut sich Alexander Mayer beim mühsamen Aufstieg über die unzähligen Stufen zum Glockenspiel in luftiger Höhe im Fürther Rathausturm, den sonst nur die Fußballer mit Meisterschale erklimmen dürfen.

Der ehemalige Heimatpfleger und begeisterte Hobbymusiker hatte 2007 die Idee, den 25 Glocken eine neue Melodie beizubringen. „Stairway to Heaven ist mein erstes Lied auf der Gitarre gewesen“, erinnert sich Mayer und erzählt, dass es die rockigen Klänge im Fürther Glockenturm sogar schon zu bekannten Quizsendungen im Fernsehen gebracht hätten. Natürlich hätten die Kandidat*innen in den Rate-Shows immer nicht glauben können, dass eine fränkische Traditionsstadt wie Fürth im Glockenspiel auf „Love, Peace und Happiness“ setzt.

Pünktlich zum 1000-jährigen Bestehen der kleinen Großstadt im Jahr 2007 wollten es die Fürther richtig krachen lassen in dem schlanken Turm, der hoch über dem Stadtparlament fast genauso majestätisch wie der Palazzo Vecchio in Florenz thront. Trotzdem sei seinerzeit die Mehrheit im Stadtrat, die für die 20 000 Euro teure Anschaffung des neuen Glockenspiels mit der Stairway-Melodie gestimmt hatte, denkbar knapp gewesen, erinnert sich der ehemalige Heimatpfleger und Ideengeber zurück.

Der Stadtrat stimmte mit knapper Mehrheit für die Anschaffung 

„Heute sind allein die Glocken schon so viel Geld wert“, ist sich Thomas Hollering sicher. Der gefragte Turmuhren-Experte aus Bayreuth hat sich zuletzt um die defekte Steuerungsanlage gekümmert. 2022 hatten die rockenden Glocken aus Fürth plötzlich den wohlklingenden Dienst verweigert. Hollering dirigiert die berühmte Melodie nun über einen kleinen Computer zu dem gusseisernen Orchester, das sich in schwindelerregender Höhe direkt unter den städtischen Nestern der Turmfalken befindet. 

Als Alternative zu dem rockenden Glocken-Sound in Fürth habe mit Am Brunnen vor dem Tore damals auch ein anderer Klassiker zur Auswahl gestanden, erinnert sich der ehemalige Stadtheimatpfleger an die knappe Entscheidung für Led Zeppelin zurück. „Aber wem sagt das Lied von Franz Schubert heute noch was?“, fragt sich Mayer und weist darauf hin, dass die Rockballade von Led Zeppelin immerhin auch schon über 50 Jahre auf dem Buckel habe. „Stairway to Heaven ist mittlerweile auch ein echter Klassiker. Außerdem passt der Song perfekt hierher“, freut sich Mayer und zeigt auf die vielen Holzstufen, die sich in dem engen Türmchen in endlosen Spiralen gen Himmel schlängeln.

Der Turm mit dem grünen Kleeblatt im Wappen krönt seit seiner Fertigstellung 1850 das Fürther Rathaus, das Wahrzeichen der Stadt, das im Stil des Florentiner Rathauses erbaut worden war. Ursprünglich hingen in dem filigranen Türmchen drei große Glocken. Diese sind im Krieg eingeschmolzen worden. Schon vorher mussten die Fürther allerdings auf den Glockenklang verzichten. „Die Glocken waren einfach zu schwer für den Turm und hatten statische Probleme verursacht“, sagt Mayer. Von daher habe sich der Protest der Fürther – aus den alten Glocken neue Munition zu machen – damals wohl in Grenzen gehalten.

In den Zeiten des Wirtschaftswunders hatte sich Fürth in den 50er-Jahren dann ein kleines Glockenspiel aus Porzellan für seinen fränkisch-italienischen Prunkturm gegönnt. Nicht das berühmte Porzellan aus Meißen, sondern das etwas weniger berühmte aus Selb.

Die oberfränkischen Porzellanglöckchen klangen nicht so gut

Dummerweise klangen die oberfränkischen Porzellanglöckchen nicht ganz so toll. Auch bei der Wahl der Melodien konnten die Fürther früher nicht im siebten Himmel schweben. „Das alte Glockenspiel hatte nur fünf Glocken.“ Mehr als Alle meine Entchen sei mit dem Miniensemble kaum drin gewesen. Bis Mayer im Jubiläumsjahr auf die glorreiche Idee kam, ein echtes Glockenspiel mit 25 Glocken anzuschaffen.

„Wir hatten das Glockenspiel früher immer mit dem Anhänger auf Messen kutschiert, um der interessierten Kundschaft ein Glockenspiel präsentieren zu können“, erinnert sich Thomas Hollering von der bekannten Spezialfirma Bayreuther Turmuhren und erzählt, dass die 25 Glocken von der königlichen Glockengießerei im holländischen Eijsbouts hergestellt worden sind. Die Glockenkapelle verfüge sogar über eine chromatische Tonleiter über zwei Oktaven.

Anders hätte es Hollering wohl auch kaum fertiggebracht, dem Glockenspiel die Stairway-to-Heaven-Melodie über die Computer-Klaviatur beizubringen. „Es muss natürlich jeder Ton sitzen, weil das Glockenspiel täglich erklingt“, sagt Hollering und erzählt, dass der Song von Led Zeppelin ihn schon einige Nerven und Mühen gekostet habe.

Nur an den Reglern die Lautstärke noch mehr aufzudrehen – das geht in Fürth offensichtlich leider nicht. Das liegt laut Mayer an der lärmempfindlichen Nachbarschaft, die in dem feierwütigen Fürth gerne besonders schnell den Weg zum Richter wählt. „Leider hört man den Song daher wirklich nur, wenn man direkt beim Rathaus steht“, ärgert sich Mayer und würde sich etwas mehr Power beim Sound wünschen. „Man müsste einfach nur die Fensterjalousien etwas öffnen“, ist sich Mayer sicher.

Den richtigen Rocksound gibt es bislang nur zwischen Falkennestern und Treppenstufen im Fürther Wahrzeichen – dann allerdings gleich genauso ohrenbetäubend wie in der ersten Reihe eines zünftigen Heavy-Metal-Konzerts. Der Aufwand und das Risiko haben sich für Fürth trotz der Probleme mit der Lautstärke offensichtlich längst gelohnt. „Damit haben wir ein richtiges Alleinstellungsmerkmal“, freut sich Mayer und Hollering nickt zufrieden.

Auch der Oberbürgermeister freut sich offensichtlich über die tägliche Rock-Oper in „seinem“ Rathausturm. „Fürth ist die Vorstufe zum Himmel und das Paradies auf Erden – deswegen ist das Lied absolut passend“, sagt Thomas Jung (SPD), ohne mit der Wimper zu zucken.

Pünktlich um 12 Uhr und 4 Minuten – Fürth will den Kirchen keine Konkurrenz machen – erklingen endlich die ersten, unverwechselbaren Töne. „Der Sound ist hier oben am besten“, freut sich Alexander Mayer auf dem Balkon des Rathausturms, wo sonst nur die Lichter zur Kirchweih funkeln dürfen, und rückt eine Etage über den Rock-Glocken die dunkle Sonnenbrille auf der Nase zurecht. „Ich wollte eigentlich, dass neben der Melodie auch die Gitarrenbegleitung dabei ist, aber das ist technisch leider nicht möglich gewesen“, sagt Mayer und lauscht der berühmten Rockballade auf der Suche nach spiritueller Erleuchtung auf dem windumwehten Balkon des Fürther Rathauses.

Man muss schon sehr nah herangehen, um etwas hören zu können

„Your stairway lies on the whispering wind“, scheint das frisch renovierte Glockenspiel dem zufälligen Publikum rund um den markanten Turm zuzurufen. „Leider hört man den Song wirklich nur, wenn man direkt beim Rathaus steht“, sagt Mayer und spitzt weiter zufrieden die Ohren. Den echten, weil ohrenbetäubenden Rock ‘n’ Roll-Sound gibt es nur im Fürther Glockenturm zwischen Vogelnestern und Treppenstufen. (Nikolas Pelke)
 

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