Leben in Bayern

Rolf Herbrechtsmeier übergibt einen EU-Führerschein aus Ungarn an eine Frau. Er verhalf Tausenden zu neuen Führerscheinen im EU-Ausland. (Foto: dpa/David Inderlied)

20.12.2019

Ganz easy zur Fahrerlaubnis

Ausländische EU-Führerscheine für deutsche Fahrsünder – ein mutmaßlicher Betrüger soll mit diesem Versprechen auch Bayern abgezockt haben

Wer den Führerschein verliert, ist in der Regel verzweifelt – vor allem dann, wenn die Fahrerlaubnis auch im Job gebraucht wird. Nur so ist zu erklären, weshalb eine große Anzahl von Bürgern, darunter viele aus Bayern, auf den Trick eines mutmaßlichen Betrügers in Nordrhein-Westfalen hereinfiel. Er bot im Internet unter anderem EU-Führerscheine aus Großbritannien an. Mit dieser ausländischen Fahrerlaubnis sollten deutsche Fahrsünder angeblich wieder mobil werden – ganz ohne medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU). Die Kosten: rund 1200 Euro. Der Haken an der Sache: Der bestellte Führerschein kam nie an. Die Geprellten hatten die Fahrerlaubnis nämlich nicht bei einer britischen Behörde bestellt, sondern bei einem gewissen Rolf Herbrechtsmeier, einem Unternehmer aus Detmold in Nordrhein-Westfalen.

Herbrechtsmeier soll sich mit der Vermittlung von Führerscheinen aus dem EU-Ausland ein dubioses Millionengeschäft aufgebaut haben. Die Staatsanwaltschaft Detmold hat nach mehrjährigen Ermittlungen Anklage gegen Rolf Herbrechtsmeier erhoben. Der Prozess begann Anfang Dezember am Landgericht Detmold. Der Vorwurf lautet gewerbsmäßiger Betrug und Steuerhinterziehung. Rolf Herbrechtsmeier soll insgesamt 505 Kunden um etwa 650 000 Euro betrogen haben. Seine Ehefrau muss sich ebenfalls vor Gericht verantworten. Das Ehepaar Herbrechtsmeier soll in 158 weiteren Fällen auch Führerscheinanwärter um noch einmal mehr als 200 000 Euro geprellt haben. Die 663 mutmaßlich Geschädigten stammen aus dem ganzen Bundesgebiet. Viele ehemalige Kunden kommen offenbar aus Bayern. Sie leben unter anderem im Landkreis Regensburg, München oder in Dillingen an der Donau. Die Dunkelziffer der mutmaßlichen Opfer ist wohl wesentlich höher.

Denn viele erstatteten keine Anzeige wegen Betrug, etwa deshalb, weil sie es für aussichtslos hielten. Sie tauchen so im Verfahren nicht als Zeugen auf. Rolf Herbrechtsmeier behauptet, er und seine Frau hätten niemanden betrogen. Über seinen Verteidiger wies er vor Gericht sämtliche Vorwürfe zurück.

Viele Geschädigte erstatteten keine Anzeige: Sie hielten das für nutzlos

Darüber kann Alexander Strese nur den Kopf schütteln. Er sitzt am ersten Verhandlungstag im Publikum. Der Unternehmer aus Detmold hatte früher geschäftlich mit Herbrechtsmeier zu tun. Mittlerweile liegen beide im Streit. Herbrechtsmeier habe offen geprahlt, der Handel mit englischen Fahrerlaubnissen sei „das geilste Geschäft aller Zeiten“, da Herbrechtsmeier nur eine „Briefmarke auf einen Umschlag kleben“ müsse und dafür 1200 Euro kassieren könne, sagt Strese. Diese Aussage sei totaler Quatsch, sagt Herbrechtsmeier am Telefon.

Die Staatsanwaltschaft wirft Herbrechtsmeier nicht nur gewerbsmäßigen Betrug vor. In der Anklage geht es zusätzlich um mutmaßliche Steuerhinterziehung. Im Zuge der Ermittlungen rückten Herbrechtsmeiers Unternehmungen in Tschechien in den Fokus. Hier unterhielt er seit 2010 mehrere Geschäftsadressen, mutmaßlich um Steuern zu sparen. So soll Herbrechtsmeier Umsatzsteuern in Höhe von mehr als 700 000 Euro am deutschen Fiskus vorbeigeschleust haben. Er habe seine Einkünfte in Tschechien versteuert, obwohl die eigentlichen Leistungen hauptsächlich in Deutschland erbracht worden seien und somit auch in Deutschland zu versteuern gewesen wären, heißt es in der Anklageschrift.

Zudem wirft die Staatsanwaltschaft Herbrechtsmeier und seiner Ehefrau vor, dem Finanzamt Umsatzsteuern ihrer deutschen Firma nicht gemeldet zu haben. Das Ehepaar soll so zusätzlich etwa 170 000 Euro hinterzogen haben. Ehepaar Herbrechtsmeier weist auch diese Vorwürfe zurück. Rolf Herbrechtsmeier teilt zudem auf Anfrage mit, sein Prozess werde nach wenigen Verhandlungstagen vorbei sein.

Rolf Herbrechtsmeier vermittelte deutschen Fahrsündern neben Lappen aus Großbritannien auch Führerscheine aus Tschechien oder Ungarn. Nach Informationen der Staatszeitung stießen Steuerfahnder im Laufe ihrer Ermittlungen auf eine Serienbriefdatei mit Kundendaten, die Herbrechtsmeier angelegt haben soll. Aufgrund dieser Erkenntnisse kontaktierten die Ermittler ehemalige Kunden. Die Fahnder wollten unter anderem wissen, ob Kunden geforderte Beträge für ihre Führerscheine bar bezahlten, wohin das Geld floss und bei welcher tschechischen Fahrschule sie Prüfungen absolvierten.

Herbrechtsmeier verdiente mit seinen Unternehmungen laut Anklage Millionen. Ein Blick in das deutsche Schuldnerverzeichnis lässt andere Schlüsse zu. Herbrechtsmeier besitzt darin 16 Eintragungen. Seine Ehefrau ist bei Gerichtsvollziehern ebenfalls bekannt, sie hat auch über ein Dutzend Vermerke.

Rolf Herbrechtsmeiers Zahlungsmoral war offenbar bereits früher schlecht. Seine persönliche Schufa-Auskunft aus dem Jahr 2012 führt Eintragungen von Inkassounternehmen. Wen Herbrechtsmeier als Gegner ansieht, der muss mit Beschimpfungen rechnen. Das Finanzamt Detmold versieht er mit dem Adjektiv „verfickt“. Herbrechtsmeier nennt die Finanzbeamten öffentlich „Trotteltrupp“ und „dummes Dreckspack“.

Herbrechtsmeier ist auch vor Gericht bekannt. Er ist mindestens 19 Mal vorbestraft. Ein Urteil des Amtsgerichts Detmold aus dem Jahr 2014 entlastet ihn allerdings. Ein Richter sprach ihn vom Vorwurf des Betrug frei. Das Gericht kam zum Schluss, dass Herbrechtsmeier seinen Kunden nur „die Unterstützung zur Erlangung einer englischen Fahrerlaubnis“ schuldete. Und tatsächlich, in den Vertragsunterlagen steht: „Im Verkaufspaket von 1200 Euro sind lediglich Informationen, Anträge, vertragliche Dokumente und keine weiteren Dienstleistungen inbegriffen.“ (Vinzenz Neumaier)

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