Es war ein schöner Urlaub. Doch die Folgen kamen den jungen Münchner teuer zu stehen. Denn der Angestellte hatte sich kurzerhand bei seinem Kontostand verschätzt. Für einige Tage rutschte sein Konto ins Minus und prompt ließ seine Bank mehr der monatlichen Abbuchungen zurückgehen. Darunter: seine Handyrechnung und die Rate für das neue Mobiltelefon. 38 Euro berechnete ihm sein Anbieter O2 deswegen. 19 Euro pro geplatzte Rücklastschrift.
Der Vieltelefonierer ist mit seinen Erfahrungen nicht alleine. Im Internet beschweren sich zahlreiche O2-Kunden über die aus ihrer Sicht ungerechtfertigte Höhe der Rücklastschriftgebühren bei dem Handyanbieter. Eine „Abzocke“ sei das, schreibt einer im O2-Forum. Dabei ist die zum spanischen Konzern Telefonica gehörende Firma keine Ausnahme. Viele Telekommunikationsunternehmen langen kräftig zu, wenn einmal eine Abbuchung vom Bankkonto schiefgeht: So verlangt Mobilcom eine Gebühr pro Rücklastschrift von 19,95 Euro. Bei Debitel sind es 20,50 Euro. Manche Internetdienstleister kassieren gar 25 Euro.
Firmen weisen Kritik zurück
Bei Fluglinien oder Einzelhandelhändlern kann es ebenfalls richtig teuer werden. So berichtet eine Kundin des Möbelriesen Ikea, sie habe „Bankrücklastschrift- und Bearbeitungsgebühren“ von 28 Euro zahlen müssen – und das nur, weil sie vergaß, der schwedischen Firma eine Änderung ihrer Kontodaten mitzuteilen. Auch bei anderen Konzernen spielt es meist keine Rolle, ob die Abbuchung einem Zahlendreher beim Überweisungsträger, einem Bankwechsel oder chronischem Geldmangel geschuldet ist.
Doch, was die wenigsten wissen: Zu hohe Rücklastschriftgebühren verstoßen nach Ansicht von vielen Juristen gegen geltendes Recht. So hält Erk Schaar-schmidt, Bankenrechtsexperte der Verbraucherzentrale Brandenburg, Rücklastschriftgebühren, die 7,50 Euro übersteigen, in der Regel für unzulässig. Auch Sascha Straub, Finanzjurist der Verbraucherzentrale Bayern sagt: „ In Anbetracht des heute weitgehend automatisierten Forderungseinzuges ist es erklärungsbedürftig, wenn ein Anbieter mehr als 7,50 Euro für eine nichteingelöste Rücklastschrift verlangt.“
Das Problem: Kaum ein Kunde klagt wegen zehn Euro, die er möglicherweise zu viel gezahlt hat. Rechtsanwalt Alexander Heinrich von der Kanzlei Tilp geht deshalb davon aus, dass Firmen durch hohe Gebühren „den einen oder anderen Euro „herausschinden“ wollten. Von der Gesetzeslage gerechtfertigt ist seiner Meinung nach höchstens ein Obolus von zehn Euro.
Verbraucherschützer Straub kann den Ärger der Kunden nachvollziehen: „Telekommunikationsbetreiber, die 20 oder mehr Euro verlangen, schießen weit über das Ziel hinaus“, sagt er. Der entstandene Aufwand beim Anbieter stehe in diesen Fällen „in einem krassen Missverhältnis zur Höhe der Ausgleichszahlung und muss als unzulässig angesehen werden“.
Er verweist auf eine Reihe einschlägiger Urteile. So entscheid etwa das Oberlandesgericht (OLG) Hamm bereits 2008, Unternehmen dürften dem Kunden nur die Aufwendungen in Rechnung stellen, mit denen sie wegen der Rückbuchung durch Dritte belastet werden. „Rücklastschriftgebühren stellen keinen Freibrief für Nebenentgelte dar“, erklärten die Richter. So hätten die Firmen nicht das Recht, die durch die geplatzte Abbuchung entstandenen Personal- und Sachkosten dem Verursacher der Rücklastschrift in Rechnung zu stellen. Der Bundesgerichtshof schloss sich dieser Sichtweise an.
Das OLG Koblenz stellte im Oktober ebenfalls klar, dass Firmen die Verwaltungskosten selbst tragen müssen. Die Verbraucherzentrale Berlin hatte den Internetanbieter 1&1 verklagt. Dieser verlangte für Rücklastschriften „eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 9,60 Euro pro Lastschrift zzgl. der für 1&1 angefallenen Bankgebühren“, worin das Gericht eine Benachteiligung der Kunden sah. 1&1 muss seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen nun ändern.
Viele Firmen berufen sich auf eine ähnliche Argumentation wie der Web-Anbieter. So sagt eine Ikea-Sprecherin, man gebe „alle für diese Verfahren entstehenden internen und externen Kosten an den betroffenen Kunden weiter“.
Und in den AGBs von O2 heißt es: „Der Kunde hat alle Kosten zu ersetzen, die dadurch entstehen, dass eine Lastschrift nicht eingelöst wird und der Kunde dies zu vertreten hat.“ Die Kritik der Verbraucherschützer weist ein Sprecher zurück: Der BGH habe in seinem Urteil einen Schadensersatzanspruch bejaht. Eine Aussage zur Höhe habe er nicht getroffen.
Dass es allerdings auch günstiger geht, zeigt etwa der Münchner Versicherungsverein: Gerade einmal 3,50 Euro hat der Versicherte zu berappen, wenn die Rate für die Police einmal nicht abgeht.
Kritik muss dagegen die Telekom-Tochter Click and Buy einstecken. 15 Euro kostet dort eine Rücklastschrift. Zahlreiche Kunden berichten im Internet oder im Gespräch mit der BSZ, der Online-Bezahldienst habe nur kurz nach einer gescheiterten Abbuchung gleich noch einmal versucht, vom selben Konto abzubuchen. Wer dieses nicht gleich decken konnte oder die unscheinbare Erinnerungs-Mail übersah, musste als Folge gleich zwei Mal die Rücklastgebühren bezahlen.
So wie Enrico Raeke. Er versichert, Click and Buy habe lediglich fünf Tage nach einer ersten erfolglosen Lastschrift erneut versucht, noch einmal abzubuchen. Und das, obwohl er kurz nach der gescheiterten Abbuchung die offene Summe bereits überwiesen hatte. 30 Euro musste er für beide Rücklastschriften berappen. „Eine Frechheit“, findet Raeke.
Ein Firmensprecher bestätigt: Falls ein Betrag mangels Deckung zurückgehe, werde zum 2. oder 16. des Monats eine neue automatische Abbuchung veranlasst. Weitere Versuche, das Geld einzuziehen, unternehme die Firma jedoch nicht. Verbraucherschützer Straub ist entsetzt: „Die Praxis des zweimaligen Lastschrifteinzuges halten wir für rechtswidrig.“ Damit verstoße der Gläubiger gegen seine Schadensminderungspflicht.
Anwalt Heinrich moniert, dass bei der Höhe von Rücklastgebühren klare gesetzliche Regelungen in Deutschland fehlen. Dem widerspricht Bayerns Verbraucherschutzministerin Beate Merk (CSU). Sie verweist auf die zahlreichen Urteile, in denen den klagenden Verbraucherverbänden Recht gegeben wurde. „Dies zeigt, dass sich die gesetzlichen Regelungen in der Praxis durchaus bewähren“, sagt die Ministerin. Den Kunden rät sie, sich notfalls auch gerichtlich zu wehren. (Tobias Lill)
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