Es herrscht wieder einmal Hochbetrieb an der Donaulände in Regensburg. Hier, unweit von Dom und Altstadt, legen die Kreuzfahrtschiffe an. In Reih und Glied ankern die Flusskreuzer hinter- und nebeneinander. Alle Anlegestellen sind belegt. Sogar vor dem Notkai schaukeln bereits zwei Hotelschiffe.
Auch an Land herrscht Gedränge. Touristengruppen kommen, Touristengruppen gehen. Zwei Stunden hätten sie in der Stadt verbracht, erzählt ein fröhlicher, amerikanischer Besucher. Regensburg sei eine „awesome city“, eine tolle Stadt. Dann muss er weiter.
Es ist ordentlich was los. Das gilt nicht nur für Regensburg, sondern für den gesamten Markt der Flusskreuzschifffahrt in Deutschland. Seit einigen Jahren schon befindet sich die Branche im steilen Aufwind, 2017 fuhr sie mit einem Umsatz von 501 Millionen Euro und europaweit 1,42 Millionen Passagieren ein neues Rekordergebnis ein.
Für die Städte sind sie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor
Beliebtestes Gewässer in Deutschland war, noch vor dem Rhein, die Donau inklusive des Main-Donau-Kanals. Und das wird langsam zum Problem. „Unsere Kapazitäten sind komplett ausgeschöpft“, sagt Wilhelm Fritz, Betriebsleiter Verkehr bei den Stadtwerken Passau. „Mittlerweile können wir nicht mehr alle Reservierungswünsche erfüllen und müssen immer wieder Kreuzfahrtschiffen absagen.“
2482 Mal haben Flusskreuzer 2017 in Passau angelegt, 1130 Anlandungen waren es in Regensburg, 804 in Bamberg. In Regensburg sind im vergangenen Jahr 160 000 Fluss-Touristen angereist, in Passau waren es sogar mehr als 300 000. „Sehr erfreulich“, nennt Passaus Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD) die „aktuelle Entwicklung“. Für die Städte ist die Kabinenschifffahrt längst ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.
Was die Bürgermeister freut, sorgt bei den Anwohnern jedoch zunehmend für Unmut. „Nicht noch mehr Fluss-Riesen“, forderten die Regensburger in der Mittelbayerischen Zeitung. Die Passauer Neue Presse schrieb, dass in der Altstadt jeder Lästereien über Touristen hören und beobachten könne. Vorausgesetzt, dass er dort überhaupt noch einen Passauer antreffe.
In Bamberg erklärten in einer Studie zwei Drittel der Befragten, dass es „zu viel“ touristisches Geschehen in der Stadt gebe.
Die große Mehrheit der Touristen kommt in allen bayerischen Fluss-Städten zwar nach wie vor von Land. Dennoch sind es vor allem die Schiffstouristen, die die Anwohner nerven. Weil die Schiffe oft gleichzeitig ankommen, schieben sie sich in Gruppen von 150 Menschen und mehr durch enge Gassen historischer Altstädte, um dann nach zwei Stunden Sightseeing-Tour wieder zurückzudrängen aufs Hotelschiff. „Viel zu große Massen in viel zu kurzer Zeit“, fasst Benedikt Suttner von der ÖDP in Regensburg die Kritik der Anwohner zusammen.
Die Dieselgeneratoren erzeugen jede Menge Lärm
Die Stadt-Oberen argumentieren vor allem mit dem wirtschaftlichen Nutzen. Eine Studie der Universität Passau im Auftrag der ARGE Donau, einer Arbeitsgemeinschaft von Donauländern, in der auch Bayern vertreten ist, bezifferte die Wertschöpfungskette im Donauraum von Regensburg bis Wien auf 110 Millionen Euro im Jahr. Tendenz steigend. Fluss-Touristen sind gut situiert und geben im Schnitt mehr aus als der normale Tagestourist. 2016 bezifferte Bamberg den Unterschied genau: Ein Fluss-Tourist lasse 28 Euro in der Stadt, erklärte ein Rathaus-Sprecher. Das seien vier Euro mehr als der Tagesbesucher.
„Mehr Tourismus und mehr Geld nützt uns aber nichts, wenn die Stadt für die Einwohner nicht mehr lebenswert ist“, sagt ÖDP-Fraktionsführer Suttner. Die Partei hat versucht, den Kreuzfahrt-Tourismus in Regensburg in engere Bahnen zu lenken. Anfang dieses Jahres stellte die Fraktion den Antrag, die Zahl der Kreuzfahrtschiffe beziehungsweise Anlandungen auf 1200 pro Jahr zu begrenzen. Der Antrag wurde abgelehnt. Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD) möchte den Fluss-Tourismus weiter fördern. Sie spricht von einer „freiwilligen Obergrenze von 1500 Anlandungen“, auf die sich Stadt und Reeder verständigt hätten.
ÖDP-Stadtrat Suttner fuchst das gewaltig. „Von 2004 bis jetzt ist die Anzahl der Schiffe, die hier in Regensburg Station machen, um 350 Prozent gestiegen“, sagt er. „Gleichzeitig werden die Schiffe größer und bringen immer noch mehr Touristen in die ohnehin schon volle Altstadt.“ Die Stadt drohe, im überbordenden Tourismus ihr Gesicht zu verlieren, sagt Suttner, und nennt noch ein weiteres Problem: „Die vielen Schiffe verschärfen mit ihren Dieselmotoren die Abgasbelastung in der Stadt.“'
Lärm und Gestank der Schiffe nerven die Anwohner auch in anderen Donau-Städten. „90 bis 95 Prozent der dieselbetriebenen Schiffe sind ohne moderne Abgastechnologie ausgestattet“, sagt Dietmar Oeliger, Leiter Verkehrspolitik beim Naturschutzbund Deutschland (NABU). „Die Schiffe sind ohne Feinstaubpartikelfilter oder Stickoxidkatalysator unterwegs, eine gesetzliche Pflicht, diese einzubauen, gibt es nicht.“ Die Städte haben auf dieses Problem reagiert. Viele haben ihre Anlegestellen für die Kreuzfahrtschiffe mit Landstrom-Anlagen ausgerüstet. Dort müssen sich die Schiffe zumindest dann anschließen, nachdem sie angelegt haben. Doch selbst dann sind Anwohner nachts nicht immer vor dem Lärm der Dieselgeneratoren geschützt. Immer wieder kommt es zu Beschwerden.
„Es ist möglich, dass ein Schiff ein technisches Problem mit dem Strom hat, wir das aber erst am nächsten Morgen mitbekommen“, sagt Betriebsleiter Fritz. Zudem ist es in Passau nur den Schiffen in erster Reihe möglich, sich an den Strom anzustecken. In zweiter Reihe laufen die Generatoren weiter.
Kein Lärm, kein Dreck: Im Bericht über das Geschäftsjahr 2017 der IG River Cruise, der Interessensgemeinschaft der Flusskreuzfahrt-Reedereien, spielt das Thema Umwelt keine Rolle. Weder geht es um Abgastechnologien, noch um die Vorfälle, in denen Flusskreuzer ihre fäkalienhaltigen Abwässer illegal in die Flüsse leiteten.
Was die Branche dagegen durchaus beschäftigt, macht Präsident Daniel Buchmüller bereits in seinem Vorwort deutlich. „Overcrowding wird plötzlich zum Thema einiger beliebter Reisedestinationen“, konstatiert Buchmüller. Als Lösung schlagen die Reedereien zwei Maßnahmen vor. Die Behörden wie Hafenämter und Stadtverwaltungen sollten ihrer Steuerungsverantwortung gerecht werden, sodass es nicht mehr zu überfüllten Häfen oder langen Wartezeiten an den Schleusen kommt. Zudem sollten die Reedereien ihre Fahrpläne besser untereinander abstimmen. Die zweite Maßnahme betrifft die Anzahl der Anlegestellen. Hier schlagen die Flusskreuzfahrt-Betreiber den Städten schlichtweg vor, zu expandieren.
In Regensburg ist der Ausbau bereits beschlossen. Geplant ist ein neues Terminal für Kreuzfahrtschiffe mit zusätzlichen Anlegestellen. Dies solle die Situation am Donaumarkt entzerren, sagte Maltz-Schwarzfischer laut „Regensburg Digital“ in einer Bürgerversammlung im vergangenen Jahr. Dies sei eine „Riesen-Chance für Regensburg“.
(Beatrice Oßberger)
Anmerkung der Redaktion: Durch ein Versehen fehlte in einer früheren Version die Quellenangabe für das Zitat „Riesenchance für Regensburg“. Wir bitten dies zu entschuldigen und haben den Fehler behoben.
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