Leben in Bayern

Kein Eintritt ohne Anmeldung per App: Im „Rewe Pick&Go“ wird automatisch registriert, was man eingekauft hat. Eine Kasse gibt es nicht. (Foto: dpa/Lukas Barth)

03.01.2025

Gläserne Kundschaft im Supermarkt der Zukunft

In einem Münchner Laden kann man seit 2022 einkaufen, ohne an der Kasse zu bezahlen – doch dafür wird man auf Schritt und Tritt überwacht

Kurz vor Feierabend noch schnell etwas einkaufen: eine Dose Ananasscheiben, einen Vollkorntoast, Schinken und ein Päckchen Schmelzkäse – Zutaten für einen nostalgischen Hawaii-Toast. Der Supermarkt hier im Stadtzentrum hat die notwendigen Lebensmittel, also alles eingepackt und ab nach Hause. Aber was ist mit Zahlen? Sich in die Schlange vor der Kasse einreihen? Oder ist das jetzt hier Diebstahl?

Weit gefehlt, bei diesem Rewe-Laden handelt es sich um einen kassenlosen Supermarkt der Zukunft. „Man muss sich nicht mehr in die Schlange stellen“, sagt Filialleiter Andree Sturm, man spare sich Zeit und Nerven. Der 37-Jährige ist hier im Pilotprojekt der Supermarktkette seit November 2023 im Einsatz, er war vorher lange Jahre in einer „normalen“ Filiale tätig. Jetzt kümmert er sich mit elf Mitarbeiter*innen um die 9000 verschiedenen Artikeln, die in den Regalen auf 296 Quadratmeter Fläche stehen – ein eher kleiner Laden direkt am U-Bahn-Eingang an der Karlstraße.

Mein Einkauf hat tatsächlich so stattgefunden – also ohne Bezahlvorgang an der Kasse. Aber natürlich verschenkt Rewe nicht seine Waren. Nur die Art und Weise der Abrechnung ist neu – und ja, es geht nicht ohne digitale Hilfe, man benötigt eine entsprechende App für das Smartphone, um einfach mit der Ware aus dem Laden marschieren zu können.

Drei weitere solche Läden wurden 2024 eröffnet

„Pick&Go“ nennt sich das Verfahren, das die Handelskette hier in München seit Dezember 2022 erprobt. 2024 wurden drei neue Läden in Deutschland mit diesem Bezahlsystem eröffnet, mit dem der Kunde die Rechnung über das Smartphone erhält. Längst ist der Einzelhandel vom digitalen Wandel erfasst, werden neue Bezahlsysteme erprobt, das Einkaufen soll ohne die Hürde der traditionellen Kasse erfolgen. So sind etliche Lebensmittelhändler mittlerweile dazu übergegangen, neben den normalen Bezahlkassen auch noch sogenannte Scannerkassen aufzustellen, bei denen der Kunde die eingekauften Waren selbst scannt und anschließend entweder mit Bargeld oder einer Kreditkarte bezahlt. Der Kunde oder die Kundin übernehmen so die Arbeit des Personals.

Doch das ist mittlerweile nur eine Variante von verschiedenen Verfahren des Bezahlens. So gibt es nun auch traditionelle Kassen mit Laufbändern, bei denen das Bargeld aber von Geldwechselmaschinen aufgenommen und ausgegeben wird. Zwar ziehen die Beschäftigten des Supermarkts noch die Ware über den Scanner, nehmen aber kein Bargeld mehr entgegen. Münzen und Geldscheine „frisst“ vielmehr eine Maschine, die dann das Wechselgeld ausspuckt.

Kommt das noch sehr analog daher, werden längst auch digitale Bezahlsysteme erprobt, bei denen das Bezahlen quasi unsichtbar im Hintergrund abläuft. Die Kundschaft soll laut diesen Konzepten nur noch die gewünschten Produkte im Laden aussuchen: Man nimmt und geht – eben Pick&Go.

Doch wie funktioniert dieses System? Mit aufwendiger Technik. Zunächst einmal muss sich der Kunde eine App auf das Smartphone herunterladen, über die dann die Identität des Einkäufers festgestellt und die Zahlungsart – etwa über die Kreditkarte oder Paypal – festgelegt wird.

Ohne Smartphone-App geht gar nichts

Ist das alles über die Bühne gegangen, bleibt nur noch, sich einmal mit der App im Supermarkt gegenüber dem Personal auszuweisen, damit dieses das Alter kontrollieren kann – man kann im Laden ja auch Wein, Bier und härtere Sachen kaufen, die dem Jugendschutz unterliegen. Ist diese letzte Hürde genommen, steht nichts mehr im Weg, es so zu machen, wie die Werbung verspricht: „Spar dir das Anstehen und genieß deinen Tag“, schlägt die App vor, und „Wirklich, du kannst einfach rausgehen.“

Woher aber weiß Rewe, was der Kunde so einpackt und wie kommt er an sein Geld? Gleich hinter dem Eingang des Supermarkts verspricht ein Plakat: „Wir achten immer auf deine Privatsphäre.“ Und: „Unsere Kameras merken sich nur, was du einpackst oder zurücklegst. Keine merkt sich dein Gesicht.“

Mit Marktleiter Sturm gehe ich zu einem der Regale mit Waren und er erklärt das Prinzip der Erfassung der Warenentnahme. Das beginnt damit, dass der Kunde beim Betreten des Ladens automatisch eine Nummer erhält, mit der er während des Einkaufs identifiziert werden kann. Denn oben, an der Decke des Supermarkts, sind Hunderte von Kameras angebracht, die jeden Winkel des Ladens erfassen.

Überwachung per Kameras und KI

Die Kameras sind in mattem Schwarz gehalten und sind so im ebenfalls schwarzen Deckenraum kaum erkennbar. Sie verfolgen jede Bewegung der Kundschaft, die die künstliche Intelligenz anhand einer „schematischen Darstellung“ erkennt. Die Kontrolle erfolgt auch von „unten“.

Jetzt nimmt Marktleiter Sturm eine Packung getrockneter Früchte aus einem Regal und zeigt auf den Regalboden: „Hier sind Gewichtssensoren angebracht.“ Das heißt, das gesamte Sortiment des Supermarkts steht auf Regalböden, die jede Änderung des Gewichts registrieren. Diese Gewichtssensoren sind so fein justiert, dass zum Beispiel auch die Entnahme einer Tragetasche aus Papier mit einem Gewicht von 5 Gramm von einem Haken registriert wird.

Aus dem Zusammenspiel von Kameraüberwachung und den Daten des Gewichtsensors schließt eine künstliche Intelligenz dann auf den stattgefundenen Einkauf, abgerechnet wird über elektronische Bezahlsysteme. Anstehen an der Kasse wird überflüssig.

Wer nutzt diese Möglichkeit? „Wir haben sehr viele junge Kunden, die eher technikaffin sind“, sagt Marktleiter Sturm. Was nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass es in der Nachbarschaft mehrere Schulen gibt, und auch die Technische Universität ist nicht weit. (Rudolf Stumberger)
 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.