Last Christmas in Dauerschleife. Und das bei – endlich – bestem Frühlingswetter. Wer am Mittwoch vergangener Woche zwischen fünf und neun Uhr morgens den Radiosender Antenne Bayern eingeschaltet hatte, dürfte sich wohl über die weihnachtliche Musikauswahl gewundert haben. Vier Stunden lang lief der Wham-Hit von 1984 – einzig unterbrochen vom Barcardi-Song Summer Dreaming.
Vier Stunden lang „Last Christmas“ im Radio
Der Grund für die skurrile Musikauswahl: Der Sender wurde erpresst. Moderator Wolfgang Leikermoser war in die Hände von Kidnappern – der Burschenschaft Münsing – geraten. Bei dem Versuch, den Maibaum des Ortes zu klauen, haben sie ihn gefangenengenommen. Lösegeld wollten die Burschen nicht, per Erpresservideo forderten sie, dass der Sender die beiden Ohrwürmer vier Stunden lang im Wechsel spielte. Nur so konnte Antenne Bayern ihren Moderator „zurückkaufen“. Eine kleine Rache aber hatte der Sender auch auf Lager: Man hat nicht nur den Musikwunsch der Münsinger Burschenschaft erfüllt, sondern das einseitige Programm in Münsing live mit Großbeschallung übertragen.
Das Maibaum-Stehlen hat Tradition in Bayern. Normalerweise aber sind feucht-fröhliche Rückgabeverhandlungen nötig, bei der die bestohlene Gemeinde eine Brotzeit und vor allem eine große Menge an Bier bereitstellt, das bei der Übergabe dann gemeinsam getrunken wird.
Die Klau-Aktionen allerdings werden seit Jahren immer skurriler und spektakulärer. Bereits zwei Mal – 2004 und 2010 – wurde der Maibaum von Deutschlands höchsten Berg, der Zugspitze, gestohlen. Vor drei Jahren war der 20 Meter lange und 800 Kilogramm schwere Stamm von den Mitarbeitern der Zugspitzbahn nahe des 2962 Meter hohen Gipfels sogar im Schnee tief verscharrt worden, um ihn vor Dieben zu schützen. Genützt hat das allerdings nichts. Mit einem Hubschrauber entwendete eine vierköpfige Senioren-Bande nachts den Baum. Die Auslöse-Forderung damals: vier Saisonkarten für den nächsten Winter plus vier Brotzeiten samt Bier.
Nicht geklaut, aber in gewisser Weise geschändet wurde 2011 der Maibaum von Kitzingen. Über Nacht war der Stamm auf dem Feuerwehrgelände von oben bis unten rosa angemalt worden. Ein klarer Verstoß gegen die goldenen Regeln (siehe rechts) des Maibaum-Klaus, denn der Maibaum darf in keinem Fall beschädigt werden. Zumindest die Feuerwehrjugend Kitzingens aber nahm es gelassen. Alle Mitglieder zogen sich beim Aufstellen rosa T-Shirts und rosa Socken an.
Ganz unverhofft dagegen kam eine Frau aus Epertshof in der Oberpfalz im vergangenen Jahr zu einem eigenen Maibaum. Bei einer Benefiz-Auktion auf dem Dorffest wollte sie nur einer Bekannten winken und bekam prompt den Zuschlag für das Prachtexemplar. Kostenpunkt 34 Euro. Ob sie sich den Maibaum in den eigenen Garten gestellt hat ist nicht bekannt. Auch nicht, ob er am Ende geklaut wurde.
Auf große Tradition des Maibaum-Diebstahls kann allerdings der Burschenverein Harthausen zurückblicken. Stolz sind auf der Web-Seite der Burschen die Erfolge seit 1974 aufgelistet. Auch der Baum, der für den Münchner Viktualienmarkt gedacht war, musste schon einmal dran glauben. Doch auch eine peinliche Verwechslung von 1996 wird nicht verschwiegen.
Peinliche Verwechslung: Weihnachts- statt Maibaum
Zuerst hatte der Nachbarverein, der Burschenverein Grasbrunn, den vermeintlichen Maibaum von der Feuerwache in Neuperlach gestohlen. Die Harthauser klauten den Baum wiederum den Grasbrunnern. Doch dann stellte sich heraus, dass es sich um den ehemaligen Christbaum vom Münchner Marienplatz handelte. Aus dem wollten die Neuperlacher einen Friedensbaum machen. Obwohl die Neuperlacher deshalb verständlicherweise den Baum nicht auslösen wollten, Durst mussten die Harthauser auch in jenem Jahr nicht erleiden. Eine Münchner Brauerei stellte das Bier für die Auslöse, denn immerhin: Auch ein lokaler TV-Sender fand Gefallen an der kuriosen Verwechslung.
Nicht jeder freut sich über den Volkssport Maibaum-Klau. „Der Maibaum selbst ist das Entscheidende, nicht der Diebstahl“, sagte Michael Ritter, Experte des Landesvereins für Heimatpflege, bereits vor drei Jahren. Im vergangenen Jahr aber siegte nicht nur die Gaudi über die Tradition. Kurz vor dem Champions League-Finale zwischen dem FC Bayern München und dem FC Chelsea fegte auch das Fußballfieber in München sie vom Platz. In Solln flatterte statt der weiß-blauen Fahne des Freistaats die rotweiße Fan-Flagge vom Maibaum. Gebracht hatte diese ungewöhnliche Unterstützung allerdings nichts. Die Münchner scheiterten im Finale.
(Angelika Kahl)
Info: Die goldenen Regeln des Maibaum-Klaus
zum bayerischen Brauchtum und von 1973 bis 1989 Bezirksheimatpfleger von Oberbayern, bereits vor Jahren die sieben „Goldenen Regeln“ für Maibaumdiebe aufgestellt:
1. Nur heimlich und unentdeckt darf der Baum gestohlen werden – je raffinierter die List, um so besser.
2. Frevelhaft ist es, den Baum zu zersägen oder zu beschädigen.
3. Werden die Räuber innerhalb der Gemeindegrenze beim Abtransport überrascht, müssen sie ihre Beute zurückgeben – und zwar kampflos. Dabei genügt es, wenn einer der Bewacher seine Hand auf den Baum legt.
4. Aufgestellte Bäume dürfen nicht mehr gestohlen werden.
5. Nur der Baum und nicht die Tafeln, Kränze, Schaarn (Scheren) sind Diebesgut.
6. Nach Versöhnung und Auslösung ist wieder Friede.
7. Das Brauchtum des Maibaumstehlens soll so gehandhabt werden, dass Juristen unnötig sind.
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!