Leben in Bayern

Zwei Auszubildende üben an einer Gasheizung – die immer noch am meisten von allen Heizungen nachgefragt ist. (Foto: Pelke)

23.06.2023

Heizungsbauer braucht das Land

Immer weniger Personal soll immer mehr Heizgeräte erneuern – Fachleute fordern ein Umdenken, um den Nachwuchs nicht zu überfordern

Max und Mubarak haben den Schraubenzieher in der Hand. Auf dem Stundenplan der beiden Auszubildenden steht heute die Gasheizung. „Bitte einmal den Gasbrenner auswechseln“, sagt Martin Öttl, der als Heizungsbaumeister den Nachwuchs fit für den Praxiseinsatz machen soll. Zehn Wochen dürfen die angehenden Anlagenmechaniker im Bildungs- und Technologiezentrum (BTZ) der Handwerkskammer für Mittelfranken in Nürnberg während der dreieinhalbjährigen Lehrzeit für den „Ernstfall“ trainieren.

„Das ist eigentlich zu wenig“, findet Günther Hertl, der Leiter des größten der insgesamt drei praktischen Ausbildungszentren in der Frankenmetropole. Neben den fossilen Heizungssystemen müssten die zukünftigen Kolleg*innen aufgrund der postulierten Wärmewende neuerdings auch noch die Wärmepumpe aus dem Effeff können. „Leider schaffen 30 bis 50 Prozent der Azubis die Prüfung nicht.“ Das erforderliche Wissen sei einfach zu viel geworden für die knappe Ausbildungszeit. Dabei würden gerade jetzt viele Heizungsbauer benötigt.

Dummerweise wollen in Mittelfranken immer weniger junge Leute einen handwerklichen Beruf ergreifen. „Vor 20 Jahren hatten wir in Mittelfranken noch knapp 14 000 Auszubildende. Heute sind es nur noch rund die Hälfte“, weist Elmar Forster, Geschäftsführer der Handwerkskammer für Mittelfranken in Nürnberg, auf ein strukturelles Nachwuchsproblem hin. In den ländlichen Regionen sei die Situation zum Glück noch nicht so prekär. Ausgerechnet in den mittelfränkischen Großstädten würden die Nachwuchssorgen dagegen immer größer. Gleichzeitig hätten die Studierendenzahlen an den Hochschulen auch im Norden des Freistaats ein neues Rekordniveau erreicht – mit immer spürbareren Folgen für die Gesellschaft.

Nur 6600 Auszubildende für Anlagenmechanik im gesamten Freistaat

„Momentan werden nur 900 000 Heizungen pro Jahr modernisiert. Wir haben aber rund 42 Millionen Immobilien in Deutschland. Da kann man sich leicht ausrechnen, wie lange die Umstellung der Heizungen von Gas und Öl auf Wärmepumpe dauern wird“, sagt Forster und kritisiert Gesellschaft und Medien, die den modernen Traumjob immer am Computer verorten würden. Laut der Handwerkskammer würden in Deutschland aktuell allein rund 60 000 Installateure fehlen.

Laut den aktuellen Zahlen des Fachverbands Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik gibt es in Bayern aktuell knapp 6600 Auszubildende zum Anlagenmechaniker oder zur Anlagenmechanikerin. Aufgrund der guten Berufsaussichten seien die Azubi-Zahlen in den vergangenen zehn Jahren um 20 Prozent gestiegen. Beim Absatz der Heizgeräte geht der Trend laut Markus Seitz, Referent für Betriebswirtschaft beim Fachverband, eindeutig zu Bioenergie und Wärmepumpen. Während der Verkauf von Ölheizungen drastisch zurückgegangen sei, hätten sich Gasheizungen beim bundesweiten Gesamtabsatz weiterhin auf hohem Niveau bei rund 60 Prozent gehalten.

Derweil pauken Michael Funk, Katrin Nießler, Michael Rascher und Serhat Yildiz eine Etage über den Lehrlingen für die Meisterprüfung in zwei Wochen. Auf den Schreibtischen stapeln sich die Fachbücher.

Das wachsende Problem der steigenden Anforderungen kennen die zukünftigen Meister aus eigener Erfahrung. „Der Beruf des Anlagenmechanikers ist hochkomplex geworden“, sagt Katrin Nießler aus Fürth, die über ein Praktikum nach der Schule auf den Job zwischen Heizung, Klima und Sanitär aufmerksam geworden ist.

Auszubildende stünden häufig vor dem Problem, dass sich die eigenen Ausbildungsbetriebe auf einen Geschäftsbereich konzentrieren würden. „Die einen machen nur Holzheizung, die anderen keine Wärmepumpe.“ Für die Prüfung müssten aber Lehrlinge und Meister alle Systeme in Theorie und Praxis auf dem Kasten haben. Zum Glück würden mittlerweile auch immer mehr Frauen das Handwerk erlernen wollen, sagt Nießler. „In den letzten sechs Meisterkursen ist immer eine Frau dabei gewesen“, freut sich Hertl, der selber gleich reihenweise Meisterbriefe im Büro an der Wand hängen hat.

Das umstrittene Heizungsgesetz von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wird im Bildungs- und Technologiezentrum fast überall mehr oder weniger mitleidig durch den Kakao gezogen. Kunden würden durch die ausgelöste Panik zwar Schlange stehen. Sinnvoll sei die geplante Hauruckaktion aber nicht, lautet der Tenor auf den langen Gängen im weitläufigen Bildungszentrum im Nürnberger Industriegebiet Schafhof.

Die Freude über die Entschärfung des Gesetzes ist groß

„Die Wärmepumpe ist gut, aber noch viel zu teuer“, sagt Günther Hertl und zeigt auf einen grauen Kasten, der ein wenig an eine Klimaanlage erinnert und bald sehr viele Häuser im Land mit Wärme versorgen soll. Allein das Gerät koste derzeit locker 10 000 Euro. Obwohl die simple Technik darin eigentlich nur einen kleinen Bruchteil wert sei. Für einen kompletten Austausch mit allen Folgekosten würden für Hausbesitzer schnell 30 000 Euro und mehr fällig.

Nach der „Entschärfung“ des neuen Gebäudeenergiegesetzes (GEG) zum beschleunigten Umstieg auf erneuerbare Energien beim Heizen ist die Erleichterung beim deutschen Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) unüberhörbar gewesen. „Die von uns wiederholt mit pragmatischen Verbesserungsvorschlägen eingebrachten Erfahrungen des umsetzenden Fachhandwerks wurden endlich zum Teil aufgegriffen“, begrüßte ZVSHK-Hauptgeschäftsführer Helmut Bramann die Zugeständnisse in letzter Minute beispielsweise bei wichtigen Eckpfeilern wie Technologievielfalt und Übergangsfristen.

Wichtig bleibe jedoch, die praktische Umsetzung möglichst unbürokratisch mit einfachen Verfahren beispielsweise zur Beratung, Förderung und Dokumentation zu gestalten. „Bundestag und Bundesregierung sind nun gefordert, zügig zu liefern, damit ein Abriss auf dem Umsetzungsweg der Treibhausgasneutralität im Gebäudebereich vermieden wird“, warnte Bramann weiter.

„Dollarzeichen“ haben wohl auch die angehenden Mechaniker*innen in Nürnberg nicht in den Augen. Auch bei den zukünftigen Meister*innen ist von „Goldgräberstimmung“ keine Spur zu finden. Bei den hohen Gewinnen für Herstellende und Handel könnten die Margen für die Handwerkszunft nicht in den Himmel wachsen, sagen die angehenden Fachleute. Für den Einbau der Wärmepumpen würden außerdem viele kostspielige Zusatzausbildungen verlangt.

„Das gehört eigentlich jetzt alles in die Grundausbildung“, findet Hertl und fordert ein neues Ausbildungssystem, bei dem sich die Auszubildenden wie an der Universität erst später für eine spezielle Fachrichtung entscheiden müssten. Das könnte laut Hertl das Niveau in den Berufsschulen stärken und die Abbrecherquote senken. „Immerhin gibt es jetzt eine zusätzliche Ausbildungswoche für die Wärmepumpe“, freut sich Hertl, während die Lehrlinge im Hintergrund weiter mit Feuereifer an den Gasheizungen schrauben. (Nikolas Pelke)
 

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