Leben in Bayern

Großgeräte für Computertomografie und Magnetresonanztomografie gehören zu der Ausstattung der neuen Klinik. (Foto: May)

11.02.2022

Hightechmedizin für kranke Pferde

Bis zu 1200 Tiere pro Jahr können in dem rund 3600 Quadratmeter großen Neubau der Veterinär-Fakultät der LMU in Oberschleißheim behandelt werden

Dilian ist nicht der sanftmütigste Zeitgenosse. „Achtung: tritt und beißt!“ haben die Tierpfleger auf ein Schild außen an seiner Box auf der Isolierstation für ansteckende Tiere geschrieben. Andererseits: Das Schicksal hat dem Hengst mit dem rotbraunen Fell und dem markanten schwarzen Streifen in der Mähne auch nicht gut mitgespielt. Auf dem rechten Auge ist der Vierjährige bereits blind, nun ist auch noch das andere aufgrund einer Infektion entzündet. Und wenn sich dann auch noch jemand von der Seite nähert, den man nicht mal erkennen kann – ja, dann darf man womöglich auch mal grantig werden. Bei Oberärztin Anna May dagegen gibt sich der Hengst verschmust wie ein Fohlen. Sanft legt er seinen großen Kopf über die Schulter der 42-Jährigen, schnuppert neugierig an ihrer Hand, während sie mit der anderen seine Nüstern streichelt. Womöglich spürt das Tier, dass hier jemand ist, der ihm helfen möchte.

Größte und modernste Klinik in Süddeutschland

Und dazu bestehen in der nun fertiggestellten neuen Pferdeklinik der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität auf ihrem veterinärmedizinischen Campus in Oberschleißheim zumindest hervorragende Voraussetzungen. Es ist nicht nur die größte, sondern auch die modernste Einrichtung dieser Art im gesamten süddeutschen Raum. Bis zu 800 Pferde können auf dem rund 3600 Quadratmeter großen Areal pro Jahr stationär behandelt werden, weitere 400 ambulant. Der Freistaat investierte dafür rund 40 Millionen Euro, fast fünf Jahre wurde gebaut. 13 Veterinär*innen leisten in der neuen Klinik Dienst, hinzu kommen noch knapp 40 Pflegekräfte sowie tiermedizinische Fachangestellte. Ausgebildet wird in Oberschleißheim auch.

In der neuen Klinik besteht nun auch die Möglichkeit, Pferde parallel in mehreren Behandlungsräumen zu untersuchen oder Eingriffe in Stehend- beziehungsweise Liegend-Operationsräumen durchzuführen. Neu angeschafft wurden unter anderem Großgeräte für Computertomografie und Magnetresonanztomografie – was die Bandbreite der Untersuchungsmöglichkeiten deutlich erweitert. Vorhanden ist ebenso ein Forschungslabor. Die weitläufigen Außenanlagen zum Auslauf der Tiere, eine eigene Vortrabstrecke und eine helle Bewegungshalle erleichtern zudem den Klinikalltag für die vierbeinigen Patienten.

Das alles soll natürlich der möglichst raschen Genesung dienen. Die Leiden sind vielfältig, manche ähneln jenen von Menschen: Koliken kommen häufig vor, Infektionen, dazu Gelenkbeschwerden und diverse weitere orthopädische Probleme. Aber auch Krebserkrankungen – vor allem bei älteren Tieren – sind nicht selten. 25 bis 30 Jahre können Pferde alt werden.

Neben dem Hauptgebäude liegen die Stalltrakte, die neben den Pferdeställen weitere Behandlungs- und Untersuchungsräume beherbergen. Ergänzt werden diese Gebäudeteile durch eine Bewegungshalle, die neben einer Garage auch die Schmiede beinhaltet. Natürlich existieren auch alle für den Betrieb einer Pferdeklinik erforderlichen Flächen und Einrichtungen wie Auslaufkoppeln verschiedener Größen, Paddocks, Unterstände für die Pferde, eine Führanlage, eine Longierhalle und eine Mistplatte.

Weniger bekannt ist, dass in der Pferdeklinik mitunter auch Menschen untersucht werden – und zwar schwer adipöse Kranke, für die keine ausreichend großen Geräte in der Humanmedizin zur Verfügung stehen.

Wie in jedem Krankenhaus muss sich auch ums kulinarische Wohl der Patienten gekümmert werden. Tierpfleger Zbigniew Pawlowski verrät, was die vierbeinigen Klinikinsassen an einem Tag so wegmampfen: „Vor allem Heu, insgesamt rund 500 Kilogramm am Tag. Sehr beliebt bei den Tieren ist auch Mash, ein warmer Brei aus Kleie, Leinsamen und weiteren Zutaten. Als Leckerlis gibt es Karotten. Und dann trinkt jedes Pferd – abhängig von Alter, Größe und Außentemperatur – noch zwischen 20 und 60 Liter am Tag weg.“

Anna May, die seit 15 Jahren als Tierärztin mit dem Schwerpunkt Innere Medizin an der Veterinärmedizinischen Fakultät der LMU arbeitet, erinnert sich noch mit Grausen an die alte Einrichtung in Schwabing nahe dem Englischen Garten mit ihren ziemlich beengten Verhältnissen. „Allein die Anfahrt der Tiere durch die verstopfte Innenstadt mit ihren schlechten Parkmöglichkeiten war immer eine logistische Herausforderung.“ Genügend Platz bestand ohnehin nicht, die klinikeigenen Pferde mussten auf einem externen Gelände am Münchner Oberwiesenfeld untergebracht werden. Jetzt können diese meist alten Tiere – häufig solche, für die man auf Reiterhöfen keine Verwendung mehr hat oder die sich nicht mehr für die Zucht eignen und denen sonst der Schlachter drohen würde – auf dem Klinikgelände ihr Gnadenbrot genießen. Außerdem dienen sie den Studierenden der Veterinärmedizin als Übungspatienten – etwa, um das Anlegen von Verbänden oder die Blutabnahme zu lernen. Schnuppernd nähern sie sich dem Besuch. Wenn sich die Studierenden nicht mit ihnen beschäftigen, kann es mitunter ein wenig langweilig werden – und die den Pferden eigene Neugier verlieren die Tiere auch im fortgeschrittenen Alter nicht.
(André Paul)

Foto (privat): Der schönste berufliche Moment für Oberärztin Anna May ist es, wenn sie einem Fohlen auf die Welt helfen kann.

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