Leben in Bayern

Lisa Graf hatte mit ihren Kriminalromanen nicht annähernd so viel Erfolg wie mit ihrer Trilogie über Dallmayr. (Foto: Pfeiffer)

11.10.2024

Hinter den Kulissen der Schokofabrik

Lisa Graf aus Berchtesgaden hat eine Schwäche für Feinkost – nach einer Buchtrilogie über das Münchner Delikatessenhaus Dallmayr schreibt sie über Lindt und Sprüngli

Lisa Graf wirkt tiefenentspannt. Mit ihren drei Bänden, die in der Welt des Delikatessenhauses Dallmayr in München spielen, hat sie geschafft, was ihr Jahrzehnte verwehrt blieb: hohe Verkaufszahlen auf dem heiß umkämpften Büchermarkt. Mit ihren Kriminalromanen – zwei davon spielen in Bad Reichenhall (Kurschatten-Affäre und Die zweite Geige) konnte sie zwar überzeugen, die hohen Verkaufszahlen erreicht die gebürtige Passauerin und Wahl-Berchtesgadenerin aber erst, seitdem sie sich großen Geschichten bekannter Familienunternehmen widmet.

Graf wählt dabei jene, die Bekanntheit genießen, die auf eine lange Historie zurückblicken und dadurch viel Raum für schriftstellerische Freiheiten bieten. Lisa Graf betont, dass es sich bei ihren Büchern um Romane handelt. Nicht alles, was man darin liest, hat so stattgefunden oder sich auch nur annähernd so zugetragen, sagt sie. Als Romanautorin hat Lisa Graf die Freiheit, sich nicht ausschließlich an Fakten orientieren zu müssen, sondern sich daran auch nur anlehnen zu können.

So auch bei ihrem neuen Projekt: der Geschichte rund um den weltbekannten Schokoladenhersteller Lindt und Sprüngli – zwei Familien, eine Leidenschaft“. Graf stieß bei ihren Recherchen vor allem auf Informationen zu den männlichen Protagonisten von Lindt und Sprüngli. „Ich war auch in der Schweiz, um die Städte und die Originalschauplätze kennenzulernen“, sagt Lisa Graf. Die weiblichen Akteure in ihrem neuen Buch sind weitestgehend ihrer Fantasie entsprungen. „Aber die historischen Abfolgen und die Details müssen einfach stimmen“, sagt sie.

Weder zu Dallmayr noch zu Lindt und Sprüngli hatte Graf Kontakt während ihrer Recherchen. Der Verlag hatte die Unternehmen zwar über die Roman-Absichten informiert. Zu einer näheren Zusammenarbeit kam es in der Folge aber nicht. „Meine Bücher entstehen völlig unabhängig“, sagt Lisa Graf. „Ich schreibe nur einen Roman und bin definitiv keine Markenbotschafterin.“

Ihr Konzept ist erfolgreich. Sie landete mit ihren jüngsten drei Werken, der Dallmayr-Trilogie, immer weit vorne in der Bestsellerliste als eine der meistverkauften Buchautorinnen Deutschlands. Am 2. Oktober veröffentlichte Lisa Graf nun den ersten Band der Trilogie über Lindt und Sprüngli. Klar ist bereits jetzt: Kommenden Herbst soll Band zwei erscheinen, ein Jahr darauf, 2026, dann Teil drei.

Graf hat auch in der Vergangenheit eher zum Ende des Jahres veröffentlicht. „Meine Bücher sind klassische Wintertitel.“ Sobald die Tage kürzer werden und die Temperaturen fallen, nimmt die Freude am Lesen eben zu. Vor allem beim weiblichen Publikum – ein Großteil von Grafs Leserschaft ist weiblich. „Im Herbst liegt man gemütlich auf dem Sofa, liest sein Buch und isst vielleicht sogar ein Stückchen Schokolade dazu“, sagt Lisa Graf. Klassische Genussthemen seien in der Zeit am Ende des Jahres durchaus beliebt.

Dass sich die Autorin für Lindt und Sprüngli entscheiden würde, stand für sie schon seit Langem fest. Der Name Lindt ist weltweit bekannt, nicht nur in Europa. In mehr als 120 Ländern finden Kunden Lindt-Produkte. Nur hielt die Autorin die Auswahl des Themas für den Buchstoff noch lange Zeit geheim. „Das wussten wirklich nur ich, mein Mann und mein Verlag“, sagt sie. Beim Verlag zeigte man sich durchaus angetan. Je bekannter eine Marke, desto besser.

Hinzu kommt: Das Unternehmen blickt auf eine lange und interessante Geschichte zurück. Der Ursprung reicht ins 19. Jahrhundert. Dabei geht es um zwei Familien unterschiedlicher Herkunft: die Konditorenfamilie Sprüngli aus Zürich und die Apothekerfamilie Lindt. Band eins handelt von den Sprünglis, von jenem jungen Rudolf, der in gewisser Weise ein Pionier seiner Zeit war. Ihm gelang es, in der deutschsprachigen Schweiz Schokolade zum ersten Mal in fester Tafelform herzustellen. Früher sei diese häufig nur getrunken worden, erzählt Lisa Graf.

Je bekannter ein Unternehmen, umso besser

In Band zwei soll es dann um Rudolf Lindt gehen, jenen Sprössling der bekannten Schweizer Apothekerfamilie, der nicht ins Schema der Familie passte. Ohne Abitur und Studium eröffnete er bereits 24-jährig eine Schokoladenmanufaktur. Er gilt als seiner Zeit voraus und als Erfinder des Conchierens, einem wichtigen Schritt im Herstellungsprozess von Schokolade. Ein Patentrecht gab es zu dieser Zeit noch nicht. Er hütete sein Geheimnis trotzdem mehr als 20 Jahre lang.

„Das Conchieren macht die Schokolade so cremig“, sagt Lisa Graf. Vor dieser Erfindung sei Schokolade eher bröselig gewesen. Sprüngli zeigte Interesse am Tun von Rudolf Lindt, „er wollte Lindts Verfahren besser verstehen“. Dieser zeigte jedoch keine Ambitionen, seine Schokoladenmanufaktur beziehungsweise sein Verfahren zu veräußern und zu teilen. Erst Ende des 19. Jahrhunderts verkaufte er sein gewachsenes Unternehmen für eine damals stattliche Summe. Die einzige Voraussetzung: dass ihm ein Mitspracherecht zugesprochen wird.

Ein Rechtsstreit entbrannte, den Autorin Lisa Graf im dritten Teil besprechen möchte. Er soll Anleihen eines Wirtschaftskrimis enthalten, kündigt die Autorin an. Dass das Cover des ersten Bandes in Form einer geöffneten Lindt-Schokoladentafel erscheint, war eine Idee ihres Verlags Penguin Random House, der bereits die drei erfolgreichen Dallmayr-Bände veröffentlicht hatte.

Mit dem Schreiben kam Graf im Entstehungsprozess gut voran. Künstliche Intelligenz nutzt die Berchtesgadener Autorin dabei im Übrigen nicht. „Ich habe damit schon mal versucht zu recherchieren und ein Exposé zu schreiben.“ Letzteres habe aber nicht funktioniert. Sie habe das Exposé dann wieder verworfen. Schreiben bleibt Autorinnensache, auch in Zukunft, versichert sie.

Auf Lesereise wird Lisa Graf auch im kommenden Jahr gehen, vor allem im süddeutschen Raum. Ob es damit auch in der Schweiz klappt, muss sich noch zeigen. Es ist zumindest Grafs Plan. „Dass eine deutsche Autorin über ein Schweizer Unternehmen schreibt, ist doch eher ungewöhnlich“, sagt die Berchtesgadenerin. (Kilian Pfeiffer)
 

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