Mahdi weiß, womit er in Zukunft sein Geld verdienen will. "Ich möchte mit Computern arbeiten", sagt der junge Mann aus Afghanistan. Welche Ausbildung für ihn in Frage kommt, weiß er noch nicht. Da ist sein Sitznachbar schon weiter: "Ich möchte Automechaniker werden." Und ein Dritter wünscht sich ein Praktikum als Lagerist. Christoph Nunner freut sich, dass die Jugendlichen in der Wohngruppe in Oy-Mittelberg im Oberallgäu bereits konkrete Vorstellungen haben. Er will ihnen beim Einstieg ins Berufsleben helfen und mit ihnen eine Zukunftsperspektive entwickeln. Nunner ist Integrationsmanager - der erste, den die Johanniter-Unfall-Hilfe in Bayern mit dieser Aufgabe betraut hat.
"Integration ist ein herausfordernder und langer Prozess. Ob er gelingt, wollen wir nicht dem Zufall überlassen", sagt Jürgen Wanat, Mitglied des Landesvorstandes der Johanniter. Die Hilfsorganisation sieht es als ihre Aufgabe, die jungen Flüchtlinge, die in Deutschland neuen und ungewohnten Gepflogenheiten begegnen, im Alltag zu begleiten - sei es in der Schule, im Berufsleben oder in der Freizeit. "Wir wollen, dass sie sich zurechtfinden." Der Integrationsmanager baue die Brücken, auf denen sich Flüchtlinge und die hiesige Bevölkerung begegnen können.
Nunner hat im Schulungsraum der Einrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge vier Jugendliche um sich versammelt. Die 16- und 17-Jährigen aus Afghanistan hören interessiert zu, während der Sozialpädagoge von Schnupperpraktikum, Bewerbungen und Berufsschule erzählt.
"Arbeit ist der wichtigste Punkt der Integration"
Nunner spricht langsam und deutlich - und ausschließlich Deutsch. "Ich versuche, ohne Dolmetscher auszukommen. Die Jugendlichen müssen Deutsch verstehen lernen. Das ist für ihre berufliche Zukunft enorm wichtig." Die jungen Männer, die seit einem halben Jahr in Deutschland sind, antworten auch auf Deutsch. Und das klappt schon recht gut. Auf die Frage, warum sie überhaupt einen Beruf brauchen, sagt Ali: "Wenn ich keine Arbeit habe, bekomme ich kein Geld und kann mir nichts kaufen."
In den fünf Unterkünften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die die Johanniter im Allgäu betreiben, leben derzeit knapp 90 junge Männer. Sie will Nunner auf ihrem Weg ins Berufsleben begleiten. "Arbeit ist der wichtigste Punkt der Integration", ist der 47-Jährige aus Kempten überzeugt. Der Sozialbetriebswirt verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der beruflichen Bildung. Seit Anfang Juni ist Nunner als Integrationsmanager für die Johanniter tätig. "Meine Aufgabe ist, die Jugendlichen ganz niederschwellig an das Thema Beruf heranzuführen. Warum muss ich arbeiten? Welche Möglichkeiten gibt es? Wie sieht in Deutschland eine Ausbildung und der Berufsalltag aus?"
Später will er mit jedem einzelnen einen Bildungsplan erstellen, durch Bewerbungstraining Sicherheit vermitteln und schließlich Kontakte zu Betrieben aufbauen. "Wichtig ist dabei, die jungen Männer zu fordern und sie zur Eigenständigkeit hinzuführen. Sie bekommen den Praktikumsplatz nicht auf dem Silbertablett serviert."
Die Träume sind meist realistisch: Koch, Friseur, Schneider
Doch zunächst stehe das gegenseitige Kennenlernen auf dem Programm. Dabei fragt Nunner die Erfahrungen der Jugendlichen ab - und ihre Wünsche, was sie gerne werden wollen. "Oft sind es Berufe, die sie von zu Hause kennen. Koch, Friseur oder Schneider zum Beispiel." Hin und wieder würden auch unrealistische Träume geäußert. "Dass ein Junge Fußballprofi werden will, ist nichts Ungewöhnliches. Das kenne ich auch von deutschen Jugendlichen."
Um junge Flüchtlinge berufsfit zu machen, wollen die Johanniter in Bayern weitere Integrationsmanager einstellen. Nach Angaben des Landesverbands sind zunächst drei weitere Stellen geplant: eine zweite im Allgäu, eine in Mittelfranken und eine in der Landeshauptstadt München.
Die Industrie- und Handelskammer in Schwaben begrüßt die Unterstützung durch die Johanniter. Die Aufgabe des Integrationsmanagers sei wichtig - nicht nur aus fachlicher, sondern auch aus menschlicher Sicht, sagt Ausbildungsexpertin Josefine Steiger. "Die jungen Flüchtlinge können sich nicht mit ihren Eltern oder Großeltern austauschen wie die Jugendlichen bei uns. Deshalb brauchen sie solche Kümmerer als Ersatz." Durch die berufliche Begleitung könne zudem ein vorzeitiger Abbruch der Ausbildung verhindert werden. Laut Steiger setzt auch die IHK Integrationsberater ein, die sich speziell um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kümmern. (Birgit Ellinger, dpa)
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