Bernd Bogner hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. „Die Bevölkerung wird dauernd aufgefordert, bei der Energiewende mitzumachen. Und hier bei uns steht einer von Bayerns größten Energiespeichern einfach seit über zehn Jahren nutzlos in der Gegend herum“, ärgert sich der Happurger Bürgermeister von der FWG. Er verweist auf die wirtschaftlichen Folgen der Stilllegung des Pumpspeicherkraftwerks in seiner kleinen Gemeinde im Nürnberger Land.
„Früher standen wir beim Finanz-Ranking im Landkreis auf dem zehnten Platz. Heute sind wir auf den vorletzten Platz abgerutscht“, sagt Bogner und gibt zu, dass die Kommune früher gut von und mit den sprudelnden Gewerbesteuern aus der Wasserkraft gelebt habe. Seit dem Bau des Stausees in den 50er-Jahren gehörten das Rauschen der Turbinen und das Dröhnen der Pumpen zum Leben in Happurg dazu. Platz für ein Gewerbegebiet gibt es rund um den Kirchturm zwischen Ober- und Untersee nicht.
Immerhin dürfen sich die Badegäste seit der Abschaltung der Anlagen über das malerisch schimmernde Wasser freuen, das durch die Pumpaktionen früher eher immer bräunlich gewesen sein soll. Mit einem Wandel zum Erholungsort liebäugelt Happurg aber nicht. „Die Badegäste sind für uns leider eher ein Draufzahlgeschäft“, sagt der Bürgermeister und engagiert sich deshalb seit seinem Amtsantritt vor fast zehn Jahren für die Renovierung des Stausees, in dem seinerzeit Undichtigkeiten im Oberbecken zur Stilllegung geführt hatten.
Staatsregierung unterstützt die Pläne zur Reaktivierung
„Die Initiative zur Reaktivierung ist von uns ausgegangen“, sagt der Bürgermeister stolz und erinnert sich noch mit Genugtuung an den kürzlich erfolgten Besuch von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und Umweltminister Thorsten Glauber (beide FW) zurück. Im Rahmen der Visite hatten Söder und Aiwanger unisono gefordert, dass Happurg wieder ans Netz müsse – je eher, desto besser.
Bei der Betreiberfirma Uniper scheint man die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Bei dem Energieversorger will man bis zum Ende des Jahres entscheiden, ob man die Investitionskosten in Höhe von mindestens 100 Millionen Euro stemmen könne, sagte ein Sprecher kürzlich auf Anfrage.
Besonders für die Netzstabilität wäre der Wert des Stausees wahrscheinlich unbezahlbar. Immer wenn Sonnen- und Windenergie in rauen Mengen vorhanden ist, könnte Happurg die Pumpen anwerfen und wie eine gigantische Öko-Batterie funktionieren. „Wir brauchen diese großen Speicher, um Strom aus erneuerbaren Energien zu speichern und bei Bedarf einzusetzen“, erklärte auch Aiwanger kürzlich vor Ort. Happurg sei ein wichtiger Baustein der Energiewende, weil das Kraftwerk die Stromüberschüsse bei starkem Wind und viel Sonnenschein aufnehmen und speichern könne.
Davon ist man auch beim städtischen Energieversorger N-Ergie in Nürnberg überzeugt. Als Betreiber des Stromverteilnetzes in Nürnberg und der Region würde das Pumpspeicherkraftwerk Happurg zusätzliche Flexibilität in das System bringen, teilt Pressesprecher Michael Enderlein auf Anfrage mit und weist ebenfalls darauf hin, dass im Zuge der Energiewende in großem Umfang derartige Speicherkapazitäten eigentlich benötigt würden, um beispielsweise die mittägliche Erzeugungsspitze aus der Photovoltaik zwischenspeichern und diese zumindest teilweise in die Abend- und Nachtstunden verschieben zu können.
Doch dummerweise rechnen sich diese Beiträge zur Netzstabilität wie die Investition zur Wiederbelebung des Happurger Pumpspeicherkraftwerks für die Energieversorger derzeit offensichtlich kaum. „Der Bund muss jetzt die Rahmenbedingungen schaffen, dass sich diese Leistungen auch wirtschaftlich lohnen“, forderte daher Aiwanger in Happurg und kritisierte das aktuelle Vergütungssystem auf dem Strommarkt, der nur noch nach dem simplen Bezahlmotto „Energy only“ funktioniere. Eine Änderung des Vergütungssystems sei entscheidend, damit Pumpspeicherkraftwerke wie in Happurg künftig wirtschaftlich betrieben werden können.
„Wir haben in Bayern ein großes Potenzial für Pumpspeicherwerke“, sagte Aiwanger und verwies darauf, dass auch in Riedl bei Passau ebenfalls seit über zehn Jahren ein Genehmigungsverfahren für ein kleineres, aber genauso wertvolles Pumpspeicherprojekt laufe.
Noch mehr Wumms hätte der Stausee in Happurg, der mit seiner Fallhöhe von fast 210 Metern das Wasser für 850 Megawattstunden Strom speichern könnte. Selbstverständlich könnte Happurg auch Strom erzeugen mit einer Leistung von 160 Megawatt.
Viel wichtiger ist allerdings die Speicherfunktion, die Uniper als die eigentliche „Trumpfkarte“ für die Energiewende bezeichnet. Innerhalb von Sekunden könnten die Maschinen in Happurg von Stromerzeugung auf Speichern umschalten, um beispielsweise überflüssigen Strom aus den nicht steuerbaren Windrädern oder Solaranlagen aus dem Netz zu nehmen.
„Pumpspeicherkraftwerke sind mit Abstand die bewährteste Großtechnologie zur Energiespeicherung und sind aufgrund ihrer Flexibilität eine wichtige Voraussetzung für die Integration der naturgemäß schwankenden Stromerzeugung aus Sonne und Wind“, erklärte Klaus Engels, Direktor Wasserkraft Deutschland bei Uniper. Aktuell würden diese „energiewirtschaftlich bedeutsamen Vorteile“ aber in der Strompreisbildung „praktisch nicht“ berücksichtigt.
„Im Gegenteil, Pumpspeicherkraftwerke werden in der Regel wie Letztverbraucher behandelt und mit hohen Umlagen belastet“, wies Engels auf die schwierigen Rahmenbedingungen hin, die eine Entscheidung für die Millioneninvestition in Happurg trotz der offensichtlichen Vorteile für die Bewältigung der Energiewende paradoxerweise nicht leichter machen dürften.
Uniper müsste für viel Geld sanieren
Technisch wäre ein Neustart des „grünen XXL-Akkus“ wohl kein Problem. In dem rund 1,8 Millionen Kubikmeter fassenden Oberbecken müsste der Untergrund saniert und mit einem zweischichtigen Dichtungssystem ergänzt werden. Das wäre möglich, aber eben ziemlich teuer.
2011 hatten Aussickerungen in das kreidezeitliche Lockergestein für mannshohe Einbrüche gesorgt und schließlich zur Abschaltung geführt. Im Rahmen einer Ertüchtigung würde durch eine Sanierung der Maschinen-, Elektro- und Leittechnik auch die Leistung um 7,5 Prozent erhöht werden – wenn sich denn der Wiederaufbau wirtschaftlich lohnen würde.
Wenn dieser gordische Knoten zerschlagen ist, könnte es immerhin relativ schnell gehen. „Sollte die Entscheidung Ende des Jahres positiv ausfallen, können die Arbeiten zur Revitalisierung schnell beginnen und eine Wiederinbetriebnahme des Pumpspeicherkraftwerks bereits 2027 erfolgen“, betonte Engels in Happurg.
Derweil drückt besonders der Bürgermeister im Rathaus des fränkischen Wasserkraftwerk-Dorfes die Daumen, dass es mit der Reaktivierung „seines“ Stausees vor der Haustür endlich klappt. „Ich bin schon seit über zehn Jahren guter Dinge. Aber jetzt bin ich dreimal guter Dinge“, freut sich der Happurger Bürgermeister nach dem Besuch des Staatskabinett-Triumvirats und verrät, dass er Söder vorsorglich schon zur feierlichen Wiedereröffnung des Wasserkraftwerks eingeladen habe. (Nikolas Pelke)
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