Die Fronten sind verhärtet: Die einen sehen in der Jagd einen „Exklusiv-Hobby-Sport für Wohlhabende“ mit Hang zur Lust am Töten. Die anderen betonen, dass Jäger das ökologische Gleichgewicht in Wald und Flur garantieren. Eine Annäherung ist schwierig. Fakt ist jedenfalls: Auch wenn die gesellschaftliche Anerkennung schwindet, die Zahl der Jagdscheininhaber nimmt ständig zu.
„Jagd – die schmeckt!“ ist das Motto des Landesjägertags 2016. In Kulmbach steht er vom 15. bis 17. April an. Während sich unter dem Thema augenscheinlich alles rund um das Wildbret dreht, wird in der Zunft aktuell aber auch heftig gerungen: Um die zukünftige Ausrichtung der Jagd. „Das Zusammentreffen von Zivilisation und Natur führt immer zu Konflikten“, weiß auch Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler. Er ist studierter Landwirt und passionierter Jäger. Und er betont: „Je dichter unsere Kulturlandschaft besiedelt ist, desto wichtiger ist der Jäger, um dieses Zusammenleben nachhaltig und verantwortungsvoll zu organisieren.“
Das sehen wahrlich nicht alle so. Nicht wenige halten die Jagd für einen „Exklusiv-Hobby-Sport für Wohlhabende“ mit Hang zur Lust am Töten. Bemerkenswert aber ist, dass trotz scheinbar rückläufiger gesellschaftlicher Anerkennung laut bayerischem Forstministerium die Anzahl der Jagdscheininhaber beständig zunimmt. Jürgen Vocke, Präsident des bayerischen Jagdverbandes (BJV), sieht darin einen Trend, dass die Jugend bereit sei, in ihrer Freizeit Verantwortung für den Erhalt und die Bewahrung der Natur und ihrer Ressourcen zu übernehmen. „Selbsternannte Aktivisten mögen ihr Scheinwissen aus dem Internet beziehen, die Lösung eines Jagdscheins weist aber das erfolgreich bestandene ,Grüne Abitur’ nach“, so Vocke. Es ist die Prüfung am Ende einer umfangreichen Ausbildung.
In der Bewertung von Argumenten der hitzig geführten Debatte um das Miteinander von Jagd und Naturschutz bedarf es wissenschaftlich fundierter Antworten, dies fordern beide Seiten: Gegner und Befürworter. Die neu gegründete Bayerische Akademie für Jagd und Natur im oberfränkischen Wunsiedel soll genau dort ansetzen. Die Aufgabe: In einem eigenen rund 1000 Hektar großen Revier Forschungsprojekte durchzuführen und damit eine lebendige faktenbasierte Debatte anzustoßen.
In seinem Impulsreferat „Gesellschaft im Wandel – Jagd im öffentlichen Diskurs“ zur Eröffnung der Akademie am vergangenen Freitag forderte Klaus Stüwe, Lehrstuhlinhaber an der Katholischen Uni Eichstätt, „einen Wandel in den Köpfen der Jägerschaft selbst“. Offenheit und Transparenz seien wichtig. Und der ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich betonte die Breitenwirkung der hohen selbst gesteckten Ziele: „Ich bin stolz darauf, dass von hier Impulse ausgehen und die auch in anderen Ländern aufgenommen werden.“ Und auch er sieht „das großartige Kulturgut Jagd“ in der Verpflichtung, fit für die Zukunft werden zu müssen.
Finden die Jäger nicht selbst zügig Antworten, wird dies die Politik übernehmen
Klima- und Strukturwandel machen der bayerischen Flora und Fauna zu schaffen. Aber auch die veränderte gesellschaftliche Betrachtung der Jagdausübung zollt ihren Tribut und verlangt nach Antworten in Waid- und Artgerechtigkeit. Wie soll beispielsweise eine den natürlichen Ansprüchen genügende Notzeitfütterung gestaltet werden? Was ist die richtige Munition? Soll die Wildruhe verkürzt werden und welche Tiere gehören auf die Liste der jagdbaren Arten? Finden die Jäger auf solche Fragen nicht selbst zügig zeitgemäße Antworten, wird dies die Politik für sie übernehmen.
Ansätze gibt es dafür bereits: Nachdem einige Bundesländer ihr Jagdrecht teils gegen die praxiserprobten Leitempfehlungen der Jagdverbände überarbeitet haben, hat nun auch das Bundeslandwirtschaftsministerium einen Entwurf für die Novellierung des Bundesjagdgesetzes auf den Weg gebracht. Auch weil das Vorpreschen der Länder zu einer Vielzahl unterschiedlicher behördlicher Nachweise, die Jäger für jedes Bundesland vorhalten müssten, zu führen drohte. Ein rechtlicher Flickenteppich, der mit dem überparteilich geforderten Bürokratieabbau wenig gemein hat.
Von Bürokratie spricht der ehemalige Ordinarius an der LMU München, Helmut Zöpfl, denn auch nicht, wenn es um die Jagd geht. Er betont dagegen die „tiefe Religiosität, die der Jagdkultur innewohnt“. Und „ihre Ehrfurcht, die sie vor der Schöpfung zum Ausdruck“ bringt. Das reicht aber wohl kaum aus in Zeiten, in denen Tierethik religiöser Überzeugung den Rang abzulaufen scheint.
Norbert Schäffer, Präsident des Landesbunds für Vogelschutz (LBV), plädiert bereits länger für eine Zusammenarbeit der – aus seiner Sicht – nur nur scheinbaren Gegner. Für ihn gehören Jagd- und Naturschutz zusammen. Jäger seien auch Naturschützer, meint er. Diese in den Augen mancher ökologischer Bewegungen radikale Ansicht könnte sich vielleicht bald sogar offiziell durchsetzen. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen lehnte im Dezember zwar die Klage auf Anerkennung des Landesjagdverbands (LJV) NRW als Tierschutzverein ab, dies aber nur aus rein satzungsformellen Gründen. Es hob aber die Leistungen eines jeden einzelnen Jägers und auch des Landesjagdverbandes für den Tierschutz ausdrücklich hervor.
"Jagd endet nicht mit dem Schuss, sondern inkludiert viele Stunden unentgeltliche Revierpflege"
„Jagd endet nicht mit dem Schuss, sondern inkludiert viele Stunden unentgeltliche Revierpflege“, weiß BJV-Präsident Vocke zu berichten. Allein für eine ökonomische Entlastung der öffentlichen Gemeinschaft in Zeiten knapper Haushaltskassen, führe kein Weg an die Einbindung und Honorierung der Leistung der Jägerschaft vorbei. Auch der häufige Verweis auf das Genfer Modell, wo seit 40 Jahren durch Volksabstimmung ein allgemeines Jagdverbot besteht, zeuge von Unkenntnis. Die Aufgaben von privaten Jägern übernehmen nun öffentlich bestellte „Wildtiermanager“, völlige Deregulierung sei in einer von Menschen geprägten Landschaft kaum möglich.
Aber Jagd ist eben auch mehr als das: „Sie ist Heimat und Tradition, sie ist Kulturgut im Ehrenamt und gehört zu Bayern“, betont Vocke. Aber Jagd war eben auch immer ein kulturelles Abbild ihrer Zeit. Prähistorisch stand das erlegte Wild im Vordergrund, bei den Mykenern die Freude an der Jagd und die Anerkennung des Mutes, den sie erfordert. Die christliche Dogmatik lehnte lange den Kampf des Jägers mit dem Wild ab und verdrängte die Wirklichkeit des Waidwerkes.
Und auch heute versuchen die Jäger ihren Platz zu finden – zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Land- und Forstwirtschaft und den Anfeindungen der Naturschützer. Das ist kein einfacher Weg, der viel Mut und Einsicht erfordert, zumal innere und äußere Schranken des Unverständnisses überwunden werden müssen. (Rebecca Koenig)
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