Leben in Bayern

Viele Weltklassemusiker bestellen bei ihm ihre Posaunen oder Trompeten: der Oberbayer Peter Baumann. (Foto: Peters)

22.07.2011

"Made in Bavaria hat einen guten Klang"

Neue Serie: Seltene Handwerksberufe (Teil I) – Der Chiemgauer Peter Baumann ist einer der letzten Blechblasinstrumentenbaumeister im Freistaat

Wer kennt sie noch: die Horndrechsler, Flößer oder Federkielsticker – in Bayern gibt es zahlreiche fast ausgestorbene Handwerksberufe. Die BSZ stellt in den nächsten Wochen einige davon vor. In der ersten Folge stattet die Staatszeitung einem der letzten Blechblasinstrumentenbaumeister einen Besuch ab. Zwischen dem alten Ägypten um 1323 vor Christus und dem Aschau der Moderne ist es gar nicht so weit, zumindest musikalisch gesehen. Hier wie dort schätzte und schätzt man die Eigenschaften der Blechblasinstrumente im Allgemeinen und der Trompete im Besonderen. Ihre hervorstechendste Eigenschaft ist, dass sie Töne erzeugen können, die kilometerweit zu hören sind. Deshalb war das Instrument – neben dem Flügelhorn – sowohl zu Pharao Tutanchamuns Zeiten wie auch 3000 Jahre später ein beliebtes Instrument der Signalgebung und des Militärs.
Heute sieht das Blasgerät freilich etwas anders aus als damals und der Output dient eher der akustischen Erbauung als der Datenübertragung. Komponisten von Bach bis Vivaldi, von Haydn bis Mozart (Leopold) widmeten ihr Soli oder ganze Konzerte. Und keine bayerische Volksmusikgruppe käme ohne sie aus. Hier schließt sich der Kreis: Ein Spezialist der Trompetenbaukunst wohnt und wirkt heute in Aschau: Peter Baumann.
Musik liegt bei den Baumanns in der Familie
Seine korrekte Berufsbezeichnung passt nur knapp auf eine Visitenkarte: Blechblasinstrumentenbaumeister. Er ist einer der letzten in Bayern und einer der wenigen in ganz Deutschland, die dieses Handwerk noch am Leben erhalten.
Der Chiemgauer baut aber nicht nur Konzert- und Jazztrompeten, sondern auch Flügel-, Tenor- und Baritonhörner. Und das so gut, dass seine Kundschaft aus der ganzen Welt nach Oberbayern pilgert: Blechblasinstrumentalisten von der Oper Verona, dem Los Angeles Chamber Orchestra, dem Chicago Philharmonic Orchestra oder sogar vom Sydney Opera House setzen sich ins Flugzeug, um mit Peter Baumann ihr nächstes Instrument zu besprechen und von ihm bauen zu lassen.
„Made in Bavaria“ steht hier für feinste Handarbeit und große Sachkenntnis. „Ein Instrument ist wie ein Maßanzug“, erklärt der 43-jährige Handwerker und fügt hinzu: „Ich muss wissen: was spielt der Musiker – Orchester oder Kammermusik – , was kann er, welche Stärken muss ich betonen, welche Schwächen ausgleichen?“
Wahrlich eine Wissenschaft für sich. Weiß man um die Möglichkeiten, wundert man sich, dass neun von zehn Musikern auf standardisierten, industriell gefertigten Hörnern und Trompeten spielen. Dabei kosten maschinell gefertigte Blechblasinstrumente von namhaften Herstellern auch nicht weniger als die 2000 bis 4000 Euro teuren handgefertigten von Baumann.
Jedenfalls sitzen regelmäßig international renommierte Musiker bei Peter Baumann in der Werkstatt, spielen ihm vor und diskutieren mit ihm die zukünftige Physis ihres Arbeitsgeräts. Sie lauschen auf kleinste Ungereimtheiten, auf Tonfarbe und Klanghärte – je nach Niveau, Einsatzgebiet und Vermögen des Musikers.
Musik liegt bei den Baumanns in der Familie. Der Großvater spielte mehrere Instrumente, er und die Großmutter sangen – alles hobbymäßig, trotzdem wurde der kleine Peter schon früh infiziert und lernte vom Opa das Trompetenspiel. Mit zwölf kam dann ein Flügelhorn ins Haus. Schon damals zeigte sich der Perfektionismus des jungen Musikus: Als das geliehene Horn durch ein eigenes ersetzt werden sollte, musste es ein maßgeschneidertes sein. Und so lernte Peter Baumann seinen späteren Lehrmeister Axel Müller aus Brannenburg kennen.
1800 Mark sollte das Instrument kosten, da spielten die Eltern nicht mit. Und so verdiente sich der junge Peter das Geld als Aushilfe in der Landwirtschaft. Das Flügelhorn – das übrigens nicht so heißt, weil es Flügel hat, sondern weil damit früher militärische Flügel dirigiert wurden – wurde gebaut. Der Kontakt blieb, und als Axel Müller einen Lehrjungen suchte, war das berufliche Schicksal von Peter Baumann besiegelt. „Mich fasziniert die Kombination von Musikalität und Technik. Ich hätte nie Berufsmusiker werden wollen“, erzählt Baumann.
Beharrlichkeit und Zielstrebigkeit sind ein Markenzeichen des Familienvaters. Gut ist ihm nicht gut genug, er will spitze sein. Bei seiner Gesellenprüfung war er Innungsbester und Landessieger im Blechblasinstrumentenbau.
Sein Arbeitstag hat mindestens zwölf Stunden, trotzdem schafft er nicht mehr als vier Konzertinstrumente im Monat. Denn das Herstellen einer Trompete oder eines Horns ist extrem aufwändig und erfordert das Fachwissen mehrerer Gewerke: Baumann ist Mundstückdreher, Schallstückmacher, Maschinenbauer und Instrumentenkonstrukteur in einem. Die Maschinen für besondere Anforderungen konstruiert und baut er zum Teil sogar selbst.
Ein mühseliges Präzisionshandwerk
Um das Herstellen von Jazztrompeten und Pumpventilen zu lernen, ging er für einige Zeit in die USA. Eigentlich wollte er da bleiben, doch nach dem schweren Erdbeben in Kalifornien 1989, das er nur knapp unversehrt überstand, besann er sich auf die Heimat und kehrte zurück in den Freistaat. Zwei Jahre später gründete der Oberbayer seine eigene Firma.
So blitzblank ein fertiges Blechblasinstrument aussieht, so dreckig und mühselig ist seine Herstellung. Das Instrument besteht aus zahllosen Komponenten, die wichtigsten sind Mundstück, Schallstück und die Mechanik. Nehmen wir eine Trompete: Das ausladende Ende, Schallstück genannt, wird aus weniger als einem halben Millimeter dickem Messingblech zugeschnitten, zusammengelötet und dann in die gewünschte Form gebracht.
An das monotone Klopfen, um die anfangs noch platte Messingblechtüte in die allseits bekannte Form – vorne spitz, hinten ein breiter Trichter – zu bringen, haben sich die Nachbarn inzwischen gewöhnt. „Das hört ja auch wieder auf und dann haben sie wieder mehrere Wochen Ruhe“, grinst der Instrumentenbauer.
In diesem Stadium sieht die Trompete noch aus wie die beiden Exemplare aus der Grabbeigabe von Tutanchamun: gerade und sich konisch ausweitend. Um das dünne Ende zu biegen, werden die Rohre wie schon seit mehreren hundert Jahren mit flüssigem Blei gefüllt und nach dem Erkalten gebogen. Keine gesunde Arbeit. Die entstehenden Falten müssen verklopft werden, dann wird an der Biegung gehämmert, gefeilt, geschliffen und poliert, bis der so genannte Maschinenstock zusammengebaut werden kann.
In der Freizeit beim Schnapsbrennen
Hier muss absolute Präzision vorherrschen, die Rohre werden auf Maß gezogen, da geht es um hundertstel Millimeter. Und dann muss wieder poliert werden, bis zu neun Stunden per Hand.
Anschließend geht das Instrument zum Vergolden nach Wien. Die Galvanik ist neben der Herstellung der Drehventile das einzige, das Baumann nicht selber macht. Ihm ist wichtig, dass möglichst alles aus einer Hand kommt: „Man hat einfach die größere Kontrolle“, sagt er. Wahrscheinlich würde es ihm eh niemand rechtmachen, denn der Handwerksmeister nennt sich selber einen „Pedanten“. Doch das macht am Ende die Güte seiner Instrumente aus.
Der Nachteil seines Perfektionismus und seines guten Rufs: Seine Familie hat ihn nur selten für sich. Ist er nicht in seiner Werkstatt, findet man Baumann unter Umständen in seinem Hobbyraum: eine eigene Schnapsbrennerei. Die Zerstreuung passt zu ihm: Auch hier sind Geduld, Fachkenntnis und Tüftelei gefragt.
Manchmal, wenn Peter Baumann doch einmal mit seiner Frau und seinen beiden Kindern durch den Ort spaziert, weht aus einem Proberaum der Klang von heimischer Musik herüber. Die Hohenaschauer Musikanten sind inzwischen weit über die Grenzen des Chiemgau bekannt. Aus einer Freizeitkapelle wurde ein Volksmusikorchester mit professionellem Niveau und zwei CDs auf dem Markt.
„Wir haben viele gute Musiker hier in der Gegend, einige der besten Blechbläser der Münchener Philharmoniker kommen von hier.“ Hohenaschau ist eine Hochburg der Musik geworden – auch dank Peter Baumann.
(Gabi Peters)

Kommentare (1)

  1. trubamed@hotmail.com am 12.11.2017
    Sehr geehrte Damen und Herren,

    Wäre es möglich meine Yamaha Trompete (siehe Fotos) wieder in einem neuwertigen Zustand herzurichten (lackieren und sonstige Arbeiten die für die Optik notwendig wären)? Was würde das preislich ausmachen und wie lange würde die Reparatur zeitlich dauern?

    Vielen Dank im Voraus!
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