Leben in Bayern

Bons verkaufter Backwaren liegen in einer Bäckerei in Ansbach im Schaufenster. (Fotos: dpa/Daniel Karmann/Tobias Hase)

03.02.2020

Mal süß, mal lang: kreative Proteste gegen die Bonpflicht

Das umstrittene Gesetz betrifft nicht nur Bäcker, sondern all jene Geschäfte mit hohem Bargeldanteil. Die Proteste gegen die seit Januar fälligen Kassenbons sind heftig. Aber nicht überall geht es ernst zu

Seit gut einem Monat gilt die Bonpflicht in Deutschland. Die Kritik an ihr hält an. Bei einigen betroffenen Unternehmern hat die Regelung gegen Steuerbetrug an Ladenkassen allerdings nicht nur Wut, sondern auch Kreativität ausgelöst: Sie protestieren auf ihre Weise dagegen, dass Händler mit elektronischen Kassensystemen Kunden bei jedem Kauf unaufgefordert einen Beleg aushändigen müssen. Vor allem Bäcker mit Laufkundschaft, die in der Regel keine Kassenbons haben will, beklagen überflüssige Müllberge. Der Fiskus hingegen beklagt seit Jahren hohe Ausfälle bei Steuereinnahmen durch Mogelkassen - es ist von Milliarden die Rede. Eine Auswahl kreativer Proteste und anderer Reaktionen:

SÜßER PROTEST

Im bayerischen Moosinning und in Budenheim bei Mainz ist die Bonpflicht zum Verkaufsschlager geworden. Dort garnieren Bäckereien ihre Krapfen beziehungsweise Kreppel mit einer Quittung aus Fondant beziehungsweise Zuckerpapier. Bedruckt wird das Ganze mit Lebensmittelfarbe. Das Ergebnis sieht - zumindest in Bayern - einer normalen Quittung dank Steuernummer, Adresse, Preis und Mehrwertsteuerausweis sehr ähnlich. In Mainz weist ein zusätzliches "Helau" den Krapfen als Faschingsaktion aus. Die Aktionen kommen nach Angaben der Unternehmen bei den Kunden gut an, auch wenn trotz der süßen Kassenzettel noch normale Belege vorgeschrieben sind.

EIN KORB FÜR DEN ODER DAS BON
Dem Bon einen Korb geben einige Betriebe wie das Café Eigler in Leipzig mit einem Wortspiel. Dabei liegen "Schokobons" einer Süßwarenmarke oder Bonbons bereit, versehen mit dem Hinweis, nach dem Einkauf doch bitte unbedingt unaufgefordert ein(en) Bon mitzunehmen.

DER BON ALS DEKORATION
Das Gasthaus Gutenberg in Karlsruhe hatte bereits im Dezember mit seinem Protest gegen die Bonpflicht begonnen. Mehr als 1000 Bons wurden fein säuberlich auf Schnüre gefädelt und wie Girlanden in den Gasträumen aufgehängt. Inzwischen habe man sie abgenommen, heißt es auf Nachfrage. Statt über den Köpfen der Gäste finden sich die Bons - zusammen mit neuen Quittungen - jetzt im Schaufenster. Das ist offenbar ein beliebter Ort für die Kassenzettel: Auch die Bäckerei Jahn im bayerischen Ansbach sammelt dort die Zettel.

ZURÜCK ZUM URSPRUNG
Dem Staat geben, was der Staat haben wollte, ist das Motto verschiedener Aufrufe. So postete beispielsweise die Bäckerei Frick aus Weingarten in Baden-Württemberg auf Ihrem Facebook-Account eine Erklärung zur Bonpflicht für die Kunden - verbunden mit dem Vorschlag, die Zettel doch mit nach Hause zu nehmen, zu sammeln und bei Gelegenheit dem Finanzamt in den Briefkasten zu stecken. Bei Theo's Kitchen im schleswig-holsteinischen Husum sammelt man die Bons sogar selbst, um sie ans Finanzministerium zu schicken. Zwei Tüten seien schon voll, heißt es dort.

DIE MASSE MACHT'S

Etwa eine halbe Million Bons sammelte der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Erik Schweickert (FDP) nach eigenen Angaben von zehn Bäckern in seinem Wahlkreis. Er nutzte sie für eine Protestaktion vor dem Landtagsgebäude. Die meisten Säcke wurden danach von einem Entsorgungsunternehmen abtransportiert, fünf nahm Schweickert mit in die Sitzung des Wirtschaftsausschusses, dessen Vorsitzender er ist.

GESETZESTREU IM SAUNACLUB

Die Bonpflicht sorgt allerdings nicht nur für Ärger zwischen ihren Machern und Unternehmern. In der Nähe des hessischen Dieburgs musste die Polizei anrücken, um den Streit zwischen dem Besucher eines Saunaclubs und dessen Sicherheitsdienstes zu schlichten. Der Mann hatte nämlich nach dem Besuch des Etablissements einen Bon verlangt und war daraufhin zunächst vor die Tür gesetzt worden. Warum der Mann auf Ausstellung eines Bons bestand, blieb offen. Er kam allerdings zu seinem Recht: Nach Intervention der Beamten erhielt er eine handschriftliche Quittung für seinen gezahlten Eintritt.

ALTERNATIV

Dabei müsste die Debatte um die Bonflut gar nicht sein, denn es gibt verschiedene digitale Alternativen zum Zettel: Bons können auch über Apps oder das abfotografieren eines QR-Codes übertragen werden.
(Christof Rührmair, dpa)

Kaum Chancen für Ausnahmen von der Bonpflicht
Unternehmen haben in Bayern offenbar kaum Chancen darauf, von der Bonpflicht befreit zu werden. "Nach meinen Informationen werden die Ausnahmegenehmigungen sehr restriktiv vergeben, die meisten werden abgelehnt", sagte der Präsident des Bayerischen Handwerkstags, Franz Xaver Peteranderl. Auch das bayerische Finanzministerium erklärte auf Anfrage, dass es eine Befreiung nur geben könne, wenn die Belegausgabe "im Einzelfall unzumutbar" sei und betonte, dass die Kosten der Ausgabe alleine nicht dafür ausreichten. Dies sei eine bundeseinheitliche Regelung.

Peteranderl steht der Bonausgabepflicht kritisch gegenüber. Dem Finanzamt bringe es ja nichts, wenn der Kunde einen Bon habe, sagte er. Statt der aktuellen Regelung könne er sich eine Lösung vorstellen, bei der erst ab einer gewissen Summe ein Bon ausgestellt werden muss. Mit einer schnellen Änderung rechnet er aber nicht.

Unterstützung bekommt das Handwerk von Ministerpräsident Markus Söder (CSU): Er halte es für "sehr sinnvoll" noch einmal über Bagatellgrenzen zu sprechen, sagte er dem Radiosender Antenne Bayern. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sei gebeten noch einmal zu überlegen, wie man das Thema entbürokratisieren könne und werde dies auch tun, sagte Söder. Schon am Mittwoch hatte der Landtag einen Antrag von CSU und Freien Wählern zur Bonpflicht beschlossen, der praxistaugliche Maßnahmen forderte, um "bürokratische Auswüchse für den bayerischen Mittelstand zu vermeiden."

Seit Jahresbeginn müssen Händler mit elektronischen Kassensystemen ihren Kunden bei jedem Kauf unaufgefordert einen Beleg aushändigen. Damit will der Gesetzgeber Steuerbetrug verhindern. Die Regelung wird von vielen als bürokratisch kritisiert.
(dpa)

Kommentare (1)

  1. Veronika am 03.02.2020
    Unterhaltsam, wie mit der Bonpflicht und den damit verbundenen Belegen umgegangen wird.
    Schade ist es trotzdem, dass so viel Papier verschwendet werden muss. Die digitalen Lösungen sollten viel mehr genutzt werden. Hätten sie auch schon vor Einführung der Belegpflicht. Es gibt sehr einfache Lösungen, wie die von GreenBill. Elektronische Alternativen sollten sich durchsetzen!
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