Leben in Bayern

Der Voglwuide Sepp im Freizeitpark in Sankt Englmar ist Bayerns längste Achterbahn. (Foto: BSZ)

28.04.2023

Mit dem Ende des Wintersports fing alles an

Vor 25 Jahren eröffnete die Sommerrodelbahn in Sankt Englmar auf einer ehemaligen Skipiste – der beliebte Freizeitpark im Bayerischen Wald bietet unter anderem Bayerns längste Achterbahn

Ferienzeit. Auf dem Gelände der Sommerrodelbahn in Sankt Englmar herrscht wieder Hochbetrieb. Kinder wie Erwachsene sausen in Bobs den Berg herab. Im „Voglwuiden Sepp“, Bayerns längster Achterbahn, kreischen die Fahrgäste. Der „Biberhopser“ schraubt sich nach oben, während die Kinder, die darin sitzen, voller Vorfreude gespannt die Luft anhalten.

Über all das wacht Franz Bindl, der das Freizeitparadies im höchsten Bergdorf des Bayerischen Waldes aufgebaut hat. Der 60-Jährige, wie immer in Arbeitskluft, strahlt fast so sehr wie seine Fahrgäste, wenn er das bunte Bild, das sich ihm zeigt, auf sich wirken lässt: Exakt vor 25 Jahren startete er mit einer Sommerrodelbahn und hoffte, sie würde sich etablieren. Das tat sie, und es sind zahlreiche weitere Attraktionen dazugekommen.

Drei Gesellschafter für die hohe Investition mit ins Boot geholt

Der Ursprung des Sommerrodelspaßes liegt aber in einem Winterangebot. Denn auf dem jetzigen Grundstück, das schon damals der Familie Bindl gehört hat, stand viele Jahre lang ein Skilift, der die Wintersportler*innen hochgezogen hat, damit sie den Berg hinunterbrettern konnten. Doch irgendwann kam der Lift in die Jahre, der Schnee im Bayerischen Wald wurde weniger und so auch der Skitourismus. Der Betreiber wusste nicht, wohin mit dem Lift, und ließ ihn kurzerhand an Ort und Stelle: Er schenkte ihn Franz Bindl. Und der grübelte, was man damit machen könnte.

Bindl arbeitete damals bei der Firma Zierer in Deggendorf, die Karussells und Fahrgeschäfte baut, und kam dadurch viel im Land herum. Im Sauerland sah er schließlich eine Sommerrodelbahn, auf der die Schlitten mit dem Lift hochgezogen wurden. „Das war die Idee, den Lift sinnvoll einzubinden“, erinnert sich der fünffache Familienvater. Er nahm drei Gesellschafter ins Boot für die hohe Investition: „Allein hätte ich mich das nie getraut.“

Allerdings wurde der Skilift dann doch abgerissen. Wie sich herausstellte, passte er nicht zur Sommerrodelbahn: „Das haben wir dann gleich verworfen.“ Die Idee mit der Bahn wurde aber umgesetzt, auch wenn Franz Bindl anfangs etwas nervös war: „Es gab schon vier Sommerrodelbahnen im Bayerischen Wald, und ich war mir nicht sicher, ob unsere sich etabliert.“

Die vier Partner entschieden sich daher für den Bau der modernsten Rodelbahn, die am Markt war. Sie bot damals schon Platz für Zweisitzer. Auch eine Imbissgaststätte und ein kleiner Spielplatz wurden errichtet.

Der Probebetrieb an Ostern vor 25 Jahren lief noch etwas holprig, wie der Initiator heute schmunzelnd erzählt: „Wir hatten nur zehn Bobs von 54 auf der Bahn und waren total überfordert, wir mussten mit dem Bulldog immer mehr holen.“ Aber schon beim regulären Betrieb an Pfingsten funktionierte fast alles. Das Geschäft lief gut.

Das war für Bindl und seine Partner aber kein Grund, sich auf dem Erreichten auszuruhen: „Wir haben nicht stillgehalten.“ Jahr für Jahr kamen neue Attraktionen hinzu. Zum Zehnjährigen wurde etwa die Coaster-Bahn eröffnet, eine modernere Sommerrodelbahn, die noch einmal richtig viel Schwung brachte und parallel zur alten Bahn läuft.

Und Bindl wollte weiterwachsen. 2011 gab es dann ein richtungsweisendes Gespräch zwischen ihm und seinen Partnern, wo der Weg hinführen soll. Schließlich stiegen die drei anderen Gesellschafter an dem Punkt aus, und die Familie Bindl ging ihren Weg alleine weiter.

Gleich darauf wurde eine Tubing-Bahn eröffnet, eine Reifenrutsche, und 2015 folgte dann die größte Investition der Geschichte: der Voglwuide Sepp, Bayerns längste Achterbahn. Mit dem Bahnhofsgebäude und dem Kassenbereich investierte die Betreiberfamilie über 3 Millionen Euro, die sich offensichtlich ausgezahlt haben: „Seitdem haben wir auch einen Namen im Großraum München und Nürnberg“, sagt Bindl.

Ab dem Zeitpunkt aber war alles zu klein. Die Gaststätte wurde neu gebaut, die Küche erweitert. Als Nächstes folgten der „Kugelwoid“, die Motorik-Wiese für sportlichen Spaß und ein neuer Spielplatz. Anders als die meisten Freizeitparks verlangt die Familie Bindl keinen Eintritt. Manche Angebote wie die Spielplätze und die Motorik-Wiese sind kostenlos zu nutzen, wer mit etwas fahren möchte, der bezahlt dann für diese Fahrt. „Wenn sich das in etwa die Waage hält, dann können wir das auch weiterhin so machen“, erklärt der Chef und verrät: „Uns ist es lieber, die Leute fahren öfter und bleiben somit länger hier und lassen so noch ein paar Euro in der Gastronomie.“

Wie für so viele, war das Jahr 2020 auch für Franz Bindl ein Einschnitt. Kaum war die neue Attraktion Biberland in Auftrag gegeben, kam auch schon die Corona-Pandemie und legte alles lahm. Eine Wiedereröffnung an Pfingsten 2020 lief gründlich schief: „Wir wurden von Gästen überrannt. Schon am nächsten Tag rief das Landratsamt an. Wir haben dann innerhalb von zwei Tagen das Gelände umzäunt, um die Besucherzahl regulieren zu können“, sagt Bindl. Eine schwierige Phase, durch die der Betrieb aber gut durchgekommen ist. Inzwischen kann die Familie wieder positiv nach vorne schauen.

Die Zukunft des Freizeitparks scheint gesichert

An Pfingsten wird der langersehnte neue Parkplatz eingeweiht, der nun noch viel mehr Fahrzeugen Platz bietet und die Gäste durch einen Tunnel unter der Staatsstraße sicher aufs Gelände bringt. Und auch für 2025 ist wieder etwas Neues geplant – recht viel verrät der umtriebige Inhaber noch nicht, außer: „Es richtet sich an Kleinkinder, und ein Teil davon wird wieder gratis sein.“

Vor der Zukunft ist Franz Bindl nicht bang, und das liegt nicht nur daran, dass seine Nachfolge durch seinen Sohn gesichert ist. Er ist sich sicher: „Auch wenn die Zeiten schlechter werden sollen, brauchen die Menschen Spaß und Ablenkung und werden zu uns kommen.“ (Melanie Bäumel-Schachtner)
 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Soll die tägliche Höchstarbeitszeit flexibilisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.