Leben in Bayern

Regina Wallner ist seit zehn Jahren die Stimme der Münchner S-Bahn. Zum Oktoberfest oder in der Adventszeit auch auf bayerisch. (Foto: Stephan Jansen/dpa)

18.12.2019

Mit Herz für die Heimat

Wenn man sich nicht auskennt, sind sie essenziell - Pendler hingegen nehmen sie oft gar nicht mehr wahr: die Ansagen in den S-Bahnen. In München werden sie von einer Frau gesprochen, die auch sonst oft vor dem Mikro steht.

Manchmal sind es vermeintliche Nichtigkeiten, die einen Menschen noch Jahrzehnte später prägen. Bei Regina Wallner war es die verpatzte Führerscheinprüfung. Ihren Freunden hatte sie damals versprochen, sie gleich am Abend zu einer Feier zu fahren - und musste dann kleinlaut die Mutter als Chauffeurin anheuern. Bis heute erzählt Wallner deshalb selbst engen Vertrauten höchst ungern von Bewerbungen oder anderen Meilensteinen im Leben, solange die Entscheidung nicht endgültig gefallen ist. Das war auch vor zehn Jahren nicht anders, als Wallner ihren Hut in den Ring warf, um "die Stimme der Münchner S-Bahn" zu werden.

Die Deutsche Bahn wollte damals die computergenerierten Ansagen durch eine angenehme Stimme mit süddeutscher Klangfärbung ersetzen. Mei, Bairisch spricht Wallner von Kindesbeinen an, ist sie doch auf einem Bauernhof am Chiemsee aufgewachsen. Und ihre angenehme Stimme präsentierte sie schon damals beim Verkehrsfunk im Bayerischer Rundfunk - allerdings auf Hochdeutsch.

Dieser Mix überzeugte, und seit zehn Jahren sagt Wallner zusammen mit ihrem englischsprachigen Kollegen Graham Baxter die Haltestellen an. Anlässlich des Jubiläums hören die Fahrgäste auf der Stammstrecke heuer am dritten und vierten Adventwochenende zudem ein kleines Gedicht. "Heiligabend steht vor der Tür, lasst's eich ned stressn - Hobt's olle Gschenke kauft, die Platzl gessn?" - da hört man die Mundart schon mehr durch als bei den Standard-Durchsagen.

"Es kommt immer darauf an, wer mir gegenüber sitzt", erläutert Wallner die vielfältigen Möglichkeiten der sprachlichen Abstufung. Die 41-Jährige scheint auch sonst ein Mensch zu sein, der sein Umfeld ziemlich genau wahrnimmt - und dadurch fein justiert auf sein Gegenüber eingehen kann. Eine Fähigkeit, die ihr auch beruflich zugute kommt.

Denn die gelernte Kauffrau steht nicht nur regelmäßig beim BR im Tonstudio, sondern hält auch als Moderatorin von Veranstaltungen ein Mikrofon in der Hand. Das fällt ihr nicht immer leicht, wie Wallner einräumt. "Beim Radio blendet man aus, dass viele Leute zuhören." Doch seit ihrer Jugend zwinge sie sich regelmäßig "raus aus der Komfortzone", auch im Privaten. "Ich muss keine Schwimmwettkämpfe schwimmen, ich muss auch keine Veranstaltungen moderieren. Ich will aber raus aus dem Gewohnten, will es mir selbst beweisen."

Eine Klischee-Bayerin?

Um dabei keinen Bauchplatscher zu erleiden, steckt sie eine Menge Zeit in ihre Moderationen, arbeitet sich in die Themen ein - und macht beim Bügeln oder Abwaschen einen Übungsdurchgang. "Das ist mir wichtig, dass keiner sagt: Die hat geschludert oder war nicht gescheit vorbereitet." Geht es dann ums Ganze, helfen ihr im Zweifel Spontanität und Humor, wie Wallner erzählt. Das gilt auch für ihre monatliche Moderation der Sendung "Feierabend" auf BR Heimat.

Obwohl sie schon seit 22 Jahren in München lebt, ist "Heimat" für Wallner noch immer Prien am Chiemsee. "Mein Bruder hat den Hof, da habe ich immer noch ein Bett, und es gibt die drei Schwestern. Aber ich fahre auch gerne wieder zurück in die Stadt", schildert sie die zwei Welten, in denen sie lebt.

In Prien ist sie seit mehr als 30 Jahren im Schwimmverein, inzwischen als Schriftführerin. Auch im Trachtenverein ist sie seit Jahrzehnten. Und damit auch die Kinder anderer "Exilanten" die Traditionen weiterführen, leitet sie zudem gemeinsam mit anderen in München eine Jugendgruppe des Trachtenvereins "Chiemgauer München".

Ehrenamtliche Arbeit ist für Wallner dabei selbstverständlich. Verein ja, Vereinsmeierei nein: "Mir geht es eher auf die Nerven, wenn es so bürokratisch ist. Ich bin kein Jugendleiter, der Berichte abgeben muss oder zu Versammlungen fährt, sondern ich bin in der praktischen Arbeit. Mir macht das Spaß, mit den Kindern zusammenzuarbeiten", erzählt die vierfache Patentante. Während die Jungs platteln, bringt sie den Mädels das Dirndldrahn bei.

An der Volksmusik stört sie sich dabei nicht, im Gegenteil - die hört sie auch privat gerne. Eine Klischee-Bayerin also? Wallner wehrt ab: "Ich wach' nicht jeden Tag im Dirndlgewand auf." Um im nächsten Atemzug hinzufügen: "Naja, während der Wiesn vielleicht schon."
(Elke Richter, dpa)

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