Die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland hat mit 3,48 Millionen eine neue Rekordzahl erreicht. Und etwa jeder zehnte lebt in Bayern. Diese Menschen wollen wohnen. Und sie wollen, beziehungsweise sollen, arbeiten. Letzteres ist gar nicht so einfach. Wenngleich sich die Situation laut Agentur für Arbeit verbessert hat. Vor allem in Bayern seien große Fortschritte erzielt worden. Viel mehr könnte erreicht werden, gäbe es mehr Sprachkurse, eine bessere Kinderbetreuung und eine zügigere Anerkennung von Qualifikationen.
Für die Agentur für Arbeit sind neun Herkunftsländer von Interesse, wenn es um die Integration in den Arbeitsmarkt geht, erläutert Kathy Matussek, Pressesprecherin der Regionaldirektion Bayern. Das sind Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia, Syrien und die Ukraine. Wobei Menschen aus der Ukraine ein Sonderstatus zukommt. Von den in Bayern lebenden Flüchtlingen aus den acht zuerst genannten Herkunftsländern war zuletzt zumindest etwa jeder zweite beschäftigt. Das Gros davon sogar sozialversicherungspflichtig. Bei Geflüchteten aus der Ukraine war dagegen nur gut jeder dritte beschäftigt. Die gesamte Beschäftigungsquote in Bezug auf alle neun Fluchtländer beträgt in Bayern im Moment knapp 45 Prozent.
Höchste Arbeitslosenquote bei Menschen aus Ukraine
Immer wieder berichten Medien von Flüchtlingen, die es in Rekordzeit geschafft haben, sich beruflich zu integrieren. So stellten die Nürnberger Nachrichten im Sommer einen Syrer vor, dem es gelungen war, bei der Sparkasse in Nürnberg Karriere zu machen. Wobei gerade die Arbeitslosenquote von Menschen aus Syrien laut Kathy Matussek hoch ist. Zwar ist sie nicht ganz so hoch wie bei Flüchtlingen aus der Ukraine, Syrer rangieren jedoch an zweiter Stelle. Danach folgen Flüchtlinge afghanischer und somalischer Staatsangehörigkeit.
Die Daten stammen vom Mai 2024, aktuellere gibt es laut Arbeitsagentur noch nicht. Ein Jobangebot kann oft nur dann angenommen werden, wenn es möglich ist, die Kinder betreuen zu lassen. „Rund die Hälfte der Geflüchteten sind entweder alleinerziehend oder leben in einem Haushalt mit Kindern“, erläutert Kathy Matussek. Weil es vor Ort oft nicht genug Betreuungsplätze gibt, könne weder ein Sprachkurs besucht noch Arbeit aufgenommen werden.
Zudem besteht auch bei Sprachkursen zum Teil das Problem, dass länger auf einen Platz gewartet werden muss. Auch die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse zieht sich laut Kathy Matussek mitunter hin und verzögert die Arbeitsaufnahme.
Im Landkreis Nürnberger Land bemüht sich das Jobcenter nach Aussage von Pressesprecher Rolf List darum, Geflüchtete so früh wie möglich in Arbeit zu bringen. Die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs sei dafür die Mindestvoraussetzung.
Allerdings genüge es nicht, in einem Integrationskurs basale Sprachkenntnisse erworben zu haben. Während der Beschäftigung müsse zwingend weiter Deutsch gelernt werden. Dies setzt laut Rolf List jedoch voraus, dass ein Arbeitgeber bereit ist, einen Flüchtling einzustellen, auch wenn der anfangs noch nicht gut Deutsch spricht.
Um die Jobvermittlung zu beschleunigen, bezuschusst das Jobcenter im Nürnberger Land Arbeitgeber, die Flüchtlinge akzeptieren. Außerdem wird eine assistierte Ausbildung angeboten. Das Engagement fruchtet, sagt Rolf List. 335 Flüchtlinge konnten in den ersten elf Monaten des Jahres 2024 sozialversicherungspflichtig in den Arbeitsmarkt integriert werden. Das waren 125 mehr als im Vorjahr, was einer Steigerung von knapp 55 Prozent entspricht.
Auch im Nürnberger Land könnten noch mehr Flüchtlinge beruflich integriert werden, gäbe es mehr Kinderbetreuungsmöglichkeiten und würde es nicht so lange dauern, bis Qualifikationen anerkannt werden. Zu putzen oder in der Küche dem Koch zur Hand zu gehen, dazu gehört nicht viel. Man braucht keine besonderen Fähigkeiten. Und kommt sogar mit rudimentären Sprachkenntnissen aus.
„Wer nicht wählerisch ist, findet sehr einfach Arbeit“
„Wer unter den Asylbewerbern motiviert und nicht wählerisch ist, kann sehr einfach Arbeit finden“, sagt Thomas Fichtl, Flüchtlingsberater der Caritas in Marktoberdorf. Problemlos seien im Ostallgäu derzeit Jobs als Reinigungskraft, Roomboy, Zimmermädchen oder Hilfskoch zu bekommen. Allerdings ist es nach seiner Ansicht nicht gut, sich, sobald das rechtlich möglich ist, in Arbeit zu stürzen. Um langfristig beruflich weiterzukommen, sollte erst einmal Deutsch gelernt werden.
Die Jobsuche wäre erfolgreicher, gäbe es mehr Helfertätigkeiten, meint Bernhard Stiedl, Vorsitzender des DGB in Bayern: „Ein Großteil der zu uns Geflüchteten steigt zunächst auf Helferniveau in den Arbeitsmarkt ein.“ Die Relation zwischen Arbeitslosen und offenen Stellen sei jedoch gerade in diesem Segment ungünstig.
Für höher qualifizierte Jobs seien Sprachkenntnisse unabdingbar. Der DGB fordert deshalb, die Mittel für Integrationskurse 2025 auf mindestens 1,1 Milliarden Euro zu erhöhen. Tatsächlich soll das Haushaltsvolumen für Integrationskurse jedoch massiv schrumpfen. Kürzungen um die Hälfte auf nur noch 500 Millionen Euro stehen im Raum. Würde dies tatsächlich durchgesetzt, sind laut DGB „weitreichende Konsequenzen“ zu befürchten.
Auch Tobias Weidinger, Migrationsforscher an der Uni Erlangen, übt an den geplanten Kürzungen Kritik. Sprache sei essenziell: „Sie ist ein Schlüssel zum Zugang, vor allem, um Arbeit zu finden.“
Die generelle Chance auf Integration in den Arbeitsmarkt hat merkbar zugenommen, konstatiert die IHK für München und Oberbayern. Sie verbesserte sich nicht zuletzt durch das Chancen-Aufenthaltsrecht, das vor zwei Jahren in Kraft trat, findet Pressesprecherin Almut Burkhardt. Geduldete Flüchtlinge, die bis Ende 2022 seit mindestens fünf Jahren in Deutschland lebten, können dadurch unter bestimmten Voraussetzungen eine dauerhafte Aufenthalts- und Beschäftigungserlaubnis erhalten.
Wichtig bleiben aber auch für die IHK gute Angebote, um die deutsche Sprache zu lernen. Wer als Verkäuferin im Handel oder als Kellner in einem Restaurant arbeiten will, muss Deutsch sprechen können. „Eine langfristige und bedarfsgerechte Finanzierung von Integrationskursen ist deshalb zwingend geboten“, betont die IHK-Pressesprecherin. Besonders schwierig sei die Situation für Azubis: „Es fehlt an einem flächendeckenden und praktikablen Angebot an Deutsch-Berufssprachkursen.“ Vor allem in ländlichen Regionen sei es schwierig, den Besuch der Berufsschule mit der Ausbildung im Betrieb zu vereinbaren.
Auch wenn es in letzter Zeit gelungen ist, mehr Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren, darf keine Schönfärberei betrieben werden, mahnen Flüchtlingsberater aus Bayern. Denn noch bestehen eine Menge Probleme. Ein großes Problem, sagt Daniel Vomberg, Flüchtlingsberater von Caritas und Diakonie in Landshut, stellt die Tatsache dar, dass es gar nicht so einfach ist, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen. Asylbewerber dürften erst drei Monate nach der Asylantragsstellung arbeiten – und auch dann nur mit Genehmigung der Ausländerbehörde. „Die Bearbeitungszeit ist manchmal so lange, dass die Stellen anderweitig vergeben werden“, weiß er aus der Praxis.
Die Lebensumstände wirken sich auf die Chancen aus
Was man nach Ansicht von Flüchtlingsberater Thomas Fichtl überhaupt nicht schönreden darf, sind die Lebensumstände vieler Flüchtlinge, die sich zwangsläufig auf die Arbeit auswirken. „Die Asylunterkünfte sind zum Überquellen voll“, kritisiert er. Die Bedingungen kratzten an der Menschenwürde: „Wie es den Bewohnern geht, interessiert anscheinend nicht.“
Nach seiner Ansicht müssten Asylbewerber oder geduldete Flüchtlinge, die arbeiten, aus den Unterkünften in Mietwohnungen umziehen können. Dies jedoch würde aktuell vielerorts an der Unmöglichkeit scheitern, bezahlbaren Wohnraum zu finden. (Pat Christ)
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